Mit dem Optimismus der Tollkühnen ins Verlagsabenteuer
Wir starrten auf die Zahlen. Keiner sprach aus, was wir alle dachten: Vergiss es. Die Rechnung geht nicht auf. Bücher wollen geschrieben, lektoriert, gesetzt, gedruckt und in Cover gehüllt werden, sie werden von Zwischenhändlern vertrieben und in Buchläden verkauft. All die Menschen, die in dieser Kette arbeiten, möchten bezahlt sein, von der Lektorin bis hin zum Lastwagenfahrer, der die Bücher an ihre Zielorte bringt, vom Verleger über die Druckerin bis hin zur Buchhändlerin. Das wäre alles ein lösbares Problem, wenn Bücher nicht Massenware wären, die in den Augen vieler Käufer*innen so wenig wie möglich kosten sollte. Wenn dann noch sämtliche Produktionsschritte in der Schweiz geschehen, wie bei unserem Verlag, wird die Kalkulation zur beinahe unlösbaren Kniffelrechnung.
Kommen wir zurück auf unsere drei Möchtegerne-Verleger*innen, die so still und leise dasassen, die Schultern hängend, das Gemüt schwer. Sie wagten es nicht, sich anzusehen, denn der Erste, der etwas sagen würde, ginge als schnellster Bestatter der Schweiz in die Geschichte ein; der Verlag würde beerdigt, noch bevor er gegründet war.
Also schwiegen wir. Bis einer dann doch noch sagte: «Also, irgendwie muss das doch machbar sein.» Und dann warf er hoffnungsfroh das Wort «Sponsoren» in den Raum. Wir lösten uns aus der Schockstarre und entschieden in einem Anfall von Tollkühnheit, es wider jedes bessere Wissen zu wagen.
Wir wollten grosszügig sein und den Autor*innen richtig gute Tantiemen anbieten. Nicht diese lächerlichen paar Prozente, von denen ich in meiner letzten Kolumne berichtet habe. Echt, liebe Leser*innen dieser Kolumne, es geht nicht. Wir bezahlen sehr gute Tantiemen, aber extrem gute geht schlicht nicht – ausser Sie sind bereit für ein kleines, dünnes, maximal 60 Seiten starkes Jugendbuch zwanzig und mehr Franken hinzublättern. Ich brauche Sie nicht mal zu sehen um zu wissen, dass Sie jetzt den Kopf schütteln.
Praktisch und pragmatisch wie wir alle trotz unseres Enthusiasmus sind, gaben wir uns und unserem Verlag vier Jahre Zeit. Im September dieses Jahres bringt unser da bux Verlag die sechste Edition heraus. Tschakka! Das Wagnis hat sich gelohnt. Zumindest ideell und ein klein wenig auch finanziell. Sollten Sie jedoch das grosse Geld verdienen wollen, raten wir dringend von einem Einstieg in die Verlagsbranche ab und empfehlen Ihnen, «ötschis Rächts» zu lernen und auszuüben.
Ich habe «ötschis Rächts» gelernt. Trotzdem arbeite ich lieber als Autorin und Verlegerin. Und finde, damit qualifiziere ich mich a) für die Endrunde für jeden «Optimist*in des Jahres» Preises und b) für die Longlist für den Preis «Glückspilz des Jahres». Preisgelder bitte in Cash bei mir abliefern. Aus Gründen.