Dominik Lippuner: «Kunst ist, was gefällt»
Herr Lippuner: Sie sind Galerist von L33. Sind Sie selbst eigentlich auch Künstler?
Ich male auch ein bisschen, aber eigentlich nur für mich. Aber ich mache Musik, und bin eigentlich ständig auch in der Kunstszene.
Was machen Sie denn für Musik?
Hardrock.
(Herr Lippuner klingt ziemlich heiser, er hatte mir aber von Anfang an gesagt, dass seine Stimme immer so klinge.)
Dann sind Sie der Sänger, der Stimme nach? (lacht)
Nein, ich bin nur der Bassist der Band Saving Darcy. Wir haben vor ein paar Tagen gerade eine neue Single herausgegeben.
Wie kommt man eigentlich darauf, eine Galerie zu eröffnen? Wie haben Sie begonnen?
Das hat damit zu tun, dass ich selber ein bisschen male. Ich habe früher in der Belmundo Bilder eingerahmt. Der Galerist wurde pensioniert, und meine Freundin und ich haben die Galerie übernommen. Immer mehr regionale Künstler haben mich gefragt, ob ich sie nicht ausstellen würde. 2013 sind wir dann nach Werdenberg gezügelt und sind nun im L33.
Suchen Sie in der Regel die Leute selbst aus, welche bei Ihnen ausstellen, oder bewerben sich die Künstler?
Mehrheitlich werde ich angefragt. 2023 ist schon ausgebucht. Zwischendurch gibt es aber auch Künstler, die ich selbst anfrage. Zuerst waren es eher Künstler aus der Region, aber das Einzugsgebiet hat sich vergrössert.
Früher war es noch etwas Spezielles, doch heute hängen mittlerweile überall Bilder die teilweise nicht mehr die gleiche Qualität wie früher aufweisen. Es sind häufig nicht mehr echte Künstler, die wirklich viel zeit investieren.
Wenn man vor 20 Jahren noch eine Ausstellung gemacht hat, hat man alles verkauft. Heute ist es mittlerweile ziemlich schwierig.
Das Gefühl habe ich auch. Was ist denn der Unterschied von Ramsch zu Qualität?
Wenn man Massenware Bilder zum Beispiel in einem Möbelgeschäft kaufen kann, hat das für mich nicht mehr viel mit Kunst zu tun, das ist für mich Deko. Vieles ist nur noch schnell, schnell und billig.
Ich möchte lieber exklusive Originalwerke verkaufen, die nicht von der Stange sind.
Ich bin aber kein Kunstpapst, Kunst ist, was gefällt. Es gibt aber auch manchmal recht untalentierte Kunstschaffende, aber prinzipiell durfte am Anfang jeder bei mir ausstellen. Doch heute kann ich nicht mehr hinter allem dahinterstehen. Darum habe ich irgendwann angefangen, eine Grenze zu ziehen.
Ich habe gesehen, wenn man sich bei Ihnen bewirbt, um ausgestellt zu werden, wollen sie auch die Vorgeschichte und den Weg kennenlernen?
Das ist genau etwas vom Schönen an meinem Job: Ich kann Leute kennenlernen, lerne ihre Lebensgeschichte kennen. Manchmal gibt es ganz seltsame Gestalten, die sehr aufgeblasen sind, - da gefällt mir häufig die Kunst dann gleich nicht mehr so. Aber andere haben wirklich Tiefgang, und das merkt man der Kunst dann auch an.
Bestimmen die Kunstschaffenden die Preise eigentlich selbst bei Ihnen?
In der Regel schon. Manchmal helfe ich ein bisschen. Es ist auch wichtig, dass die Kunstschaffenden ungefähr die gleichen Preise an verschiedenen Orten verlangen.
Unsere Kunden sind auch häufig bereit, für ein einzigartiges Werk auch mehr zu bezahlen. Als ich zum Beispiel einmal kleine Aquarelle für 30 Franken ausstellte, wurde kein einziges verkauft. In dieser Ausstellung gehen die Preise so von etwa 200 bis 3000 Franken.
Sie stellen bei dieser Ausstellung 12 ganz verschiedene KünstlerInnen aus. Haben die miteinander etwas zu tun, gibt es einen roten Faden?
Sie wollen alle nicht die ganze Galerie füllen, sondern nur ein – zwei Werke ausstellen. Das ist jetzt einfach diesen Monat, sonst hat es weniger verschiedene oder auch Einzelkünstler, welche die ganze Galerie bespielen. Die sind sonst alle zufällig zusammengekommen. Es ist vielleicht ein bisschen wirr, aber es hat auch seinen Reiz.
Mir selbst gefällt Abwechslung immer. Welcher Stil gefällt eigentlich Ihnen selbst? Oder was hängt bei Ihnen zu Hause?
Ich bin Van Gogh Fan, das war für mich der Einstieg, auch weil ich mich für seine Geschichte interessiert habe. Mir gefällt aber auch ein Hundertwasser, oder Keith Haring.
Es gibt aber auch Künstler, welche bei mir ausgestellt haben, die mir extrem gefallen. Zum Beispiel Leo Grässli, das ist jetzt wirklich ein wahrer Künstler aus der Region. Er hat bei mir gerade noch ausgestellt, doch dann ist er leider gestorben, mit 75. Bei ihm habe ich mich in das gesamte Werk verliebt. Sandro Montonato aus Buchs ist auch mein Geschäftspartner – er macht auch coole Sachen.
Marco Schenetti ist auch einer aus der Region, von welchem ich etwa zwei Bilder habe. Oder, wenn ich mich so umschaue: Roland Büchler, aus Rorschach, der auch einmal bei mir ausgestellt hat, dem ich zwischendurch auch Bilder abkaufe, weil sie mir einfach gefallen.
Ich weiss nicht, ob Sie mir das verraten wollen: Aber was gefällt Ihnen denn an dieser Ausstellung am besten?
Momentan in der Ausstellung gefällt mir alles,... hmmm, aber wenn ich jetzt unbedingt wählen müsste: besonders zum Beispiel ein Bruno Rissi, auch ein Musiker, den ich schon seit vierzig Jahren oder so kenne, jener, der so tolle, vielleicht ein bisschen leicht kitschige, aber ganz geile Harleybilder macht.
Der mit den Harleybildern ist mir auch aufgefallen. Das sind Collagen, oder?
Nein, da ist nicht geklebt oder so, da ist alles gemalt oder mit Airbrush gesprayt.
Aber auch einen 78-jährigen Porzellanmaler habe ich ins Herz geschlossen: ein exzellenter Zeichner. Wirklich ein absoluter Könner. Auch der mit den Bronzeskulpturen aus Wien ist eindrücklich: Er macht alles selbst, vom Gipsabdruck bis zum Giessen und hat nur ganz kleine Auflagen.
...
Eigentlich sind alle einzigartig. Ich würde vielleicht nicht alle bei mir zu Hause aufhängen, aber gemacht sind sie hammermässig.
Was hat eigentlich Michelle Steiner an der Eröffnung performt?
Sie hat getanzt und zum Thema Frauen in der Kunst gesprochen und Visuals an die Wand projiziert, auch weil acht ausstellende Frauen sind. Einmal stellte sie tanzend alle Künstler vor. Es war super cool, aber es gab natürlich auch solche, welche die Nase gerümpft haben. Wir sind hier halt auf dem Land.
Aber das ist auch etwas, das mit reizt: Ich zeige gerne auch einmal etwas, das sie sich nicht so gewohnt sind...
...den Horizont erweitern.
Ja, genau. Manchmal stelle ich auch ein wenig provokative Bilder aus, eben, das reizt mich einfach.
Was würden Sie einem jungen Künstler raten?
(Gemeint sind natürlich immer auch Künstlerinnen.)
Vorausgesetzt man hat ein bisschen Talent und lernt auch etwas: Einfach dranbleiben, es ernst meinen. Zum Beispiel Giulia Wyss aus Grabs kam noch in der alten Galerie als junges Mädchen zu mir, mit Bleistiftzeichnungen, und schon da musste ich sagen: Wow! Sie malt mittlerweile sensationell! Mit allen Zweifeln und Tiefs, die man halt eben hat: Sie ist einfach drangeblieben. Aber ob jemand jetzt gross rauskommt, kann man eh nicht sagen. Oder auch Leo Grässli, der mir den ganzen Nachlass vermacht hat, weil er keine Verwandte hatte, hat schon als kleines Bübchen begonnen und das ganze Leben der Kunst gewidmet.
So, von mir aus wäre es das langsam. Haben Sie noch etwas, das Sie mitteilen möchten?
Nein, das wäre eigentlich alles. Es waren sehr gute Fragen. Herzlichen Dank!
Es war mein erstes telefonisches Interview, herzlichen Dank! Wenn ich in der Region bin, werde ich sicher vorbeischauen!