Flavio und seine musikalischen Familien
Bild/Illu/Video: zVg.

Flavio und seine musikalischen Familien

Hey Flavio, wann war es dir klar, dass du gerne beim Projekt «Rockin' 1000» mitmachen willst?

Über Youtube habe ich das Video von «Learn to fly» gesehen und es hat mich einfach begeistert. Etwas mehr als ein Jahr danach bin ich per Zufall auf das Rockin'1000 Konzert im Fussballstadion von Cesena gestossen (bei welchem die Band 16 Songs gespielt hat). Ich war noch mehr fasziniert davon und habe mich im Internet informiert, ob und wann es wieder ein Konzert gibt. Somit habe ich mich auf der Homepage von Rockin'1000 informiert, wie man in die Band kommt. Mit dem Selfie- Stick und meinem Handy ein «Bewerbungsvideo» aufgenommen und zur Bewertung eingesendet. Einige Wochen danach kam die Mail mit «you're in the band». Da wusste man aber noch nicht, wann und ob es überhaupt ein nächstes Konzert geben wird. Ich habe mich einfach mal gefreut, aufgenommen zu sein.


Wie ist es mit 999 anderen Menschen gemeinsam zu rocken?

Einfach wunderbar. Aus meiner Sicht macht es grundsätzlich mehr Spass, wenn man nicht für sich alleine Musik macht, sondern mit Andern zusammen. Wenn es dann noch so viele sind, wird es immer besser. Bisher waren die meisten Musiker aus der Band Italiener/innen und wenige davon sprechenwirklich gut Englisch, geschweige denn Deutsch. Es ist aber egal woher man kommt und welche Sprache man spricht, es ist wie eine grosse Familie.Sobald man am Ort des Geschehens ist, taucht man in diese Welt ab. Man lebt dann viel mehr im Moment und vergisst alles drum herum.


Haben sich dadurch auch Freundschaften entwickelt?

Sehr viele, ja. Es gibt das Jahr durch immer wieder sogenannte «Reunions» von Teilnehmern des Rockin'1000. Dort schreibt man sich online in eine Excel- Liste ein. Man gibt an, welche zwei bis drei Songs, welcher Band man spielen möchte und zwei Wochen vor der «Reunion» wird entschieden, was beim gemeinsamen Treffen, in welcher Reihenfolge gespielt wird. Es sind dann jeweils acht bis zehn Leute auf der Bühne, die zuvor noch nie in dieser Formation gespielt haben. Ohne gemeinsames Üben, recht ähnlich einer Jam- Session. Ich war dabei schon Teilnehmer in der Nähe von Mailand und an einer Silvester-Party in San Marino. Somit lernt man nicht nur Menschen kennen, sondern kommt auch an neue Orte, wo man lokale Spezialitäten aus dem kulinarischen Segment entdecken kann.


Wer organisiert eigentlich die Konzerte im Ausland?

Bis jetzt wurden die Konzerte der gesamten Rockin'1000 Band in Italien, wie auch im Ausland über die Gründer von Rockin'1000 organisiert. Je nach Ort oder Land mit entsprechenden lokalen Partnern und so weiter. Für uns als Teilnehmer ist jedoch alles identisch. Wie man sich anmeldet, wo die Songs zum Üben sind, etc.. In der Zwischenzeit gibt es alle Infos auch in Deutsch, ganz am Anfang war alles nur Italienisch oder in «schlechtem Englisch» verfasst. Das machte es, aus meiner Sicht, jedoch irgendwie interessant, da ich selbst kein Wort Italienisch kann.  


Bist du bei jedem Termin von «Rockin'1000» dabei oder lässt du auch mal was aus?

Dieses Jahr gibt es ein Konzert in Frankreich und eines in Deutschland. Da die Organisatoren auch viele «Einheimische» als Musiker finden wollen, mussten wir uns für eines der zwei Konzerte entscheiden. Dadurch sind leider einige meiner Freunde in Paris am Spielen und ich eine Woche danach in Frankfurt. Vorteil jedoch ist, man lernt noch mehr neue Leute kennen.


Wann gastiert ihr zum ersten Mal in der Schweiz?

Gute Frage...

Im Rahmen einer Weiterbildung zum Dipl. Marketing Manager Communications and Events SLM habe ich mich etwas mehr mit diesem Thema beschäftigt und es ist nahezu unmöglich ein solches Konzert in der Schweiz zu organisieren. Man stelle sich vor: Wir haben 1'000 Musiker, die mit «Bodypacks», Kopfhörern und so weiter ausgestattet werden müssen. Alleine der Papierkram mit dem Zoll wäre schon enorm. Dazu benötigt es Sponsoren und/oder andere Einnahmequellen von über 500'000 Euro. Aus «Interesse» habe ich auch mal bei Eventabteilungen von Fussballvereinen/stadien in der Schweiz angefragt. Diese scheuen, meiner Meinung nach, die grosse Arbeit für wenig bis keinen Gewinn. Was ich persönlich nicht verstehen kann, alleine wenn über 1'000 Musiker (viele davon mit Familien, Freunden...) für mehrere Tage an einen Ort kommen, ist das ein enormer Gewinn für die Region an Übernachtungen, Essen, Getränke und so weiter. Dazu erhält der Tourismus eine ungeahnt grosse Reichweite an Werbung für den jeweiligen Ort. Was man nicht ausser Acht lassen darf, sind die ganzen rechtlichen Themen der Songs. Man bezahlt Abgaben an die SUISA, wenn man einen Song covert und aufführt. Dazu muss man die Rechte erwerben, sobald zusätzlich noch offizielle Videos, CD's, Youtube Filme oder ähnliches gemacht werden. Dies ist der Hauptgrund, weshalb die meisten Rock- Songs von uns leider nicht gespielt werden dürfen.  


Was ist dein persönlicher Favorit der Songs, die ihr aktuell spielt?

Killing in the name! Das geht einfach sowas von ab. In Florenz waren wir bei diesem Song vier Leute (Zwei Schlagzeuger und zwei Gitarristen), die dabei auf meinem Schlagzeug gespielt haben. Einfach Vollgas.


Wie viele Stunden übst du im Voraus für eine solche Show?

Vor dem 1. Event in Courmayeur haben mein Schlagzeuglehrer und ich ein zweites Schlagzeug in meine Wohnung gestellt. Dort haben wir dann drei Mal pro Woche gemeinsam gespielt und ich nochmals zwei Mal dazwischen alleine geübt. Im Moment sind es circa zehn Stunden pro Woche an Aufwand. Da die Songs jeweils ziemlich spät kommen, sind die letzten sechs Wochen vor dem Konzert sehr intensiv. Insgesamt spielen wir 18 Songs von denen wir die letzten drei Stück erst seit letzter Woche zum Üben erhalten haben.


Bald habt ihr im fabriggli Sommerpause. Was macht das Kleintheater für dich speziell?

Am fabriggli schätze ich die Offenheit gegenüber allen Formen der Kunst und Kultur. Es hat nicht nur Theater oder nur Konzerte sondern es ist sehr vielseitig. Dazu kommt im Bereich Musik ein Teil an Jazz/World Music meiner Kollegin Sonja zum eher kommerziellen Teil der Rock/Pop-Musik, welche von mir gebucht wird. Vom Theater für Kinder ab vier Jahren bis hin zum 100- Jährigen ist für jeden etwas dabei. Meist jedoch erlebe ich die positiven Überraschungen, wenn ich eine Veranstaltung besuche, welche ausserhalb meiner «normalen» Interessen sind. Man braucht nur etwas Offenheit und schon kann man sich für einige Stunden fallen lassen. Zu guter Letzt gibt es wohl keine Konzerte an denen man so nahe beim Künstler ist wie im fabriggli.


Welches ist die spannendste Begegnung, die du als Booker bisher gemacht hast?
Am spannendsten finde ich die vielen unterschiedlichen Künstler, die es gibt. Hier möchte ich keinen besonderen hervorheben. Des reicht von sehr bescheidenen, freundlichen und fast scheuen Menschen bis hin zu extrovertierten (meist männlichen) Divas. Meine Erfahrung sagt mir, je mehr Profis in einer Band sind, desto schneller geht alles und auch die Anforderungen sind viel klarer. Man kann schon fast sagen: Umso berühmter eine Person ist, desto einfacher. Sonderwünsche haben eher diejenigen, die sich dadurch wichtigmachen (müssen).


Wie schwierig ist es dein Studium/Job, das fabriggli und Rockin' 1000 unter einen Hut zu bringen?

Während der, knapp über einem Jahr dauernden, Weiterbildung zum Dipl. Marketing Manager Communications and Events SLM hatte ich ab und an mit meinem «richtigen Beruf» als Qualitätsmanager einer Firma in der optischen Industrie und dem fabriggli sehr viel zu tun. Da lernt man seine persönlichen Grenzen kennen. Obwohl im fabriggli praktisch nur ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sind (inklusive mir), war und ist es nie ein Problem etwas abzugeben oder Hilfe zu erhalten, wenn man ans Limit kommt. Auch hier hat es etwas von einer Familie.


Darfst du eventuell schon einen bisher noch nicht angekündigten Act vom Herbstprogramm bekannt geben?

Nein, ich musste lernen meine Vorfreude etwas zu bremsen. Es wird im Musikbusiness sehr viel geredet und oft masslos übertrieben. Bis ein Vertrag unterzeichnet ist, sage ich deshalb lieber keine Namen mehr. Und selbst bei unterschriebenen Verträgen hatten wir in den letzten Jahren circa fünf Veranstaltungen, die verschoben werden mussten, weil der Künstler/die Band zum vereinbarten Datum ein «besseres» Angebot erhalten hatte. Dies passiert den kleineren Häusern der Schweiz leider immer mehr, jedoch habe ich die Hoffnung, dass irgendwann das Wort wieder mehr zählt und Abmachungen eingehalten werden. Grundsätzlich gilt zum Herbst zur Pop/Rock Musik folgendes zu sagen:

Beginn mit einem akustischen Konzert der Band Delilahs, bei welchen zwei Berliner Musiker Namens «Herbstbrüder» den Abend eröffnen. Hier lohnt es sich ihre Story mal anzuschauen und reinzuhören.


Im November dann Hardrock mit «Jack Slamer» und den Oberrieter «Too Mad». Besonders die Rheintaler sind nicht zu vernachlässigen, sie spielen im Sommer am Szene Openair in Lustenau und als Support der weltberühmten «Wolfmother».


ACHTUNG: das fabriggli startet in die 40. Saison. Es wird besonders im Februar 2020 einige ganz tolle Veranstaltungen geben. Unbedingt dafür informiert bleiben auf www.fabriggli.ch

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