«Ärdeschön» im Soundcheck
Den Männerchor «Heimweh» mit dem Hitmill-Produzent und Songschreiber Georg Schlunegger in den vergangenen Jahren in der Schweiz den ganz grossen kommerziellen Wurf getätigt hat, habe ich schon zwei Mal live gesehen. Beide Male waren sie jeweils im Mai im Saal am Lindaplatz in Schaan zu Gast und ich für die Zeitung Liechtensteiner Vaterland vor Ort. Eigentlich bin ich kein grosser Fan von Volksmusik, aber irgendwie schafften es die Herren sofort mit ihren persönlichen Geschichten etwas bisher Unbekanntes in mir auszulösen und mich zu überraschen.
So lautete das Fazit meiner ersten Begegnung mit der Formation folgendermassen:
«Die Themen ihrer Lieder sind Geschichten, die jeder der Zuschauer auch selbst erlebt haben könnte und die immer wieder den richtigen Nerv treffen. Es wird gesungen über den ersten Schatz, das Elternwerden, die pure Natur und natürlich, wie könnte es anders sein, über die unvergängliche, zeitlose Schönheit der Heimat. Begleitet von einer auf den Punkt genau spielenden Band sorgt der Mix aus Geschichten aus dem Leben, kurzen Jodeleinlagen und grossen Melodien für viele Gänsehautmomente. Es bräuchte nicht einmal unbedingt den grossen Banner im Hintergrund mit der Bergkette darauf, denn wenn man die Augen schliesst, transportiert einem die Musik mitten in ein Berggebiet, wo «Büezer» leben, bei denen die Welt einfach noch in Ordnung ist, fernab von der grossen Stadt inklusive Stress, Lärm und der Hektik.»
Ja, das erste Konzert von ihnen 2018 hat mich doch recht überrascht und irgendwie auch geflasht. Deshalb musste ich nicht gross überlegen, als ich den Auftrag für ihr Konzert im vergangenen Mai erhielt: Das liess ich mir definitiv nicht entgehen. Auch hier fiel mein Fazit im Liechtensteiner Vaterland sehr positiv aus:
«Die gross gewachsene Fanbasis von Heimweh im Fürstentum wurde auch am diesjährigen lokalen Tourstopp nicht enttäuscht, denn die Herren liessen sich mit einem abwechslungsreichen zweistündigen Konzert überhaupt nicht lumpen. Im Hintergrund wurden ausserdem immer wieder kurze Filme oder Diashows auf der Leinwand eingespielt. Diese zum Teil recht persönlichen Fotos und Aufnahmen machten die Stars sehr nahbar und authentisch. Die tiefen Einblicke hinter die Kulissen vermischt mit den ehrlichen Lebensgeschichten und grossen Melodien weckten beim Publikum fast schon familiäre Gefühle und niemand zweifelte nach dem Abend voller Überraschungen daran, dass Heimweh das Zusatzkonzert am 6. Juni in Schaan nicht auch noch ausverkaufen werden.»
Jetzt habe ich für Qultur die ehrenvolle Aufgabe erhalten in die neue CD «Ärdeschön» des Chors hinein zu hören und sie zu bewerten.
Mit viel Popappeal und einer wohligen Melodie startet die CD mit dem Lied «Alpabfahrt». Die sehnsüchtige Hymne auf den vergangenen Sommer voller märchenhafter Erinnerungen zielt auf die Herzen der Älpler und wer schon einmal einen Sommer in den Bergen verbracht hat, weiss, wie schön und auch ein bisschen schwierig es ist von der Sennenhütte Abschied nehmen zu müssen.
Der nächste Track ist eine Zusammenarbeit, die unglaublich gut harmoniert und mit seiner balladesken Art zum Schunkeln einlädt. Auf «Heicho» gibt sich Francine Jordi die Ehre, welche schon mit dem Jodlerclub Wiesenberg einen massiven Hit landete. Ist das Lied hier echt bald auch einer der grössten Schweizer Hits? Das Potential dazu ist absolut vorhanden.
Das sich gegenseitig aus den Augen verlieren, ist ein Phänomen, mit welchem sich sicher viele Zuhörerinnen und Zuhörer sehr gut identifizieren können. Die schmissige Nummer «So lang» mit einer Prise Jodel, einem lüpfigen Beat und eben der Geschichte mitten aus dem Leben, ist ein regelrechter Heimweh-Ohrwurm, der in Zukunft an ihren Konzerten garantiert für viel begeisterte Anhänger sorgen wird.
Der nächste Gast auf der Platte ist der Hackbrettvirtuose Nicolas Senn, der dem Liebeslied «Nume einisch» etwas Melancholie einhaucht. Während er bei den Liedern von Bligg ziemlich präsent im Vordergrund war, fungiert er hier dem Kollektiv untergeordnet und eher im Hintergrund, was dem Lied dient und dem liebevollen Text die nötige Plattform gibt.
Ein ganz grosses Highlight der CD stellt der Song «Dunkle Wermut» dar, welcher dank der melodiösen Stimme am Anfang direkt tief unter die Haut fährt. Auch hier bleibt die Stimmung herbstlich, was perfekt zur Jahreszeit passt. Dass ein Sommer wie der vergangene schon wieder vorbei ist, stimmt einem auch als Zuhörer ein wenig traurig... Dieses Lied schafft den perfekten Soundtrack zu den grauen Tagen, die hoffentlich noch nicht gerade heute oder morgen anbrechen werden.
Tief in der Nostalgiekiste gräbt die Nummer «Buurehuus», welches die gestandenen Herren mit der Sängerin Daria Occhini aufgenommen haben. Ihre feine und zuckersüsse Stimme bietet eine angenehme Abwechslung zu den Männerstimmen und lässt einem noch einmal zurück in die eigene Kindheit abschweifen. Es ist schon erstaunlich, wie es die Band schafft, immer wieder die richtigen Knöpfe zu drücken, um beim Publikum Bilder aus fast schon vergessenen Zeiten aufblitzen zu lassen. Grandios!
Ein Abschied voller Hoffnung porträtiert das Lied «So in Erinnerig». Trotz des traurigen Themas ist die Musik lüpfig und die Sänger erinnern sich gerne an eine geliebte Person. Das Werk erinnert mich von der Thematik her sehr an die Patent Ochsner Nummer «Für immer uf di», da im Mittelpunkt die guten Zeiten mit der jeweiligen Person und nicht der bittere Verlust von ihr steht. Ein Werk, das sicherlich einigen über eine schwere Zeit hinweghelfen könnte und deshalb eine der Perlen auf dem neuen Album ist.
Der Titeltrack «Ärdeschön» hat etwas Erzählerisches, ähnlich wie wenn eine Grossmutter ihren Enkeln von einer Sage erzählt. Es ist ein berührendes Werk über die Heimat, welches verzaubert und auf die wundervolle Pracht der Landschaften hinweisst. Untermalt mit verträumten Alphornklängen von Lisa Stoll ist das Lied eine stimmige Angelegenheit und wird sicher nach kurzer Zeit zu einem Evergreen heranreifen.
Das biografische «Bärgpüräbuäb» ist witzig und hebt die wundervollen Eigenarten der Bergler auf eine humorvolle Art und Weise hervor. Gelungen!
Das letzte Lied der etwas kurzgeratenen CD heisst «Dankeschön» und setzt ein Zeichen dafür, dass das Wort nicht nur öfter verwendet wird, sondern dass die Zuhörer sich seiner Bedeutung auch wieder bewusster werden. Es ist nie zu spät danke zu sagen. Eine schöne Message zum Schluss mit einem Lied, das nahtlos an ihren Hit «Dankbarkeit» anschliesst und einen emotionalen Schlusspunkt setzt. Ganz am Ende gibt es noch einen persönlichen Gruss und ein Dankeschön für den Kauf der CD.
Schlussfazit:
Das neue Album «Ärdeschön» von Heimweh ist der perfekte Soundtrack für den kommenden Herbst. Die Erweiterung ihres Repertoires durch Zusammenarbeiten mit Sängerinnen und Musikerinnen macht absolut Sinn und verleiht dem Werk eine zusätzliche Tiefe. Die Geschichten aus dem Leben auf dem Land haben kein bisschen an Magie verloren und sind in der heutigen schnelllebigen Zeit sicher ein Anker für zahlreiche Menschen. Georg Schlunegger hat eine wahnsinnige Beobachtungsgabe und er schafft es erneut die Geschichten der «normalen» Leute ziemlich gekonnt und authentisch auf’s Band zu bannen. Da dies ziemlich gut funktioniert, die Sänger und Musiker viel Herzblut in die Sache einfliessen lassen und das Gesamtpaket authentisch rüberkommt, wird «Ärdeschön» ziemlich sicher der nächste Dauerbrenner in der Hitparade. Ich freue mich auf jeden Fall jetzt schon auf das Gastspiel der Herren in Schaan.