Linther startet solo durch
Du bist sehr erfolgreich mit Heimweh, gehst aber jetzt erstmals alleine mit Musik an den Start. Wie lange hast du schon den Wunsch ein Solowerk zu veröffentlichen?
Wenn man kreativ tätig ist, schwingen solche Gedanken eigentlich permanent mit, zumal es für mich auch keine Premiere als Songwriter ist. Ich hatte schon zu Kantonsschul-Zeiten meine Bands und habe als Maturaarbeit ein Album geschrieben, das ich von A bis Z selber eingespielt habe.
Und als dann vor rund einem Jahr, beim ersten Shutdown, praktisch alle in meinem Umfeld damit begonnen haben, ihre Estriche und Garagen aufzuräumen, habe ich mich dem «Gruppendruck» gebeugt und wollte auch etwas aufräumen. Für Estrich und Garage war ich zu faul, drum nahm ich mir als erstes mein Handy vor. Darauf haben sich in den letzten Jahren unzählige Sprachnotizen angehäuft, die ich immer dann aufgenommen habe, wenn mir eine Melodie- oder Textidee durch den Kopf gejagt ist. Kleine Fragmente, die ich unbedingt behalten wollte. Und je mehr «Ordnung» ich in diese Aufnahmen brachte, desto mehr zeigte sich, dass diese Notizen mehr als genug Material für ein komplettes Album hergeben.
Wann hast du beim Projekt Nägel mit Köpfen gemacht?
Im letzten Sommer habe ich ein halbes Dutzend dieser Songs bei mir zu Hause fertiggestellt und mit Gitarre, Bass, Klavier und Schlagzeug zu brauchbaren Demos verarbeitet. Auf der Suche nach einem Produzenten wurde ich bei meinem guten Freund Michael Dolmetsch fündig, den ich schon seit mehr als 20 Jahren kenne. Wir feilten an den Arrangements, suchten passende Musiker*innen für die Studioband zusammen und so setzte sich das Linther-Puzzle mehr und mehr zu einem grossen Ganzen zusammen.
Wer wirkt alles mit bei deinen Solotracks?
Der grossartige Gregor Meyle hat mal gesagt: «Was für eine Band – und ich darf auch mitmachen». Etwa so geht es mir persönlich mit diesen tollen Musikerinnen und Musikern, die Linther zu dem akustischen Gewand verholfen haben, das das Projekt ausmacht. Diese Band grenzt eigentlich fast schon etwas an Angeberei. Und es ist mir durchaus bewusst, dass ich ohne Corona und all die abgesagten Konzerte nie in den Genuss all dieser goldenen Hände und Stimmbänder gekommen wäre, die aufgrund dieses doch eher traurigen Umstands natürlich plötzlich sehr viel Zeit für Studioarbeit hatten – und auch froh waren, überhaupt endlich mal wieder spielen zu dürfen.
Zunächst ist da der bereits erwähnte Michi Dolmetsch, der als Keyboarder bei Lilly Martin, Philipp Fankhauser und anderen Top-Bands seit Jahrzehnten seine Sporen abverdient. Als Gitarristen konnten wir Jean-Pierre von Dach (Sina, Adrian Stern, uvm.) und Oliver Keller (Kunz, Caroline Chevin, uvm.) gewinnen. Den Bass bedient Simon Winiger (Marc Sway, Starch, uvm.) und das Schlagzeug Marc Hemantha Hufschmid (Musique En Route, Lea Lu, uvm.). Für die komplette Horn-Section zeichnete Lorenz Stöckli verantwortlich, für das Solo-Flügelhorn Matt Stämpfli. Geige und Cello spielten Susanne Dubach und Sarah Cohen – und die zauberhaften Backing Vocals stammen von Lesley Bogaert und Cathryn Lehmann, die man wohl auch nicht mehr weiter vorstellen muss.
Zum Start gibt’s mal eine EP, im Frühjahr 22 dann ein ganzes Album. Hat dich das Musizieren mit diesen Musikern zu neuen Höchstleistungen animiert?
Vielleicht nicht zu Höchstleistungen, aber sicherlich zu neuen kreativen Ideen. Es kam nicht selten vor, dass ich nach einem langen und strengen Tag im Studio nach Hause gefahren bin und dann (auch, um mich selber wieder etwas zu «erden») ein oder zwei Stunden noch Klavier oder Gitarre gespielt habe – und so wieder neue Audionotizen generiert habe, die es dann vielleicht mal auf ein späteres Release schaffen werden.
Viel wichtiger war für mich aber das emotionale Hoch, dass ich mich nach jeder Studiosession noch tagelang begleitet hat. Ich meine, da sitzt du in deinem Kämmerlein, schreibst Songs fertig, spielst sie im Rahmen deiner Möglichkeiten ein und bewegst dich dabei immer in einer Art kreativer Blase. Und dann gehst du ins Studio, übergibst deine Ideen an die Musikerinnen und Musikern – und diese erweitern dann den musikalischen Horizont deiner Songs in einer so perfekten und songdienlichen Art und Weise, dass du nach jeder Session denkst: «Besser kann es eigentlich gar nicht mehr werden». Du gehst total glücklich und euphorisiert nach Hause. Und bei der nächsten Session erlebst du das ganze gleich nochmals von A bis Z durch, weil es nochmals besser wurde.
Diese Gefühls-Hochs haben meinem Herz und meinem Gemüt in diesen tatsächlich nicht ganz einfachen Zeiten sehr gut getan.
Wie haben deine Kollegen von Heimweh auf deine neuen Lieder reagiert?
Den Jungs habe ich die Demos schon relativ früh gezeigt, weil mich ihre Meinung sehr interessiert hat. Ich meine, wir haben alle einen komplett anderen musikalischen Hintergrund. Ausserdem bin ich einer der letzten, der nun neben Heimweh auch noch ein anderes Projekt verfolgt. Darum waren diese Feedbacks für mich sehr wichtig – und sie fielen zum Glück auch sehr positiv aus.
Mit der ersten Single «Egal, was chunnt» sensibilisierst du die Zuhörerschaft für das wichtige Thema «Kinder mit seltenen Krankheiten». Wie ist es dazu gekommen, dass du dich schon seit Jahren für die Kleinen und ihre Familien einsetzt?
Den Song habe ich ursprünglich für meine jüngere Tochter geschrieben. Als ich durch einen Medienbericht auf den Förderverein für Kinder mit seltenen Krankheiten KMSK aufmerksam wurde, wurde mir als Vater plötzlich bewusst, wie glücklich ich eigentlich bin, dass meine Kinder gesund sind. Viel zu oft nehmen wir solche Dinge einfach als selbstverständlich hin, obschon sie es gar nicht sind. Also habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, als Botschafter dieses Thema etwas stärker in den Fokus zu rücken und die Öffentlichkeit zu diesem Thema zu sensibilisieren.
Und als der Song schliesslich «im Kasten» war, merkte ich, dass die darin erzählte Geschichte nicht nur auf mich zutrifft, sondern auch auf viele andere Eltern – und im Speziellen natürlich auch auf Eltern von Kindern, die von einer seltenen Krankheit betroffen sind.
Anlässlich deiner Medieninformation versendest du aktuell anstatt einer CD ein Schreiben mit QR-Code, sowie ein Pack Tee. Wie bist du auf die Idee gekommen die Medienschaffenden so zu überraschen?
Dafür waren insbesondere zwei Gedanken verantwortlich.
Einerseits wollen wir mit Linther weiter gehen, als «nur» Musik zu machen; das Projekt soll nicht nur die Ohren, sondern rundum alle Sinne ansprechen. Wir wollen mit den Texten berühren, mit den Videos Gänsehaut auslösen - und wir wollen «von innen» wärmen.
Darum haben wir den «Linthee» lanciert; eine Mischung aus Glarner Kräutern, die das akustische Kopfkino der Musik mit einem wohltuenden, geschmacklichen Erlebnis ergänzen soll – und den man übrigens über unsere Website auch für zu Hause bestellen kann.
Andererseits sind wir uns natürlich sehr wohl bewusst, dass wir ein Newcomer-Projekt sind und darum viel stärker um öffentliche Wahrnehmung kämpfen müssen, als etabliertere Bands. Das gilt ganz spezifisch natürlich auch für die Wahrnehmung in den Redaktionen. Wenn wir uns also für so tolle Interviews wie hier bei dir ins Rampenlicht rücken wollen, dann müssen wir schlicht vom ersten Moment an auffallen.
Und wenn man jetzt 1 und 1 zusammenzählt, dann war eigentlich relativ schnell klar, dass wir aus allen PR-Konfettirohren feuern müssen und uns nicht nur mit einer CD, sondern mit diesen edlen, von Hand verpackten Tee-Päckli bei den Medien vorstellen müssen.
Und wie man sieht’s, hat’s ja auch geklappt…
Wie wichtig ist dir das Glarnerland als Inspiration für deine Musik?
Das Glarnerland ist für mich Heimat. In dieser Luft bin ich geboren, mit diesem Wasser bin ich aufgewachsen und unter dieser Sonne habe ich mich das erste Mal verliebt. Siehst du, das wäre schon fast wieder ein halbfertiger Songtext. So geht das.
Nein, im Ernst, ich fühle mich dort einfach wohl. Ich habe dort ein grosses soziales Netz, kann mich dort erholen – und genau diese Faktoren machen einen wichtigen Teil beim Schreibprozess aus. Es ist mir sehr wohl bewusst, dass ich ein sehr glückliches und zufriedenes Leben führen darf und daher halt auch vor allem aus einem positiven Umfeld meine Inspiration beziehe. Daher ist dieser positive, schöne Ort für mich enorm wichtig.
Darum haben wir im Linther-Wappen ein stilisiertes Bild des Tödi eingebaut, an dessen Fuss die Linth entspringt, an die wiederum der Name des Projekts angelehnt ist. Die Linth verteilt sich später in andere Gewässer und fliesst so in die ganze Schweiz hinaus. Genauso verhält es sich mit der Musik von Linther. Sie entsteht im Glarnerland und soll in die Schweiz hinausfliessen. Im besten Fall mit vielen positiven Vibes – und einem feinen Päckli «Linthee» im Gepäck.