Nachgefragt bei Roland Zoss
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Nachgefragt bei Roland Zoss

Erwachsenen ist er als Rockpoet ein Begriff. Eine Mundartversion von zum Beispiel Leonhard Cohens «Hallelujah» und «First We Take Manhattan» sind hierzulande bekannt wie der preisgekrönte Erzählband «Insel hinterm Mond». Das umfangreiche Werk zeugt von einem sensiblen Lebenskünstler und Philosophen zwischen den Sparten Literatur und Musik.


Mit «Hippie-Härz, e Trip dür d Seventies» ist ein episches Taschenbuch und Hörbuch dieses aussergewöhnlich kreativen Künstlers erschienen. Über neuneinhalb Hör-Stunden beziehungsweise 274 Buch-Seiten nimmt uns Roland Zoss mit auf eine aufregende Reise durch seine «wilden Jahre». Sein Trip führt uns Mitte der 70er Jahre on the road von San Francisco nach Rio.

Ein Roadmovie der besonderen Art: poetisch, spannend, feinfühlig und mit viel Musik aus der damaligen Ära. Erzählt in feinster Bärner Mundart mit einer warmen Stimme, die einen in den Bann zieht, hinein in eine Zeit voller Sehnsucht nach Freiheit, Spiritualität und Rock’n’Roll.


Herr Zoss, ich gebe zu, bevor ich dieses Interview vorbereitet habe, war mir Ihr Name nicht wirklich bekannt. Aber das liegt daran, dass ich gebürtige Deutsche bin und die Schweizer Musikszene für mich nicht so ein Begriff war bisher. Ausser Gotthard, Krokus, Yello, Stefanie Heinzmann und Paola bin ich da nicht so im Bilde. Nun bin ich nach dem Reinhören in Ihr neuestes Werk ein wenig beschämt darüber, denn ich habe da ein richtiges Juwel verpasst. Als Fan von Songs mit Seele, Inhalt und Tiefgang, von Geschichten und echter Musik ist mir da etwas entgangen.

Mit dem vorliegenden Hörbuch/ Buch haben Sie ein unglaublich fesselndes Werk geschaffen, das aus der Symbiose von Spannung, grossartiger Erzählkunst und der Musik jener Zeit lebt.

Ist diese Hippiekultur der späten 60er und frühen 70er Jahre, in denen Sie in dem jungen und entscheidenden Alter waren, massgebend für die spätere, eigene Weltanschauung?

Die Jugend prägt natürlich. Damals war es so: Wenn die Haare die Ohren bedeckten, wurde man von der Schule wieder nach Hause geschickt. Da ging die grosse Rebellion los, als 18-Jähriger.

1964 sang ich in England der Beatles Mundart mit den Berner Sängerknaben.

1971 suchte ich im Hippie-Bus das Abenteuer in Kurdistan.

1976 flog ich als Musiker in die USA.


Die Geschichte von Hippie-Härz ist beides, fiktiv und autobiografisch.

Der Protagonist Micha Jung verinnerlicht vieles aus dem eigenen Leben. Sucht das Glück in allen Dingen. Aber er verbrennt nicht am inneren Feuer, sondern erwärmt andere damit.

Die Geschichte von Hippie-Härz ist eine Sinnsuche, die sich ganz besonders an die junge Generation richtet.


Fühlen Sie sich heute noch als Hippie? Bleibt man das innerlich sein Leben lang unabhängig vom Alter?

Als Mensch der über 50 Länder bereist hat, viel von der Welt gesehen hat, Sprachen und Menschen studiert und kennen gelernt hat, bleibt man das wohl sein Leben lang.

Man geht den Weg des Herzens und hat verstanden, dass die kostbarsten Dinge im Leben gratis sind. Alles andere, das käufliche Glück ist nur ein Ersatz.

Timothy Leary, einer der Begründer der Hippiebewegung in den 60/70er Jahren, plädierte für die offene Menschheit und für den freien Zugang zu bewusstseinsverändernden Drogen.

Hippie zu sein aber bedeutet nicht notgedrungen, dass man exzessiv Drogen, Alkohol und Nikotin konsumiert. (Als konsequenter Nichtraucher ist Roland Zoss wohl das beste Beispiel dafür.) Es ist eine Sache der Auffassung und der Freiheitssuche.

Auch Jesus war eine Art Hippie, auch erkennbar an seinem Stil und seinen friedvollen Überzeugungen.


Besteht auch in dieser heutigen speziellen Zeit wieder die Möglichkeit, dass eine solche Bewegung heranwächst oder war die damalige Zeit mit den fehlenden technischen Möglichkeiten der jetzigen Gegenwart einfach die Art sich auszudrücken und der Realität zu entfliehen?

Mit Beginn der Klimademos zeigte sich, dass der Geist der Hippiebewegung wiederkommt. Es wiederholt sich immer wieder, in Wellen.

Gerade durch die Corona- Situation sind die Menschen intensiv eingeengt.

Die Menschen sind wieder auf der Suche nach Wahrhaftigkeit, einer besseren Welt, und immer wieder nach Liebe.


Besonders fasziniert mich in dem Hörbuch «Hippie- Härz», der bärndeutsche Dialekt, der auf wunderbare Weise mit der erzählten Story harmoniert. Es ist gleichzeitig widersprüchlich, da ich mit dem Berner Dialekt eher Schwerfälligkeit, Gemütlichkeit, vielleicht sogar etwas «Bünzlitum» verbinde und die Story ja eigentlich von Freiheit, Sex, Drugs and Rock’n’Roll erzählt.

Und doch passt dieser schöne Dialekt unglaublich gut mit dieser warmen Stimme, dieser authentischen, unkonventionellen Geschichte zusammen. Die Mundart gibt dem Ganzen einen ganz eigenen Charakter, dem man sich nicht zu entziehen vermag.

Wie wurde man zu der damaligen Zeit als Schweizer in Amerika wahrgenommen?

Amerika war sehr offen und frei. Von daher wurde man nicht anders wahrgenommen. Viele haben die US-Musik kopiert, die amerikanischen Songs nachgespielt.

Das war aber nicht meins.


Ich bin immer meinen eigenen Weg gegangen, habe persönliche Lieder geschrieben, im Dialekt oder auf Deutsch. Das fand ich authentischer.


Haben Sie schon mal mit dem Gedanken gespielt, ein Hörbuch auf «Hochdeutsch» aufzunehmen, um die Reichweite im gesamten deutschsprachigen Raum zu erhöhen oder ist das überhaupt kein Thema?

Der Bärndeutsche Dialekt erhöht die Exklusivität und immerhin ist er verständlich von der deutschsprachigen Schweiz bis ins deutsche Baden-Württemberg und auch ins österreichische Vorarlberg. Von daher ist eine mangelnde Reichweite wohl nicht das Problem. Im Hochdeutschen würde das Buch viel von seinem Charme verlieren.


Man bedenke, dass es allein im Bärndeutschen über 300 Ausdrücke für den Begriff «komischer Kauz» gibt. Nur als Beispiel. Eine weiche Sprache, die so vieles ausdrücken kann, die eine Affinität zum Französischen und Italienischen hat, samtweich und nicht vergleichbar mit dem Alemannischen. Einzig erotische Passagen gehen nicht so gut im Bärndeutsch.

Für mich persönlich macht im Übrigen eben genau der Dialekt den Reiz des Buches aus.


Wird es auch in Zukunft Liveauftritte und/ oder Lesungen mit Ihnen geben?
Das ist momentan durch diese coronabedingten Einschränkungen ein Problem. Lesungen wären tatsächlich eine Variante, die Menschen zu erreichen.

Als wir auf die Schweizer Musikerszene zu sprechen kommen, fragt mich Roland, ob mir Patent Ochsner mit Büne Huber auch ein Begriff ist.


Und da fällt es mir wieder ein, wer die ganze Zeit in meinem Unterbewusstsein geschlummert hat.

Während ich mich mit dem musikalischen Werk von Roland Zoss beschäftigt habe, kam eine Erinnerung an die Oberfläche meines Verstandes.

Sowohl Büne Huber als auch Roland Zoss erzählen in ihren Songs Geschichten aus dem Alltag, intensiv, authentisch, von Sehnsüchten, Erinnerungen und vielem mehr. Sie beide tun das auf eine Weise, die einen gefühlsmässig abholt und in deren Texten man sich oft wiederfindet.


Nein, Rap sei gar nicht seines.

Rockpoeten wie Büne Huber bereichern die Musiklandschaft enorm. Da kann ich nur zustimmen.

Man denke nur an «Für Immer Uf Di», dieses Lied, welches er nach fast 25 Jahren kurz nach dem Tod der Mutter innerhalb von Minuten fertigstellen konnte. Einer der schönsten intensivsten Mundart-Songs überhaupt.

Vielen herzlichen Dank für das Interview, Roland Zoss.


Wer sich entführen lassen möchte in eine Zeit voller Träume, Aufbruch, Freiheitsdrang und Menschlichkeit, dem sei das Hörbuch «Hippie- Härz» von Roland Zoss ans Herz gelegt. Die Liaison von Sprache, Geräuschen und handgemachter Musik voller Seele verleiht dem Werk einen besonderen Reiz, der dem des geschriebenen Buches noch um einiges voraus ist.

Und wer sich auf diese Tour einlässt, wird am Ende vielleicht zu seinen eigenen Sehnsüchten finden.


Weiterführende Links:

Roland Zoss | Schriftsteller, Musiker, Songpoet: www.rolandzoss.com

Homepage des Liedermachers und Schriftstellers Roland Zoss

Roland Zoss | Schriftsteller, Musiker, Songpoet www.baumlieder.ch


Susanne, Roland Zoss
Deutsche Version des Klassikers «Suzanne» von Leonard Cohen (Text und Interpretation von Roland Zoss)

Roland Zoss - Walpurgisnacht


Hippie- Härz ist erhältlich als Buch, E-Book und Hörbuch über diverse Buchhandlungen sowie online zum Beispiel über Google Play, Apple Music, Tindal oder Spotify.


Download-Links:

Musik-Hörbuch Apple Store

Audible (Hörbücher, Computer)

Google Store

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