Bild/Illu/Video: Christian Imhof

Fabriggli erklingt akustisch

Am vergangenen Wochenende zog es einen Grossteil der Buchser Bevölkerung an die Wiga und ich bekam fast ein wenig ein ungutes Gefühl, als ich sah, wie viel Platz der Parkplatz vor dem Fabriggli kurz vor Konzertbeginn noch zu bieten hatte. Da das Fabriggli seit längerer Zeit fast schon mein Stammlokal ist, leide ich immer ein wenig mit, wenn die freiwilligen Helfer wenige oder eben zu wenige Musikenthusiasten und Stammkunden mobilisieren können. Auch bei ihnen wird durch ein Überangebot und auch viele Gratiskonzerte ein wenig der Markt kaputt gemacht. Wer trotzdem in der heutigen Zeit Bands bucht, ihnen eine anständige Gage zahlt und zeitgleich darauf schaut, dass das Programm abwechslungsreich und spannend gestaltet ist, gehört ähnlich wie Jonny Gauer oder Mike Muzzarelli zu der Gruppe der Idealisten, vor denen ich absolut den Hut ziehe. Zusätzlich neben der grossen Leidenschaft sind die Helfer im Fabriggli eine eingeschworene Familie, bei denen man sich sofort willkommen fühlt und auch gerne mal für eine längere Zeit an der Bar bei tiefgründigen Gesprächen versackt.


Ein Hoch auf das Handwerk

Doch zurück zum eigentlichen Grund, weshalb ich am Samstag das Fabriggli besucht habe. Ich wurde von der Zeitung Werdenberger und Obertoggenburger angefragt, ob ich für sie einen Bericht vom Konzert der Delilahs schreiben könnte. Da ich so oder so im Sinn gehabt hätte bei deren Show reinzuschauen, empfand ich die Gelegenheit als ziemlich treffend und freute mich auf einen Abend voller bekannter Gesichter. Ich war ein paar Minuten zu spät dran und huschte in den Saal, wo nur noch wenige Stühle freistanden. Wie es der Zufall wollte, sass Roger Köppel (der Gitarrist, nicht der Politiker) mit seiner Fabienne an einem Tisch, wo noch ein Stuhl verwaist war. Wir begrüssten uns ganz kurz und ich nahm Platz neben den zwei Musikern von der Band Miss Rabbit. Auf der Bühne vorne stand bereits die Band Herbstbrüder, welche mich durch ihre Melancholie und handwerklichen Raffinessen sofort in der Hand hatten. Ich frage mich immer wieder, woher Booker Flavio mit solchen tollen Acts kommt, die in meinen Augen eigentlich vor zehn Mal mehr Leuten und in grossen Hallen spielen müssten. Die beiden Strassenmusiker überzeugten komplett bei ihrem Schweizer Debüt, denn auch wenn ihre Geschichten getränkt von Traurigkeit waren, hatten sie auch immer einen hoffnungsvolle Schimmer inne. Die gefühlvolle Stimme des Sängers Cihan Morsünbül fuhr den Besuchern mit ihrem Volumen und ihren transportierten Emotionen direkt unter die Haut und füllte den Raum mit einer Wärme aus, während sein Kollege Markus Bremm ihn sanft am Flügel oder der Gitarre begleitete. Der Multiinstrumentalist überzeugte durch eine Fingerfertigkeit, die nicht nur mich, sondern auch den gestandenen Musiker Köppel zu begeistern vermochte. Die Geschichten aus dem Leben behandelten auch Tabuthemen wie das Abschiednehmen von einem geliebten Menschen, was sehr eindrücklich war. Durch die sanften Klänge ergab sich auch die Möglichkeit genauer hinzuhören bei den Ansagen, was sehr erfrischend war, denn die beiden Herren hatten doch einige witzige Anekdoten aus dem Leben als Strassenmusiker mit im Gepäck. Ein imposanter Eröffnungsact, der das Publikum zu begeistern vermochte und es durch ihre ruhige und unaufdringliche Art regelrecht entschleunigen liess.


Immer noch am Leben dank Eigensinnigkeit

Nach dem stillen und nachdenklichen Opening ging es mit der Zuger Band Delilahs gleich ein wenig ruppiger zu und her. Die Formation, bestehend aus Muriel und Philipp Rhyner, Isabella Eder und Daniel Fischer kann im nächsten Jahr bereits ihr 15-jähriges Bandjubiläum feiern und klingt doch immer noch frisch und energiegeladen. Man spürte es auch im Publikum, dass die Band gerne ihren Weg geht und sich nicht wirklich in ihren Sound reinreden lässt. Sie waren auch schon bei den reichen und bekannten Bands und hätten bemerkt, dass dies nicht ihre Welt sei, erklärte Frontfrau und Bassistin Muriel mit viel Schalk im Nacken. Sie seien eine eigensinnige Band, die nicht dazu bereit sei, ihre Seele für ein paar Minuten Ruhm zu verkaufen. Dies und ihr rockiges Unplugged-Programm sorgten beim Publikum für viel Begeisterung. Ähnlich wie beim Werdenberger Kleintheater Fabriggli sind die Zuger Musikbegeisterte, die voller Spielfreude an die Sache gehen und in der schnelllebigen Zeit dank viel Herzblut Bestand haben. Dies und ihre musikalische Qualität, welche über die Jahre hinweg stets gereift ist, schafften es am Samstag die Zuschauer im Sturm zu erobern. Die kurzweilige Show war echt und liess kaum Wünsche offen, denn die Band hatte trotz unverstärkter Instrumente einen ziemlichen Druck nach vorne und viel Spass bei der Sache. Fernab vom Kommerz und Copycats gibt es eben glücklicherweise immer noch authentische Musik, die länger lebt und den Menschen auch über eine längere Zeit etwas zu bedeuten vermag. Die Zuger Truppe zeigte am Samstag nicht nur, wie man akustisch abrockt, sondern auch dass das sich familiäre Wohlfühlen im Bandgefüge und die Spielfreude immer wichtiger sein werden als etwaige Hitparadenplatzierungen und schnelllebige Trends und Hypes. Dies machte automatisch extrem viel Bock auf ein Konzert von ihnen in voller Montur, was sie hoffentlich in Kürze wieder einmal in die Region bringen wird.

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