Musikperlen: «Head Smashed – Feeding the Animal» (2014)
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Musikperlen: «Head Smashed – Feeding the Animal» (2014)

Das Trio Head Smashed kenne ich schon Ewigkeiten, zwar nicht in dieser verschworenen Formation, sondern eher durch die einzelnen Komponenten, die seit Jahren in der Bündner Musikszene ihr Unwesen treiben. Zuerst kennengelernt habe ich den Drummer Patrick Däscher, welcher vor über zehn Jahren noch bei der Zizerser Schülerband Funkspruch trommelte. Durch meine kurze Freundschaft mit deren Sänger Toni hatte ich oft das Vergnügen gemeinsam mit ihnen auf der selben Bühne zu stehen. Das war damals im wunderbaren Jahr 2008. Die erste «Bock uf Rock»- Scheibe hatte gerade das Licht der Welt erblickt und die Mundartband aus Zizers nahm ich sehr gerne mit auf Tour, da sie so wunderbar unkompliziert waren. Däschi, der damals seine Haare noch lang trug, war zu dieser Zeit schon ein wahnsinniges Tier hinter dem Schlagzeug, dem ich in keinem einzigen, auch noch so goldenen Moment, technisch das Wasser reichen konnte. Doch das war der Grund, warum wir auch nach Funkspruch lose befreundet blieben, es war viel mehr seine entspannte Art und sein witziges Wesen.


Ebenfalls durch eine «Bock uf Rock»-Kompilation lernte ich 2010 Moritz Vieli kennen. Damals spielte er Gitarre und, mehr schlecht als recht, Klavier bei der Bonaduzer Band Kaleidoskop. Ganz nebenbei war das auch die Band, bei der die durch Hedgehog und den Song «Graubünda» heute ziemlich bekannte Sandii Fetz erstmals ins Rampenlicht schritt. Mit Kaleidoskop hatte ich auch diverse Male das Vergnügen gemeinsam aufzutreten, zu dieser Zeit dann aber schon mit Insomnia Rain und nicht mehr mit Virus of the Cactus, aber das sind Details. Moritz Vieli mochte ich immer sehr. Ähnlich wie ich, war er nicht der grösste Hirsch auf seinem Instrument und doch lebte er die Begeisterung für die Musik mit viel Enthusiasmus aus, was einfach nur ansteckend wirkte. Bis heute ist er einer der wenigen Freunde, die sich wirklich jede CD und jedes Buch von mir gekauft hat, wofür ich unglaublich dankbar bin. Bevor ich jetzt aber zu sehr ins Detail husche noch kurz zum dritten Puzzleteil auf dem Weg zum Trio.

Als ich mal wieder zufällig im Bluewonder Chur zu Gast war, entdeckte ich das Inserat von einer Band aus Bonaduz, die auf der Suche nach einem Sänger war. Ich meldete mich, wir trafen uns auf einen Jam und das Einzige, was letztendlich übrigblieb, war die neu gewonnene Freundschaft mit dem Gitarristen Roman Wilhelm. Der gute Herr hat zwar ein paar Jahre weniger als ich auf dem Buckel, ist aber seit diesem Kennenlernen stets eine treue Seele gewesen. Alle drei sind feine Menschen, die man gerne in seinem Freundeskreis hat. Vor gut zwei Monaten hat mir Roman beispielsweise wieder mal geschrieben. In der Badi Chur hätte er sich nun endlich Zeit genommen und mein neues Buch komplett durchgelesen. Er lobte meine Ehrlichkeit und bedankte sich bei mir für das Erwähnen von Head Smashed, was ich immer wieder mal gerne tat im Buch, da sie in den letzten Jahren definitiv musikalische Gefährten geworden sind, mit denen ich jederzeit gerne auftrete.

Die Band sah ich zuerst im Januar 2014 als Duo mit programmiertem Schlagzeug an einem Musik-Wettbewerb in Vorarlberg. Das war eine lustige Angelegenheit, denn neben uns, Insomnia Rain und Ro und Mo aka Head Smashed, spielte mit der Band Miss Rabbit gleich drei Formationen aus der Region im Ausland an diesem Contest. Wir und die Rockladys aus Buchs schafften es später bis ins Halbfinale nach Innsbruck, Head Smashed konnte mit ihrem Bühnendebüt noch nicht ganz überzeugen. Ich versprach den Jungs aber an diesem Abend schon, dass ich ihnen, sobald sie mit einem Drummer aufkreuzen, Konzerte organisieren würde, was ich dann kurze Zeit später auch gerne tat. In der Retrospektive hätte ich eigentlich auch selbst bei der Band einsteigen können, denn bei Insomnia Rain war längst auch nicht mehr alles Friede-Freude-Eierkuchen… Doch ich verpasste es, der Band of Brothers beizutreten und genoss die Formation von vor der Bühne aus als Fan.


Es waren vor allem diese ersten Shows, wo sie Ballone ins Publikum warfen und auch sonst jedes Lokal in eine regelrechte Sauna verwandelten, die mich zu einem echten Fan machten. Unvergessen bleibt mir die «Hungry for Rock»-Tour mit ihnen und Emma’s Daydream, bei der jedes Konzert wie eine epische Klassenfahrt war. Im Verlauf der Jahre konnte ich ihnen immer wieder Konzerte zustecken, beim Sponsoring oder sonstigen Fragen unter die Arme greifen und dafür auf ihre Freundschaft und sehr viel Dankbarkeit zählen.

Bevor wir jetzt ins Debütalbum der Band reinhören, noch eine kurze Anekdote mit Mo. Im vergangenen Jahr hat der gute Herr mich immer wieder dazu gedrängt mit ihm in den Ausgang zu gehen. Irgendwie hatte er das Gefühl, er schulde mir noch was, da ich ihnen kurz zuvor geholfen hatte. Da ich nicht sehr oft, geschweige denn viel Alkohol trinke, versuchte ich den Tag der süffigen Abrechnung immer wieder mal hinaus zu schieben. Doch Moritz liess nicht locker und nahm mich direkt nach der Arbeit mit. Ohne Widerrede machten wir es uns an einem Freitag in Muzzy’s Katakomben gemütlich und Mo bestellte und bestellte Gerstensaft, so dass ich sichtlich Mühe hatte meine Gläser leer zu kriegen. Die geilen Metalshows von drei verschiedenen Bands waren sensationell. Vor allem Chase the Pancake hatte an diesem Abend mächtig abgeliefert. Die Stimmung war grandios, Mo und ich zelebrierten unsere Freundschaft und meine Frau holte mich dann zum Glück kurz nach Mitternacht mit dem Auto ab. Diese schöne Sauf-Geschichte nahm dann aber doch ein anderes Ende, als ich es mir vielleicht vorgestellt hatte… Denn am nächsten Tag erwachte ich nicht nur mit einem unglaublichen Kater, sondern vor allem mit einer unbeweglichen Hand. Wie sich später herausstellte, war ich wahrscheinlich schon ein wenig zu alt, um so exzessiv Bier zu trinken, denn mein Arzt sprach von einer regelrechten «Festzelt-Gicht», was dem Abend einen weiteren unvergesslichen Beigeschmack verlieh und deshalb auf ewig in meinen Memoiren Platz findet. Doch genug geplaudert, so klingt das Debütalbum «Feeding the Animal» von Head Smashed.

«Dear Mr. Wise Guy»
Der sehr einfach mitsingbare Gassenhauer sorgt heute noch an ihren Konzerten für magische Momente und ist dank dem nach vorne trabenden Rhythmus ein stimmungsvoller Album-Opener und Party-Track. Auf Bock uf Rock 6 fand die erste Demo des Liedes Platz, welche zwar okey, aber nicht so «voll auf die 12» wie diese hier dahergekommen ist.

«Holy Monday»
Dieser Song hat vor allem durch die lustigen Tanzeinlagen von Roman und Moritz live viele Fans gewonnen. Irgendwie muss ein guter Punkrock-Song genau so klingen. Die perfekte Härte, die Melodie, die jeder noch so stumpfe Idiot sofort mitsingen kann, und das ganze sogar noch mit einer Länge unter drei Minuten. Ein Meistermerk!

«Throw away»
Erstmals singt auf dem Album auch Moritz Vieli, was neue Facetten dem Klangbild hinzufügt und ganz gediegen groovt. Das lustige Video mit Gimma als Türsteher im Purple Groove Club Chur hat mich schon beim ersten Durchsehen sofort begeistert. Es war mir nämlich schon immer klar, dass diese irgendwann gemeinsame Sache machen werden, denn in ihrem Schaffen finden sich, auch wenn es nicht sofort ersichtlich ist, definitiv einige Parallelen. Ich finde es beispielsweise immer sehr bewundernswert, wenn man als Künstler wenig auf die Meinung anderer gibt und zufrieden ist, mit dem was man hat und/oder kann. Die Headies und GM machen dies seit Jahren ohne Rücksicht auf Verluste und sind ziemlich glücklich damit. Sie nehmen sich selbst auch nicht wirklich ernst, was viele andere Musiker in Graubünden, mich eingeschlossen, ab und zu doch ein wenig gar intensiv tun. Wir sitzen alle im gleichen Boot, also lasst uns doch in Zukunft ein wenig mehr miteinander, statt gegeneinander arbeiten in der Musikszene. Wirklich leben von der Musik können die wenigsten Schweizer Acts, also lasst uns wenigstens gemeinsam eine grandiose und lustige Zeit haben... Doch zurück zum Album: Bei dieser Punkrock - Hymne hier stimmt so einiges: Die Melodie, die ansteckende Spielfreude und der Wahnsinnsrefrain. Interessant auch wie sie die Hook auf’s Finale hin nochmals ein wenig anheben und nochmals richtig auf den Pott hauen.  

«Riot»

Bei diesem Song fällt mir gerade wieder ein, wie oft ich das Trio schon live gesehen habe, denn «erst» nach einer Minute macht es richtig Klick und ich weiss wieder welcher Song es ist. Hier kommt ihnen zu Gute, dass sie mit Patrick Däscher eine ziemlich tighte Maschine an der Schiessbude sitzen haben, denn allerspätestens bei dieser Geschwindigkeit schleppt es dann bei anderen Regiobands grausam. Däschi für seinen Teil haut in einer atemberaubenden Geschwindigkeit drauf, als wäre es das Leichteste der Welt.

«The Army of the Fools»
Endlich kommen die berühmten «Woowooowoo»-Chöre zum Zug, die jeweils bei ihren Livekonzerten zum Mitmachen animieren. Im Zwischenteil hört man dann auch erstmals den Trommler ein paar Worte beitragen, was ziemlich gut zum humoristischen Aufbau des Songs passt.

«Don’t do this»
Die Hymne über’s Erwachsenwerden schlägt für einmal eine ein wenig ernstere Thematik an, zeigt dann aber beim mitbrüllbaren Zwischenteil, dass Head Smashed ihrem Sound treu bleiben. Vor allem bei den Riffs von Roman Wilhelm schimmert hin und wieder durch, dass er doch eigentlich noch viel mehr als Achtelrattern draufhätte und auch in einer Hard Rock-Formation spannende Geschichten beitragen könnte.


«Selfisticated»
Das erste Video der Jungs hat eingeschlagen wie eine Bombe. Die Partyhymne über eine störrische Frau hat kein bisschen Hitpotenzial eingebüsst und gehört nach wie vor zu den Hits im Liveset des Trios Roman Wilhelm, Moritz Vieli und Patrick Däscher. Warum ein Calanda Bräu direkt ins WC geschüttet wird, werde ich aber wahrscheinlich nie ganz verstehen können.

«I am a Wiener»
Selbstironisch wie eh und je, zeigt sich der Mann, der sich «Der verdammte Philosoph» auf Instagram nennt und liefert eine lustige Nummer, die das Album ergänzt, aber doch eher zu den schwächeren Tracks gehört.

«A Shadow in the Dark»
Gegen Schluss wird’s noch ein wenig düster und Roman zeigt erneut, dass in ihm eigentlich auch ein kleiner «Metalhead» steckt. Ziemlich laut und schnell geht das Album zu Ende, das doch leider mit seinen 27 Minuten etwas gar kurz geraten ist.


Schlussfazit:

Das Album «Feeding the Animal» von Head Smashed ist nicht aus den gleichen Gründen wie andere Alben eine musikalische Perle. Es ist vielleicht musikalisch auch nicht immer das Gelbe vom Ei und doch klingt es schnell und laut, wie kaum ein anderes Punkrockalbum aus der Region. Der wilde Sound, die jugendliche Spielfreude und vor allem der Klang der Narrenfreiheit gewinnen bei dieser CD und nicht etwa die ganz grossen musikalischen Kompositionen. Das Trio Roman Wilhelm, Moritz Vieli und Patrick Däscher schafft es trotz vereinfachten Songstrukturen nie belanglos zu klingen und haut innerhalb einer halbe Stunde doch eine beträchtliche Anzahl an Partyhymnen raus. Da sie sich selber nie zu ernst nehmen, hört man zwischen den Tönen wie viel Freude die Jungs bei der Produktion hatten und kann darauf hoffen, dass das Trio ihrem Hobby weiterhin mit so viel Herzblut frönt und das Fest nie zu Ende geht. Ihr Konzept, einfach ihr Ding durchzuziehen und Spass dabei zu haben, ohne verpickt auf Erfolg zu pochen, imponiert mir doch sehr und zeigt, dass Musik in der Schweiz, in einer Zeit in der die Musikindustrie immer mehr vor die Hunde geht, trotzdem eine Chance zum Überleben hat. Wenn man nämlich wie die drei Herren einfach zusammen eine verdammt gute Zeit hat, mit viel Herzblut bei der Sache ist, auf den Putz haut und sich von Egoproblemchen, wie sie bei regional bekannten Acts noch öfter in Erscheinung treten, nicht gross stören lässt, dann entsteht ein ungezwungener Soundtrack einer grossen Freundschaft. Und was gibt es denn bitte Schöneres als regelmässig ein ausgelassenes Fest mit seinen besten Jungs zu feiern?      

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