Pro Infirmis feiert 100-jähriges Bestehen
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Pro Infirmis feiert 100-jähriges Bestehen

Die grösste Fachorganisation für Menschen mit Behinderung in der Schweiz wurde am 31. Januar 1920 in Olten als «Schweizerische Vereinigung für Anormale» gegründet. Seit diesem Zeitpunkt hat sich einiges getan und Pro Infirmis ist nicht zuletzt wegen dem Wettbewerb «Musik unterscheidet nicht» in Graubünden regelmässig in aller Munde. Bevor wir zum Interview übergehen, gibt’s hier noch eine Mitteilung in eigener Sache:


Wir von Qultur sehen es als unsere Pflicht der Gesellschaft etwas zurückgeben zu können, weshalb wir Pro Infirmis ab Februar im zwei Wochen Rhythmus einen Platz zur freien Gestaltung in unserem Onlinemagazin zur Verfügung stellen.  


Liebe Katrin, 100 Jahre Pro Infirmis – was bedeutet das für dich?

Für mich bedeutet dieses Jubiläum, dass Pro Infirmis eine etablierte Fachorganisation ist, die seit ihrer Gründung im Jahre 1920 bis heute entlang den gesellschaftlichen Veränderungen eine enorme Entwicklung gemacht hat - von den Anfängen, als es noch SVfA – Schweizerische Vereinigung für Anormale – hiess, bis zur heutigen Organisation, die sich für Inklusion, Selbstbestimmung, Wahlfreiheit und Teilhabe für Menschen mit einer Behinderung einsetzt.


«Die Zukunft kennt kein Hindernis» heisst das Jubiläumsmotto. Ohne zu viel vorne weg zu nehmen, ist die Barrierefreiheit in der Schweiz auf Kurs oder noch in den Kinderschuhen?

Die Barrierefreiheit ist auf Kurs – zumindest wurden mit dem Behindertenintegrationsgesetz und der Ratifizierung der UNO-Behindertenrechtskonvention die Voraussetzungen dafür geschaffen. Leider ist die Umsetzung noch lange nicht dort, wo sie sein sollte. Mit dem Jubiläum möchte Pro Infirmis einen Beitrag leisten, dass die Barrierefreiheit mehr Schub erhält. Wir möchten etwas Fahrtwind beziehungsweise Rückenwind erzeugen.


Deine Karriere im sozialen Bereich war ziemlich abwechslungsreich. Hättest du als Mädchen jemals daran gedacht, irgendwann bei Pro Infirmis zu landen?

Nein, damals kannte ich die Pro Infirmis noch nicht. Die Pro Juventute vom Briefmarkenverkauf war mir eher ein Begriff - ohne zu wissen, was die tatsächlich tun. Es gab eine Zeit, wo ich Tierärztin werden wollte, dann irgendwann Reiseleiterin und später Entwicklungshelferin. Besonders Lateinamerika hat mich früh fasziniert. Diese Faszination ist bis heute geblieben. Auch die Affinität zum sozialen Beruf war bei mir schon sehr jung da. Menschen in Armut, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderungen - das Schaffen von fairen Lebensbedingungen für Menschen ist bis heute und weiterhin ein grosses Anliegen von mir.


Ich denke, ich bin ein Weg vom Sozialromantismus, über die Realitäten von Menschen in schwierigen Lebenslagen bis hin zur professionellen Fachfrau gegangen. Dass ich als Kantonale Geschäftsleiterin heute nicht mehr Menschen direkt berate, fehlt mir manchmal. Die Möglichkeit, in dieser Position an den Rahmenbedingungen mitgestalten zu können ist eine sehr grosse Motivation und auch eine grosse Verantwortung für mich. Ich mache meine Arbeit sehr gerne.


Welche Jubiläumsaktivitäten sind geplant?

Pro Infirmis lädt zu spannenden Begegnungen ein! Anlässlich des 100-Jahre-Jubiläums organisiert Pro Infirmis am 27. Mai 2020 einen Grossanlass auf dem Bundesplatz in Bern. Dort werden Menschen aus allen Landesteilen, aus allen vier Sprachregionen, Menschen mit und ohne Behinderung, Mitarbeitende von Pro Infirmis, Vertreterinnen und Vertreter aus allen Bereichen der Gesellschaft eingeladen und vertreten sein. Im Rahmen von «Blind Dates» vermitteln wir Einblick in andere «Normalitäten» und gewinnen neue Perspektiven. Menschen mit Behinderungen zeigen sich in der Expertenrolle, gewohnte Muster werden so durchbrochen. Die Eröffnungsrede wird Bundesrat Alain Berset halten, ein «Table Ronde» lädt zu politischen Debatten ein. Auch für das leibliche Wohl wird gesorgt und ein musikalisches Rahmenprogramm rundet den Tag ab.


Zudem findet im Herbst dieses Jahres ein «Politfestival» statt. Das eintägige Festival politinklusiv richtet sich an Menschen mit Behinderungen, die sich selbstbestimmt in das politische Leben der Schweiz einbringen und ihre Anliegen wirksam vertreten wollen. In drei Workshops kann man vorhandenes Wissen zum politischen Campaigning vertiefen und sich vernetzen. Eine inklusive Demokratie gibt nämlich es nur dann, wenn alle Menschen die Möglichkeit haben, sich aktiv zu beteiligen.


Und im Kanton Graubünden?

Wir stellen keinen exklusiven Anlass auf die Beine. Viel mehr möchten wir an bestehenden Anlässen die Plattform nutzen, und Menschen mit einer Behinderung eine Stimme geben – inklusive Anlässe also. Das sind Anlässe, die im Kanton stattfinden oder die wir in diesem Jahr planen. Ich denke hier zum Beispiel auch an 1. August-Reden. Warum soll nicht eine Person mit Handicap eine Rede aus ihrem Erleben und ihrem Blickwinkel halten? Wir sind dabei, Kontakte zu knüpfen, Plattformen zu schaffen und natürlich auch Betroffene zu ermuntern, diese Möglichkeiten zu nutzen.


Neben diesen vielen Dingen, gibt es bald auch eine Kolumne auf Qultur von Pro Infirmis. Welche Themen werden dort vor allem im Fokus stehen?

Wir starten im Februar und schauen, wie sich das entwickelt und etabliert. Uns ist wichtig, dass wir vor allem die Sichtweise von Menschen mit einer Behinderung einbringen können und gemeinsam mit Betroffenen eine Plattform nutzen. Die Themen können aus allen Bereichen des Lebens und des Erlebens sein.  

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