«Made in USA» von Florian Fox im Soundcheck
Aus meinen linearen Studioboxen erklingen im Eröffnungssong zu Beginn sehr angenehm und gut abgemischt eine Steel- und eine mit Bottle-Neck gespielte Slideguitar, soweit ich das beurteilen kann. Es könnte aber auch eine Pedal-Steel sein, diese Tischgitarre mit Pedalen, sozusagen. Schon zu lange habe ich dieses Instrument nicht mehr live gehört. Bis jetzt scheint es sich um schöne, ruhige Countrymusic zu handeln, ganz im Sinne der grossen Vorbilder aus den USA. Die Stimme bestätigt das und genau in diesem Zustand freue ich mich wirklich weiterzuhören.
Die Intensität nimmt schnell zu, sehr gute Dynamik, und schon kurz nachher setzt die restliche Band ein. Sie machen einen tollen Job, schnörkellos und präzise ist jeder Ton gesetzt, auf bestem Niveau bis jetzt abgemischt, doch richtig überrascht bin ich, als ich die Chöre im Refrain höre. Schön natürlich, luftig, wenig bearbeitet und doch wirklich sicher im Tuning kommen die toll daher.
Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich bei den meisten anglo-amerikanischen Songs nicht auf den Text höre, keine Ahnung warum, aber Georgia setzt den Sänger unter Feuer. Gute Hookline, alles reimt sich sauber, toll gesungen, textlich wahrscheinlich im üblichen Country-Rahmen.
Es geht in diesem Genre hier schliesslich um die Stimmung, um Gemütlichkeit, und nicht um literarische Meisterwerke, auch wenn man zum Beispiel den Song «Country Roads» anschaut. Es ist Volksmusik, einfach amerikanische, die man auch schnell im Ohr hat und mitsingen kann. Das ist auch gut so.
Ein straight geschlagener Achtel-Beat, auch in mittlerem Tempo, erwartet mich. Der Bass spielt Achtel, die Mute-Guitar unterstützt, erneut schöne Slide- und Steelgitarren, die Snare klingt wieder schön crispy, die Stimme unaufdringlich und angenehm, alles ist stilgerecht. Hier wird nicht herumgeschrien, der angenehme Bariton passt wunderbar zum Song. Das Songwriting und die Komposition gefällt mir wieder, sie ist abwechslungsreich, - man kann sicher gut dazu Autofahren. Eine Hammond unterstützt das Ganze. Ich kenne den Klang, es ist wahrscheinlich die B3 von Native Instruments, hier toll eingesetzt. Vom Text her geht es um Liebe und 22 Jahre, und um Georgia.
Zuerst denke in der Strophe dieses Songs, der ungefähr das gleiche Tempo hat wie der letzte, dass das ein Cover von Adam Greens «Emily» ist, - aber gut, diese Akkordfolge ist weit verbreitet und der Refrain ist anders, der Text sowieso. (Es gibt in der Country-Musik keine Folge, die nicht weit verbreitet ist.) Das Hi-Hat schlägt diesmal Viertel, der Song ist erneut eingängig. Es geht textlich um seine Mama, das klingt auch authentisch. Ich denke trotzdem, ich habe jede dieser Wortfolgen schon gehört, so eingängig kommen sie herüber. Wie bei jedem der letzten Songs ist das Schema korrekt und stimmig eingehalten. Der Ablauf von Strophe, Refrain, Bridge, Solo, usw.: Alles passt blendend zueinander und ist stilecht.
Der Beat ist diesmal erbaulich geswingt und mitreissend, dieses Mal ist der Takt 2/4, Gitarren und Piano spielen ein Boogie-Riff. Das Klavier bringt guten, soliden Groove im Hintergrund. Der Titel klingt jazzig, bluesig, sogar ein wenig wie freudiger Gospel.
Von der Reihenfolge der Songs her kommt diese Abwechslung für mich genau an der richtigen Stelle. Die Komposition gefällt mir wirklich gut, als der Refrain vier Stufen höher noch mehr Drive bringt. Der Song ist eingängig und wird so manches Zelt in Stimmung versetzen. Ich kenne mich da zwar zu wenig aus, aber vor meinem geistigen Auge klatschen Leute im Offbeat und es tanzen Line-Dancer dazu. Die Stimme ist wie bisher solide und gut, doch diesmal wird mehr variiert. Zwischendurch klingt Fox wie Elvis. «Did you ever fly, to Sky?» Ja, der Song fliegt für mich zwar nicht gleich in den Himmel, aber in meiner persönlichen Wertung ganz weit nach vorne.
Der Achtel-Beat, rollend wie eine Dampflokomotive, passt gut zum Titel. Er wird schön spartanisch und unaufdringlich locker von den Besen, die auf dem Snare statt auf den Hi-Hats gespielt werden, durch präzise Ghostnotes vorwärts getrieben, und fährt zusammen mit dem ebenfalls lüpfigen Bass wirklich gut voran. Er ist wahrscheinlich auch perfekt zum Tanzen. Oder zum Fahren. Ich denke intuitiv an «On the road again» oder «Ghostriders in the Sky», obwohl es natürlich nicht genau dasselbe ist, einfach so, damit man ungefähr eine Vorstellung hat.
Eine akustische Gitarre im Boogie-Rock, den ich ehrlich liebe, beginnt dieses Stück. Der Bass spielt ein gerades Rock'n’Roll-Pattern. Es klingt gut, ist zweifelsohne tanzbar. Würde der Bass Viertel-Quinten spielen, könnte man das Stück vielleicht manchmal sogar mit einigen groovigen Titeln, zumindest von den anderen Gitarren her, mit Clapton oder CC Cale vergleichen. Der Song gefällt mir sehr gut. Da ist er wieder, der schöne Chor. Jetzt glaube ich, dass es sich um eine einzige Dame handelt, mit viel Chorus, doch es klingt erneut erfrischend.
Man spürt das Herz heraus, bei dieser 6/8-Ballade, in welcher Fox im Duett mit einer wundervollen Frauenstimme singt. Ich vermute mal, es ist die Frau vom Chor. Auch sie klingt, als käme sie direkt irgendwo aus Nashville. Beide singen sehr sauber, ohne grosse Sperenzchen und passen stimmlich hervorragend zueinander. Wahrscheinlich kriege ich ja wieder einen Shitstorm, wenn ich hier Autotune oder Melodyne beim zweistimmigen Gesang heraushören würde, - darum lasse ich es doch, denn es stört mich überhaupt nicht. Die Stimmen sind wirklich sehr musikalisch gesetzt. Auch das ein Ohrwurm, der eine Weile bleibt.
Erneut denke ich mir, dass zwischendurch ein Kontrabass den Boden gelegt haben könnte, wenn nicht gar überall, - ich bin mir gar nicht mehr so sicher, wie das bei den andern Liedern war. Nein, ich denke, hier mit Sicherheit nicht. Er ist auf jeden Fall satt komprimiert. Ich sollte aber um diese nachtschlafende Zeit nicht zu laut Musik hören, um es genau zu eruieren, obwohl es mich gelüstet. Auch die Kopfhörer möchte ich noch nicht benutzen.
Nein, ich schaue erst am Schluss nach, wer und was genau ist, ich zügle ich meinen Wissensdrang noch ein wenig. Rockig mit Bass und wie immer mit einem herrlich minimalistischen, mit keinem einzigen Schlag störenden Schlagzeug und der angenehmen Stimme beginnt der Song zuerst auf einem Akkord. Die hier anfänglich mit Rim-Clicks gespielte Snare treibt den Song direkt zu Beginn an, auch wieder möglichst effizient zu stampfenden Vierteln mit der Gitarre verschmolzen.
Nach einer kleinen Anleihe aus dem Anfang von «These Boots are made for walkin'» kommt eine Art Bluesschema, welches aber durch den 2/4 erneut zum Tanzen und Mitsummen anregt. Auch hier wieder: Die sorgfältige Produktion ist bis in kleinste Details zu erkennen, die Feinheiten machen Freude. Dieser Song könnte direkt von Leiber/Stoller stammen, die Komponisten etlicher Elvis Songs.
Ich bin mir nicht sicher, ob man das jetzt Rock 'n' Roll, R'n'B oder Rockabilly nennt, ich tippe auf Letzteres, aber das ist mir auch egal, Hauptsache es klingt und bewegt. Erinnerungen an gute alte Jive-Tanzabende kommen in mir hoch.
Das nur auf Hi-Hat, Bass, Slide-Guitar und Stimme reduzierte Intro wird zu einem eingängigen Song, den ich mir zum gemütlichen Reiten echt gut vorstellen könnte, wenn ich jetzt ein Cowboy wäre. Der Bass hat einen knackigen Anschlag, der wahrscheinlich auch ohne Bassdrum funktionieren würde. Ein Shuffle-Swing. Wer nicht weiss, was das ist: Manche Schlagzeuglehrer sagen ihren Schülern einfach, sie sollen zum Spielen «Dä Guusch-tav, dä Guusch-tav» dazu sagen. Die Slide-Guitar ist wie immer überall in den Lücken, dudelt auch hier wieder ein gemütliches, unaufgeregt passendes Solo, bei dem jeder Ton genau am richtigen Platz sitzt. Der Text im Chorus lautet übersetzt etwa: Es muss hart sein, eine Frau zu sein, mit so vielen Plänen.
Der letzte Titel kommt eher ruhig daher, die Instrumentierung ist ein wenig anders und ich denke, eine Mandoline herauszuhören. Im Chorus sind zum letzten Mal schöne Background-Voices zu hören, und der Abschluss hinterlässt dem Hörer einen gediegenen Ausklang.
Fazit, nur nach Anhören, ohne mehr darüber zu wissen:
Wer klassische Countrymusik mag, ist mit diesem Album mehr als bedient. Es ist abwechslungsreich, bespielt verschiedene Stile dieses Genres, ist gut komponiert, geschrieben, arrangiert, gespielt und es könnte direkt von einem amerikanischen Star stammen, auch von der gesamten, überaus professionellen Produktion her, von welcher ich vermute, dass sie direkt aus einer Country Hochburg wie Nashville stammt. Ich kenne kaum Schweizer Studios, die derart perfektionistisch auf den Klang der individuellen Instrumente achten, obwohl es sie auch gibt. Jeder Track ist radiotauglich und man hat manchmal das Gefühl, man kenne ihn schon von irgendwo. Besonders aufgefallen ist mir der sehr reduziert spielende Drummer, der es immer auf den Punkt bringt. Aber auch im gesamten Album habe ich keinen einigen Ton als zu viel oder störend empfunden, es ist alles sehr harmonisch und ausgewogen. Prädikat: Empfehlenswert und die Platte wird mit Sicherheit weltweite Erfolge haben.
Kurze, nachträgliche Recherche:
Das Zitat von seiner Homepage zeigt, dass ich mich nicht geirrt habe:
«Florian Fox vermittelt mit seiner charakteristischen Bass-Bariton-Stimme ‘the true sound of country music’. In Nashville produzierte der ‚Swiss Guy' mit dem US-Country-Star Chuck Mead (BR5-49, Musicians' Hall of Fame) sein erstes Soloalbum ‘Made in U.S.A’, welches am 13. Mai 2022 auf Vinyl und digital erschienen ist.
Florian Fox ist Texas Sounds International Country Music Award Winner und Mitglied der Americana Music Association.»
Der gutaussehende Country-Star mit Edelweiss-Halsband und Dreitagebart hat anscheinend eine Medienpartnerschaft mit dem Blick, ausverkaufte Konzerte und kommt selbst aus der Schweiz. Früher hat er bei den Black Barons, einer Rockabillyband gesungen. Inmitten der Coronazeit 2020 konnte er nach Amerika übersiedeln, wo er mit seinem ersten Solo Album gleich einen internationalen Country Award gewann. Florian Fox, früher Florian Roth, stammt ursprünglich aus Meilen. Nach Amerika konnte er damals, weil er einen Masterstudiengang an der Vanderbuilt Law University absolvierte, den er mit besonderer Auszeichnung abschloss. Hauptberuflich ist er Wirtschaftsanwalt.
Band: Jake Bradley (e-git), Martin Lynds (drums), Mark Andrew Miller (upright bass). Recorded and edited by Cowboy Keith Thompson in January 2021.