Stubete Gäng entstaubt Traditionen
Aufwändig gestaltet ist das selbstbetitelte Debüt der Stubete Gäng. Im liebevoll zusammen gestellten Booklet findet man nicht nur einige witzige Bilder der Kapelle, sondern auch jeden einzelnen Text. Ich glaube, dies macht relativ wenig Sinn, da ihre Lieder einen solch grossen Wiedererkennungswert haben und oft schon nach dem ersten Durchhören von den meisten Zuhörern mitgesungen werden. Es ist aber doch in der digitalisierten Zeit irgendwie ein schöner zusätzlicher Service, den die Jungs aus dem Kanton Zug ihren Fans anbieten.
Wenn wir schon bei Zug sind… Mir ist Frontfigur Aurel Hassler bisher vor allem als Featuringgast der Rapkultband Fratelli-B aufgefallen. Seine gesanglichen Qualitäten den Refrains das gewisse Etwas einzuhauchen, machte nicht nur den Bisig-Brüdern Eindruck, sondern vermochte es auch mir sehr zu gefallen. Aber wie es eben oft ist, eine geile Stimme und Charisma genügen leider selten für den ganz grossen Durchbruch… Einen ordentlichen Boost für die Karriere des Chanteurs leitete dann im vergangenen Frühling Hitmill ein.
Ich, der leider nicht wirklich oft Sendungen wie «Samschtig-Jass» anschaut, erfuhr eher zufällig von der neuen CD durch einen Kollegen aus der Region. Er, der in der Rockszene kein unbeschriebenes Blatt ist, schwärmte mir vor, wie genial die Arbeit mit der Hitfabrik ist, bei der er kürzlich untergekommen sei. Ausserdem erwähnte er voller Begeisterung, dass ich den Namen Stubete Gäng mir sehr gut vormerken solle, weil diese Formation die nächste Bombe von Hitmill sei. Da ich grundsätzlich ein sehr an Musik und Hits interessierter Mensch bin, war ich dann auch sehr gespannt auf die Veröffentlichung der Newcomer, in welche wir jetzt Lied für Lied reinhören.
Hopp de Bäsa! Ohne grosse Umschwünge startet das Volksfest. Das Loblied auf die Zweisamkeit und die Liebe geht sofort in die Beine. Was mir sofort auffällt und auch sehr zu gefallen vermag, ist ihr direkter und unaufgesetzter Einsatz der Sprache, die wirklich so klingt, wie die Leute nun mal sprechen. Mein Herz geht auf, wenn ich Sätze wie «Chunnsch uf es Kafi verbi oder bliibsch no zum Znacht?» höre, da bei solchen Fragen automatisch Kindheitserinnerungen vor meinem inneren Auge aufpappen. Der enorme Mitsingteil erinnert ein wenig an Fussball- oder Eishockeyspiele und animiert bereits beim ersten Durchlauf zum belustigten Mitjohlen. Ausserdem ist es ziemlich witzig, wie hier Kliby und Caroline genau gleich als logisches Paar aufgezählt werden wie Romeo und Julia. Ein imposanter Einstieg, der Lust auf mehr macht.
«Göschene Airolo»
Die Vorabnummer, welche die Kapelle schon im Schweizer Fernsehen vorgestellt hat, trumpft vor allem durch den exquisiten Humor von Aurel, der trotz nett gemeinten Ratschlägen, doch immer wieder seinen Kopf auf Durchzug schaltet. Die catchy und repetative Melodie, die dem Lied Boden verleiht, die tänzelnden Löffel im Hintergrund und der recht simple Refrain, erklären das Konzept der Stubete Gäng innerhalb weniger Minuten. So simpel geht das Hitkonzept auf und die Freude der Herren wirkt sofort ansteckend.
«Petra Sturzenegger»
Wer hatte nicht auch so jemanden? Die Geschichte des unerreichbaren Schulschatz, die hier erzählt wird, ist ein ziemlich energetischer Track. Die gute Petra, die einen Typen nach dem anderen «versecklet», ist echt nicht zu beneiden, denn wenn schon bald Kinder in der ganzen Schweiz ihren Namen in diesem negativen Zusammenhang skandieren, könnte ich mir noch vorstellen, dass dies nicht gerade angenehm für sie ist. Die feine Rache an der Traumfrau ist auf jeden Fall ein Partygarant sondergleichen, bei dem niemand am Rande des Festes stehenbleibt.
«Süessi Himbeeri»
Jetzt taucht die Stubetegäng erneut tief in die Nostalgie ein. Die Kindheitserinnerungen ans Himbeeri-Stehlen, sowie die ersten grossen Gefühle für’s «Gspähnli» sind zuckersüss und herzig aufgebaut. Coole Idee, den Sommer der ersten Liebe so witzig und doch nicht plump in einen Song zu packen.
«Mini Fründin isch schön»
Bescheiden ist der Typ. Er habe nicht viel, aber seine Freundin sei schön. Was ich sehr schön finde, ist die etwas düstere erste Strophe, wo Hassler neben lang gezogenen Tönen des Akkordeons aufzählt, was er alles nicht besitzt. Doch die kurze Melancholie weicht schnell den «lüpfigen» Melodien, die zum Schunkeln einladen. Ein wenig würde es mich jetzt schon Wunder nehmen, wie die gute Frau denn aussieht.
«Zwei linggi Bei»
Ei-ei-ei-ei! Auch mit zwei linken Beinen kann man tanzen. Die Mutmacherhymne, die das Perfekte im Unperfekten lobt, macht sehr viel Freude. «Chunnt’s vo Härze, denn chunnt’s guet.» - Viel mehr muss man da nicht mehr dazu sagen, ausser dass man auch zu diesem Song prima eine Sause feiern kann.
«So lang wie breit»
Diese Nummer klingt jetzt wirklich mal ziemlich nach Ländler. Nicht nur thematisch, auch musikalisch erinnert das Stück an «S’isch mr alles ei Ding». Der moderne Volksmusik-Lovesong ist aber durch die eigene Handschrift der Crew spannender und unvorhersehbarer als der Evergreen.
«Vollmond»
Groovig und voller Spannung kommt die Ode an Vollmondnächte daher. Der gelbe Trabant, der bei vielen Menschen mindestens monatlich für schlaflose Nächte sorgt, steht hier in diesem Lied Pate für unvergessliche durchgetanzte Nächte. Ein fröhliches den Moment auskosten, ein Hauch Frankreich, die spannende Rhythmik und auch das fesselnde Wechselspiel zwischen schnellem Text in der Strophe und lang gezogenen Passagen im Refrain, machen das Werk zu einem ziemlich heissen Hitkandidaten, der hoffentlich in Kürze ein Video erhält.
«Kafi Schnaps»
Beim Kafi Schnaps kommen bei mir sofort Erinnerungen an früher in den Sinn. Zur kurzen Erklärung, mein Vater stammt genau wie die Stubete Gäng auch aus der Innerschweiz und dort wird das hier besungene Getränk gerne, oft und auch in grossen Mengen konsumiert. Ich muss lachen bei den vielen frisch wiederentdeckten Souvenirs, die ich fast schon vergessen hätte und plane beim nächsten Ausgang auch wieder mal einen solchen zu bestellen. Ob es in den Bündner Beizen echt auch Schnaps aus Weggis gibt?
Das Lied ist eine kurze Liebesgeschichte, die Mut zum Ansprechen der richtigen Person spenden soll. Ausserdem wird vorbildhaft und ziemlich amüsant auf die Risiken von zu viel Kafi Schnaps hingewiesen.
Das Warten auf der Bergstation, das Warten auf die Flamme – Obs runter oder rauf geht, ist immer schwierig heraus zu finden. Der Ohrwurm voller Wortspiele ist ein gelungener Punkt der CD, die sich dann leider auch schon bereits dem Ende zu bewegt…
«Zwei Spure»
Nach dem wilden Ritt durch die Beizen und Feste wird’s am Schluss nachdenklich und balladesk. Beim dramatischen Abschluss zeigt Aurel noch einmal, wie viel Kraft in seinem Organ steckt, was begeistert und tief innen berührt.
Schlussfazit:
Das Debütalbum der Stubete Gäng ist kreativ, innovativ und stark konzipiert. In diesem Stil hat noch niemand in der Schweiz Volksmusik mit modernen Klängen verbunden. Hier wird die Tradition mit Schwung entstaubt und alle sind eingeladen gemeinsam am Volksfest teilzunehmen. Das starke musikalische Beet von Stubete- Legende Hans, Moritz, Dani und Claudio Hassler, sowie Julian von Flüe, Daniel Thürler, Dani Häusler und Emmi Lichtenhahn lädt zu einer nostalgischen Zeitreise ein, die durch viel positive Gedanken geprägt ist. Als roter Faden dienen Texte voller witziger Spielereien, Schweizer Volksmusik und eine ansteckende Spielfreude.
Dies ist neu, denn bei anderen Künstlern ist es doch oft so, dass Folklore zu Rap- und/oder Rocktunes ohne Rücksicht auf Verluste gemischt werden. Hier aber ist etwas entstanden, das authentischer kaum sein könnte und auch trotz der relativ kurzen Laufzeit des Tonträgers von gerade einmal 33 Minuten ein generationsübergreifendes Gaudi für alle darstellt, die wieder mal Lust auf Ausgang, etwas Tradition und ein grosses Fest haben.