Eine interessante Begegnung an der Bushaltestelle
Bild/Illu/Video: Emilia Schwarz

Eine interessante Begegnung an der Bushaltestelle

Ich sitze also da, auf einer Bank vor dem Rathaus. Auf der anderes Seite sitzt ein anderes Mädchen, welches ich nur flüchtig kenne. Sie ist in ihr Handy vertieft, ich beobachte Menschen auf der Strasse. Da sehe ich zwei Jungs (geschätzt 11-12 Jahre), welche sich von anderen Jungs in ihrer Altersgruppe abheben. Ihr Style passt meiner Meinung nach nicht zu ihrem Alter. Ich versuche niemanden nach seinem Style oder Äusseren zu verurteilen, aber ich bin auch nur ein Mensch und meine Vorsätze kann ich nicht ganz immer umsetzen. Sie tragen sehr teure Jordans, perfekt abgestimmt zu ihren Markenjacken und Baggyjeans, wie es die Jungs in meinem Alter tun. Das alleine wäre noch eine Sache, doch ihre Gangart bestärkte mein Vorurteil: Möchtegern-Coolios.


Mein Bauchgefühl liess mich nicht im Stich. Sie kamen dann also zu uns herüber und schienen auch auf den Bus zu warten. Plötzlich begannen sie Wörter in den Mund zu nehmen, die ich in diesem Alter noch nicht einmal gekannt, geschweige denn benutzt habe. Dann begannen sie sich anzurempeln und zu kämpfen, während sie sich weiterhin beleidigten. «Aus Spass» wohlverstanden. Das macht man heute ja so. Meinetwegen, sollen sie halt, dachte ich mir. Doch plötzlich hatten sie das Gefühl, sie könnten bei dem anderen Mädchen und mir Eindruck hinterlassen, wenn sie uns anrempeln und in unserer Nähe ihren Kampf fortsetzen. Irgendwann meinte einer der beiden, er könne mit einer von den zweien (er nickte mit dem Kopf zu uns) das gleiche machen, wie mit seinem Kumpel.


Mein Blick hat den des anderen Mädchen aufgefangen und mir war klar, dass sie das gleiche dachte, wie ich: Was ist mit den Jüngeren mittlerweile los? Dabei sind wir ja selbst noch jung. Sie begannen schliesslich, uns zu erklären (und demonstrieren) wie cool und «krass» sie sind und was für coole Schuhe sie haben. Dann meinten sie noch, sie wären vierzehn, was ich ihnen jedoch nicht abkaufen konnte.


Irgendwann kam der rettende Bus und ich dachte schon, ich könne mich von diesem Erlebnis geistig erholen. Im Bus ging das Theater jedoch weiter. Doch das Mädchen und ich wurden nun zum beschämten Publikum und haben die Rolle der Antagonisten abgegeben. Zwei Jungs in unserem Alter (16-17) gerieten in eine Diskussion mit unseren zwei Coolios. Die 12-Jährigen wollten den Ungläubigen beweisen, dass ihre Schuhe echt sind und keine Fake-Nachbildungen. Als Beweis zogen sie die Schuhe sogar aus. Der ganze Bus konnte das Spektakel mitverfolgen. Die älteren Jungs belächelten die Jüngeren etwas und nahmen die Diskussion nicht sonderlich ernst. Die 12-Jährigen mussten jedoch dem ganzen Bus klar machen, dass sie echte Jordans trugen, und dass diese 300 Franken teuer sind.


Ich gönne jedem Reichtum, doch was mich etwas irritiert hat, ist, dass man sich in diesem Alter schon mit Markenkleidung identifizieren muss und keinen Respekt vor fremden (insbesondere älteren) Menschen hat. Bei keinem Menschen find ich es gut, wenn er sich nur über Äusseres definiert und sich ständig vor anderen Beweisen muss, doch in diesem Alter finde ich es sehr – sagen wir mal: interessant.  

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