Musikperlen: «Pirates of Skalanda» (2008)
Drei Jahre vor Bock uf Rock gab es eine Kompilation, die mein Leben nachhaltig veränderte. Die Rede ist vom ersten Skalanda-Sampler auf dem sich ein Best-Of der Bündner Musikszene tummelte. Mike Muzzarelli’s Kompilation beeinflusste mich jahrelang und machte mich selber auch zum Jäger und Sammler, wenn es um Bündner Musik ging. Die erste Ausgabe des Samplers fand ich persönlich nicht so toll, da für mich dort der Sound nicht so wirklich gestimmt hat. Die zweite CD mit dem Titel «Pirates of Skalanda» veränderte dann alles.
Es war 2008 als ich bei der ziemlich gehypten Band AndaRojo im Probelokal sass und erstmals in die Scheibe reinhörte. Sie hatten damals den Raum unterhalb vom relativ frisch errichteten Palazzo und Muzzy war damals auch ein bisschen ihr Manager.
Lange bevor der zweite Tonträger der Serie in den Läden stand, habe ich bei Mike um einen Platz auf der CD für meine Band Virus of the Cactus gebettelt. Er wusste von unserem Hype zu dieser Zeit und erteilte uns aber trotzdem eine Absage. Dies vor allem, weil wir nicht wirklich «Ska»-mässig unterwegs waren.
Bis heute ist dieser Punkt von – vielleicht nicht einmal böse gemeinter Ablehnung – der wichtigste Faktor und der Antrieb meiner Karriere. Denn, wenn ich damals mit meiner Band auf seiner CD gelandet wäre, hätte ich vielleicht bis heute keine eigene Samplerreihe wie «Bock uf Rock», «Bock uf Rap» oder «Bock uf Metal» aus dem Boden gestampft.
Ich bin ein ziemlich harter Hund, wenn es um die Erfüllung meiner Träume geht. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, gehe ich deshalb mit sehr viel Herzblut dahinter und versuche es auf irgendeine Art und Weise selbst zu regeln. Ähnlich erging es mir übrigens auch, als uns kein Management unter Vertrag nehmen wollte. Relativ zügig wurde ich bei all meinen Bands selber der Manager und Bookingverantwortlicher. Als wir den Geschmack der Festivals und Openair nicht getroffen haben, habe ich selbst Musicnights auf die Beine gestellt. Und gerade weil Bündner Open Airs, damals zu wenige Bündner Künstler buchten, griff ich beim Open Air Malans für zwei Jahre intensiv ins Spiel ein und erhöhte die Bündner Quote auf weit über 50%, was dann die anderen Openairs animierte, wieder vermehrt auf lokale Künstlerinnen und Künstler zu setzten. Dann gibt es hier noch die Geschichte mit dem Journalismus, als ich bei GRHeute einstieg, weil mich die SO nicht wollte und später dann auch Qultur gründete, um endlich mal was Stimmiges nach meinem Gusto auf die Beine zu stellen, aber das ist eine andere Geschichte.
Wenn andere aufgeben, fange ich erst an. Das macht mich bei vielen vielleicht nicht gerade beliebt, aber es gibt durchaus eine Hörer- und Leserschaft, die mich seit mehr als einem Jahrzehnt begleitet und träumen lässt. An dieser Stelle mal ein herzliches Dankeschön an euch!
Es gibt wenige im Kanton die ähnlich verbissen für die Musikszene leben wie ich, aber einen Mann gibt es, der in vielen Sachen mit mir auf einer Wellenlänge ist: Mike Muzzarelli.
Es kommt nicht von ungefähr, dass ich immer wieder gerne in seinen Lokalen spiele und seit Jahren grosser Skafari-Fan bin. Denn bei ihm kann man, wenn man gewillt ist zuzuhören, richtig etwas lernen. Denn, kaum ein anderer als Muzzy hat im Kanton so viele Bands gebucht und bei so vielen Sachen den Finger aus dem Arsch gezogen und angepackt, wie er. Aus diesem Grund bin ich zwar noch immer ein wenig traurig nicht auf der CD zu sein und trotzdem megahappy mit dem Segen von King Muzzambo eine eigene Karriere aufgebaut zu haben.
Doch zurück zu seinem Meisterstück «Pirates of Skalanda»:
«Nach 17 Konzerten der Skalanda Tour in der ganzen Schweiz und über 2000 verkauften Tonträgern im Jahre 2005 ist nun Pirates of Skalanda am Start! Im Herbst 2007 verschanzten sich einige Bündner Bands im Studio um Bier zu trinken und natürlich um Songs aufzunehmen. Ska und Bier gehören unweigerlich zusammen. Schon die Piraten liebten es zu touren, zu feiern und würzten ihren Cocktail aus Calypso, Mento und Seemannsliedern mit einer ordentlichen Portion Bier. Und auf ähnlichen Pfaden wandern auch die befreundeten Bands aus Graubünden. Genau aus diesem Grund machten sich 9 dem Bier nicht ganz abgeneigte Bands daran, eine gemeinsame CD zu produzieren und unter dem Namen Pirates of Skalanda durch die Schweiz zu touren.»
Dieser Text steht eindrucksvoll im illustren Booklet und macht mächtig Durst auf mehr. Die Bands reichen von regelrechten Legenden wie Nguru, Bonkaponxz (Diesen Namen muss ich jedes Mal auf die richtige Schreibweise zehn Mal kontrollieren) und natürlich Skafari, über damals ziemlich gehypte Acts wie AndaRojo, Hasacuma, Womit, sowie die heissen Newcomer abrigo_sounds, Beatcrackers und einer der besten Bündner Troubadoure Malenco. Muzzy servierte ein 17-Track-starkes-Off-Beat-Gourmet-Menu und ich schlemmte genüsslich mit. Ich erinnere mich noch bildlich an das epische Konzert auf dem Bahnhof Chur anlässlich der Skalanda-Tour. So etwas sollte man irgendwie wieder mal machen. Zeit die Zeit ein wenig zurück zu drehen und nochmals zu tanzen:
«Skafari – California Dreaming»
«Ich biiiii dabiiiaa» singt ein Kind am Anfang und Skafari erwischt mich mit voller Wucht, mächtig viel Dreck und einem sehr speziellen Englisch. Ja, ich bin auch voll dabei und zelebriere den bläserlastigen Ska der Churer und empfinde das auch heute noch als eine der besten Coverversionen des inzwischen ein wenig ausgelutschten Evergreens.
«Nguru – Arm your Demons»
Nguru sind eine Klasse für sich. Perfekt on point gespielter Skapunk, der auch 12 Jahre später nichts an Frische und Drive eingebüsst hat. Die sollte ich eigentlich unbedingt mal wieder live schauen gehen.
Die Kultformation aus Chur, die schon länger Musik machen, als ich Lesen und Schreiben kann, haben hier einer ihrer grössten Hits geliefert, der eine regelrechte Aufstellhymne ist, zeitlos funktioniert und immer noch ziemlich reinknallt. Wenn man eine eindrückliche Bündner Liveband sehen will, dann sollten die ganz oben auf der Liste stehen. Ich habe sie zuletzt am Churer Fest vor ein paar Jahren gesehen, war schwer fasziniert und auch ein wenig neidisch, wie viel Druck die Jungs noch immer nach vorne haben.
«Womit – Womit habe ich das verdient»
Einer meiner Lieblingstracks des Trios, von dem ich sogar ein T-Shirt hatte. Womit war eine Weltklasse-Partyband, mit der es wunderbar klappte, sich mächtig abzuschiessen und die Nächte durchzufeiern. Die kriegen dann auch mal eine Perle für sich alleine, was ich schon zum zweiten Mal in einer Perle erwähne.
«Abrigo Sounds – Green Couch»
Dieser Track ist irgendwie ein Alien auf der süffigen Kompilation. Ein wenig zu experimentell und nicht so lustig wie die anderen Bands. Hörbar auf jeden Fall, jedoch vielleicht besser auf platziert auf einem eigenen Tonträger.
«Malenco – Welcome to the show»
Der ehemalige Nguru-Sänger ist ein brutal guter Songwriter und Dichter. Als ich ihn für die Bock uf Rock-Serie verpflichtete, lief ich eine Woche nur noch mit Grinsen im Gesicht in der Gegend rum. Entdeckt für mich habe ich ihn hier auf dieser CD. Bisschen Wild-West-Romantik und eine eindrückliche Coolness, die alles in den Schatten stellt. Malenco ist eine coole Socke und auch heute noch sehr zu empfehlen! Man könnte sogar sagen, sein neues Album «Berries for the Old Town» ist die Vollendung dessen, was der feine Kerl hier angedeutet hat.
«AndaRojo – Adüna»
«Adüna bun-Cafe grischun», so oder ähnlich steht es in Chur am Bahnhof auf einem Transparent. Jedes Mal erinnere ich mich beim Vorbeischlendern dort an dieses Lied meiner liebsten romanisch sprechenden Band. Ihr Versuch ein Ska-Track zu produzieren exklusiv für die Kompilation ist absolut gelungen und rockt auch heute noch. Geil!
«Hasacuma – Beautiful»
Diese Band gibt es wie AndaRojo inzwischen leider nicht mehr. Der Sänger von ihnen ist der Schwager von meinem langjährigen Grafiker José Federspiel aka DaMos. Die Band war immer sehr verspielt und lustig anzuhören. Wenn auch nicht unbedingt mein Fall. Beautiful lässt einem auf jedem Fall heute noch mit wippen und in Erinnerungen schwelgen. Lässige Nummer.
Reggae mochte ich eigentlich noch nie so wirklich, doch den Mix auf diesem Track mit Ska und fetten Gitarren macht den Track zu einer sonnigen Hymne. Wenn es auch nicht unbedingt der beste Skafari-Track ist, stampft der Refrain richtig heftig nach vorne und zeigt eine weitere Facette des Kultkombos.
«Abrigo Sounds – Let go»
Dieses Riff am Anfang. «Let gooooooooooo», ja hier ist loslassen und mit rocken angesagt. Und glatt ist das schwächere Beautiful schon wieder vergeben und vergessen. Was machen die eigentlich heute? Schon lange nichts mehr von denen gehört. Ich recherchiere da mal dran.
«Bonkaponxz – Thougts that will kill you»
Oh yeah, ein richtiges Brett folgt und reisst die letzten Zweifel nieder, dass Skabands nicht richtig abdrücken können. Der düstere Mix aus Metal/Hardrock-Riff und den Bläsern dieses Tracks verwandelt auch den letzten passiven Konzertgänger in einen Bonkaponxz-Fan. Bei diesem Song läuft niemand aus dem Konzertsaal, denn hier wird Pogo getanzt und ganze Lokale dem Erdbodgen gleich gemacht. Heisser Scheiss!
«Hasacuma – Sunshine»
Das leise Intro lässt auf nichts Gutes schliessen und doch hat der Track seinen Charme mit schiefen Tönen, schrägen Wechseln und einem nicht tot zu kriegenden Groove. Endlich hört man auch den Rapper Mr. Skipp, der das Wirrwarr ein wenig auffrischt. Eher speziell oder wie man bei dicken Männern wie mir sagt, ein Liebhaberstück.
«AndaRojo – Cumbat»
Owwww yeah! Das schnelle Brett von AndaRojo mit dem Töffintro. Es läuft mir eiskalt den Rücken runter, wenn ich den wieder höre. Einer der besten Bündner Rocksongs aus Graubünden aus den letzten 20 Jahren. Habe ich schon mal erwähnt, wie sehr ich diese Band vermisse? Dies hier ist ein weiterer Grund!
«Malenco – Scott Speed»
Malenco singt von einer Rennfahrerkarriere und ich lausche jedes Wort mit Bedacht und voller Freude. Die groovige Ballade macht auch heute noch sehr viel Spass und bleibt wie ein Tattoo auf der Haut, direkt im Ohr hängen. Die World-Music-Klänge sind zwar nur minim eingesetzt und doch setzten sie dem Track noch das Sahnehäubchen auf. Sehr cool und mitsingbar.
«Womit – Bleib optimistisch»
Roger Köppel, nein nicht der rechts gerichtete Politiker und Verleger, ist ein Songschmied, der hin und wieder einen eindrucksvollen Wurf wie den hier tut. Womit war Fun pur und heute schreibt er vor allem den Damen von Miss Rabbit Hits. Dieses Lied hier ist ein typischer Womit-Track, der abgeht, mitsingbar ist und sehr viel Spass macht.
Eigentlich könnte ich hier wieder das gleiche wie oben schreiben. Nguru funktioniert exakt wie ein Uhrwerk und macht aus Ska-Hassern tanzwütige Partypeople. Wie man einen Hit schreibt? Am besten bei den Ngurus nachfragen.
«Skafari feat. Beatcrackers – Fründa vo Graubünda»
Was mit «Mis Läba isch so scheisse» im Kollektiv mit dem Bad-Boy-Bauer Gimma gelang, wurde hier ein zweites Mal versucht. Warum nur versucht? Vor allem aus dem Grund, dass Marcus Aurelius zwar ein extrem guter Rapper ist, sein damaliger Partner Propaganda aber nie wirklich gut zu ihm gepasst hat. Die Mischung aus Ska und Rap lässt sich aber auch ein paar Jahre später immer noch sehr gut anhören und animiert zur grossen Sause. Ein Zeitdokument für Bündner im Exil, Heimweh-geschwängert und doch fröhlich. Verfeinert vom genialen Lou, ist es ein idealer Abschluss der coolen CD. Ach, wir leben schon am schönsten Ort der Welt.
Schlussfazit:
Ohne «Pirates of Skalanda» hätte ich wahrscheinlich nie ein solch intensives Interesse an Bündner Musik bekommen. Die CD ist heute noch voller Zeitzeugen, Neu-, Wiederentdeckungen und Hits. Ab dem ersten Ton riecht man das Bier durch die Boxen und will feiern. Muzzy hat mit dieser CD nicht nur eindrucksvoll dem Musikstil SKA ein Denkmal errichtet, er stellte auch ein Best-Of aus Bündner Musik auf die Beine. Danke dafür!