Musikperlen: «Saint City Orchestra – Chaos» (2018)
Irgendwas haben die Herren der Band Saint City Orchestra richtig gemacht, denn als ihr neues Album «Chaos» im vergangenen Winter erschienen ist, bin ich als Medienschaffender doch einige Male drüber gestolpert. Der neue Telli-Manager Simon Den Otter von Hertzhaft hat mir die Band wärmstens ans Herz gelegt und mich damals zu einem Abendessen anlässlich der CD-Präsentation in Eschen eingeladen. Auch bei Radio L flatterte eine lustige Einladungskarte mit sprechenden Mini-Pappfiguren in die Redaktion, die mich begeisterte. Aus irgendeinem Grund war ich verhindert und konnte nicht ins Studio von Little Konzett vorbeihuschen. Ein klein wenig war die Situation damals auch eine spezielle, denn im November 2018 fand bei mir ein grösserer Umbruch statt, als ich mich nach drei Jahren bei der Bündner Onlinezeitung GRHeute verabschiedete, um mit Qultur mein eigenes Ding auf die Beine zu stellen. Aus diesem Grund habe ich mit der Irish-Rockband nur ein kleines «In eigenen Worten» produziert, was ich dann selbst sogar ein wenig cheap fand, da sich die Musiker enorm viel Mühe bei der Promotion ihres Albums gemacht haben. Diese vergebene Chance von damals möchte ich heute gerade rücken und ihnen die Plattform bieten, die sie auch verdienen.
Doch genug von der gemeinsamen Geschichte, hören wir endlich mal rein in das Werk der St. Galler Formation und bevor ich es vergesse, das nächste Mal live spielen sie am kommenden Wochenende am Summerdays in Arbon! Auschecken!
«I'm alright»
Hui, das geht aber schnell. «I’m alright. I’m okey. Don’t ever fuck with me.» Das ist mal ein Statement zur Eröffnung der CD. Das stimmungsgeladene und selbstbewusste Lied eröffnet mit viel Kraft das Werk und zeigt, dass auf dieser Scheibe keine halben Sachen serviert werden. Gut so, aber warum habe ich eigentlich kein Bier mehr zu Hause?
«Sticks and Stones»
Die Midtempo-Ballade geht sofort ins Ohr, denn die etwas ruhigere Strophe gipfelt in einen tollen Refrain, der Mut macht und ziemlich schnell fast schon automatisch mitgesungen werden kann. Während der Opener der CD, den Startschuss für die Party gab, zeigt dieses Lied über’s «Erwachsenwerden», das die Band Musik mit lyrischem Gehalt und Tiefgang servieren.
«I’m a Punk»
Während die zwei Vorgänger nur ganz knapp auf drei Minuten Länge kamen, kommt jetzt ein etwas längeres Stück, ironischerweise mit dem Begriff «Punk» im Namen… Also wenn das Dee Dee Ramone mitkriegen würde. Nein, Scherz. Interessant und spannend aufgebaut, wie die Kombo das Lebensgefühl des Aussenseiters porträtieren ohne sich aus der Schublade der abgedroschenen Klischees zu bedienen oder anderweitig abzudriften. Die Nummer, die sicher sehr gut zum Pogotanzen geeignet ist, ist cool und darf die alten Regeln des Punkrocks ruhig ein wenig aufbrechen.
«Mr. & Mrs» feat. Madyx
Jöö, ist das ein herziges Stück. Das Duett mit der Sängerin Madyx ist ein angenehmer Herzschmelzmoment, der doch sehr überrascht. Oft nehmen Musiker eine Kollegin oder Bekannte dazu, die hobbymässig singt und der Zusammenarbeit dann eher ein wenig schadet. Ganz anders ist es zum Glück hier. Madyx harmoniert mit dem Orchester optimal und erschafft gemeinsam mit ihnen einen echten Hit. Der könnte irgendwann vielleicht sogar mal den Platz vom Evergreen «Rose Tattoo» einnehmen.
«Set sail»
Jetzt sind wir bei der Hälfte und somit auch bei den ruhigeren Nummern angekommen. Das akustische Werk über’s nach Hause kommen, kann als Fernweh-, wie auch Heimwehsoundtrack verwendet werden und lebt vor allem durch das kraftvolle Organ des Sängers Sandro Schmid. Ganz gegen den Schluss wird es dann noch einmal ziemlich laut und wild, was dem Stück ein wenig die Magie nimmt und fast ein wenig schade ist.
«Change the World»
Die rockige Hymne versucht die Welt zu verändern und hat durch den stampfenden Charakter, sowie die tragende Violine von Eva Wey meine volle Aufmerksamkeit. Beim Anhören pocht es gleich ein wenig in den Händen, es gibt schliesslich genug zum Verändern für alle. Lasst es uns tun.
«A Conmans Greed»
Ich staune immer wieder wie schnittig und doch genau Leitwolf Sandro in die Saiten seiner akustischen Gitarre greifen kann. Der Partyrefrain lädt zum «die Sau rauslassen» ein und zaubert durch die einfach mitzusingenden Teile ein Lächeln auf mein Gesicht. Grandios!
«Look like gold»
Er ist müde von vielen Sachen, wie er in der Strophe immer wieder erklärt. Zum Glück merkt man es dem Sound des Quintetts nicht an, dass ihr Frontmann ständig müde ist und nicht wirklich weiss, wie er diese Frau nun ansprechen soll.
«Saint City my Pride»
Die Bandnamen-stiftende Stadt hat natürlich auch noch eine Hymne verdient. Die liefert das Orchester mit einem spannenden Mix aus Punk und Irish Rock! Beim Track zeigen sie viel Gespür für eine grosse Melodie, die doch stark an «The Kids aren’t alright» von The Offspring erinnert. Ein schöner Tribut an eine grosse Punkband, welcher durch die neue Interpretation von ihnen vielleicht einigen Kids von heute die Tür zu grandiosem 90er Punk-Sound öffnet.
«That’s not the End»
Das dies noch lange nicht das Ende, sondern erst gerade der Anfang ist für die Formation hoffen wir doch sehr. Denn die Band bestehend aus Gabriel Eschenmoser – Accordion, Jerome Graf - E-Bass und Contrabass, Marcel Eigenmann – Drums und Vocals, Sandro Schmid - Lead Vocals und Guitar, sowie Eva Wey – Violin zeigt bis zum letzten Ton, wie viel Freude Irish Rock stiften kann. Ein wildes Stück zum Schluss setzt dem Album die Krone auf und zeigt auch, dass die Band nicht einen Millimeter vom roten Faden weggerückt ist und ein sattes Werk voller Partymusik auf einem Silberling verewigt hat.
Schlussfazit:
Das Quintett aus St. Gallen hat mit dem Album «Chaos» bewiesen, dass ein kleines Stück von Irland wirklich in der Ostschweiz liegt. Das Album voller Kraft und Eigenständigkeit lebt durch das tolle Zusammenspiel, eine ansteckende Spielfreude und solides, abwechslungsreiches Songwriting. Wer es gerne etwas ruhiger und gesitteter hat, wird wohl kaum happy mit diesem Tonträger, aber wer so richtig Bock auf eine ausgelassene Sause, etwas Seefahrerromantik und Fernweh hat, ist beim Saint City Orchestra genau am richtigen Ort.