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Nachgefragt bei MzumO

Dein neues Werk ist sehr sozialkritisch. Was sind die drei Punkte, die dich persönlich am stärksten bewegen?

Grob würde ich den Klimawandel, die Flüchtlingspolitik sowie strukturelle Diskriminierung nennen. Die menschlich verursachte Erderwärmung wird die Lebensrealitäten von Milliarden Menschen in den nächsten Jahrzehnten drastisch verschlechtern. Davon wird insbesondere der globale Süden betroffen sein, da dort die Möglichkeiten zur Abfederung der negativen Auswirkungen des Klimawandels fehlen. Dies wird zu einer massiven Anzahl von Klimaflüchtlingen führen – die UNO geht von 200 Millionen bis 2050 aus. Mitunter deswegen ist der jetzige Moment in der europäischen Flüchtlingspolitik so entscheidend. Das Wohlwollen der schweizerischen und europäischen Politik gegenüber Menschen, die vor dem russischen Überfall auf die Ukraine fliehen, beweist, dass eine menschlichere Flüchtlingspolitik möglich wäre, wenn wir es denn wollen. Gleichzeitig wirft es die Frage auf, warum nichteuropäische Flüchtlinge vor den Toren Europas verharren oder als Sans-Papiers eine Odyssee durchleben müssen. Das kürzlich vom Volk niedergeschmetterte Referendum gegen die Mitfinanzierung von Frontex zeigt, dass normalisierte Formen rassistischen Denkens immer noch weit verbreitet sind. Dies bringt mich zu meinem dritten Punkt, welchen ich plakativ als «das Vermächtnis von Patriarchat und Kolonialismus» beschreiben würde. Damit gemeint sind strukturelle Machtverhältnisse, die systematisch Privilegierung und Diskriminierung verursachen. Diese sind, meiner Meinung nach, auch in der Schweiz immer noch sehr präsent. Um den Rahmen dieses Gesprächs nicht zu sprengen, empfehle ich hier lieber einen kürzlich veröffentlichten Song, welcher meine Ansicht zu diesem Thema ziemlich genau auf den Punkt bringt: Tag Wird Cho vom Berner Rapper Greis. Und natürlich Rechti Frage. (lacht)


Du machst aktuell den Doktor in Nahoststudien. Was ist an dem

Themengebiet so interessant?

In meiner Forschung setze ich mich spezifisch mit dem andauernden Konflikt in Israel-Palästina auseinander. Ursprünglich faszinierte mich daran vor allem, dass der dortigen Situation den Ruf eines «unlösbaren Konflikts» anhaftet. Ich war davon angetan, nach neuen Ideen, ausserhalb der üblichen Ansätze zur Konfliktlösung, zu suchen. Je länger ich mich mit dem Thema auseinandersetzte, desto mehr nahm ich verschiedene Perspektiven wahr und lernte viele Israel*innen und Palästinenser*innen kennen, einige von denen ich heute zu meinen guten Freund*innen zählen darf. Ich verbrachte fast ein Jahr in Tel Aviv und reiste kürzlich für einen Monat ins Westjordanland, um Arabisch zu lernen. Dabei schloss ich die Region und ihre Menschen immer mehr in mein Herz und habe auch vor, bald dorthin zurückzukehren. Aus diesem Grund lerne ich momentan intensiv Hebräisch und Arabisch.


Welchen Einfluss hat dein Studium auf deine Musik?

Da mein Studium einen grossen Teil meines Alltags ausmacht, hat es einen beträchtlichen Einfluss auf meine Musik. Dieser Einfluss wirkt sich aber eher auf meine Grundhaltung als auf spezifische Lines aus. Ich beschreibe im Rap nur sehr selten Einzelheiten des Palästina-Konflikts – in erster Linie, weil es mir schwer fällt differenzierte Analysen in 16-zeilige Verse zu packen. Darüber schreibe ich lieber ganze Artikel. In meiner Musik verarbeite ich hingegen Erfahrungen und Eindrücke, die ich dank meinem Studium und meinen Aufenthalten im Nahen Osten erleben darf. Zum Beispiel beschäftige ich mich seit einigen Jahren mit Postkolonialismus und Feminismus. Ich war besonders schockiert darüber, wie sehr sich unser Leitnarrativ in der Schweiz auf die Perspektive von weissen Männern beschränkt und im Gegenzug jene von Nicht-Weissen, Frauen und LGBTQ+ Personen ignoriert. Diese Art Geschichte und Gegenwart zu sehen, wird durch Bildung und Gesellschaft weitergegeben. So dauerte es bei mir 24 Lebensjahre und ein abgeschlossenes Bachelorstudium in einer Sozialwissenschaft, bis ich im Rahmen eines Masterkurses zum ersten Mal mit genderkritischen und postkolonialen Denkansätzen konfrontiert wurde. Ich denke, dass unsere Gesellschaft sehr gut daran tun würde, diese kritischen Perspektiven bereits viel früher in Lehrpläne zu integrieren. Insbesondere für weisse Männer wie mich ist es immer noch extrem einfach, durch das Leben zu gehen, ohne sich ernsthaft mit den Blickwinkeln diskriminierter Gruppen auseinandersetzen zu müssen. Diese Erkenntnis hat mich vor allem darin bestärkt, in meiner Musik gnadenlos ehrlich zu sein und entschlossen nach oben zu treten.


Ist dein berufliches Ziel irgendwann mal in die Politik zu gehen oder versuchst du anders die Welt zu verändern?

Mein Ziel ist es möglichst viele Leute zu erreichen, um sie mit meinen subversiven Thesen zum Nachdenken anzuregen (lacht). Im Moment bietet mir die Musik die beste Möglichkeit dies zu tun. Natürlich macht mir das Texte-über-Beats-Schreiben auch sehr viel Spass. Als politischer Rapper kann ich meine Leidenschaft für Gesellschaftskritik mit jener für die Musik kombinieren. Ich glaube, dass mir dies auf meinem kommenden Album «Barzakh» bisher am besten gelungen ist. Mittelfristig könnte ich mir schon vorstellen in die Politik zu gehen – wenn ich dann zynisch genug dafür geworden bin. Ich bin auch schon einige Jahre SP-Mitglied. In der Zwischenzeit fokussiere ich mich allerdings auf die Musik, mit der ich zurzeit, finde ich, besser für eine progressive und kritische Agenda einstehen kann. Ich sehe meine Lieder auch als eine Art Manifest, auf das ich in 10 Jahren zurückschauen kann.


Am 22. Juli erscheint dein neues Album «Barzakh». Gibt es darauf auch wieder ein paar spassige Nummern oder sind alle Tracks ernst gehalten?

«Barzakh» ist mit 17 Songs ein ziemlich abwechslungsreiches Album. Klar, gibt’s darunter zahlreiche No-Nonsense-Polit-Nummern wie «Rechti Frage» und ernstere Songs über Themen wie Liebe, Männlichkeit und Sucht. Meine nächste Single «Ta Marbuta» handelt zum Beispiel von Privilegierung, fragiler (und toxischer) Männlichkeit sowie der Menschenrechtsdebatte rund um das Frontex-Referendum. Daneben gibt es aber schon auch spassigere Nummern. Die letzte Albumsingle «Limbo» ist etwa ein eher gesungener, melodiöser Song. Mit der Baslerin Rapperin Kimbo ist auch ein Reggaeton-Track entstanden, auf den ich mich sehr freue. Zusammen mit MüMan, Krysl und meinem Labelhomie 3RES sind einige meiner Lieblingsrapper*innen auf dem Album vertreten. Am 19. Juli, also drei Tage vor Albumrelease, kann man sich «Barzakh» an unserer Pre-Listening Session im Enfant Terrible in Zürich schonmal in voller Länge anhören. Die Plattentaufe findet am 06. August an unserem Gartenkonzert im Zürcher Unterland statt.

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