Der Mann mit den Adleraugen
Erlernen könne man diesen Beruf nicht, da es ihn gar nicht gibt, sagt Alessandro Pippia. Am ähnlichsten sei seiner Tätigkeit noch der Beruf Grafologe. Und obwohl er täglich mit Autogrammen zu tun hat, sieht sich der Buchser so gar nicht als Jäger oder gar als Händler von Unterschriften, weshalb er über das wertvollste von ihm besessene Stück auch lieber schweigt.
Am Anfang war der King
«Alles begann mit Elvis Presley.», erklärt der Unterschriftenexperte. Als er nämlich im Alter von 13 Jahren eine Platte vom King of Rock’n’Roll geschenkt erhielt, auf dem dieser sogar noch persönlich unterschrieben hatte, wurde in ihm die Faszination für Unterschriften geweckt. Es geschah damals eher zufällig als er einen Freund der Familie zu einem Verkaufstermin begleitete. Er war damals im Kunstgeschäft tätig und es ging um den Kauf eines Picasso-Gemäldes. Dieses nahm er später mit, um es auf seine Echtheit zu prüfen und liess den Jungen mit dem Verkäufer deshalb alleine in einem Restaurant zurück. Bei ihrem Gespräch über Gott und die Welt muss irgendwann der Funke übergesprungen sein, denn der unbekannte Mann schenkte dem jungen Alessandro eben diese eine Platte, welche er heute noch besitzt. Nicht nur die Platte auch das Autogramm darauf sei ein Unikat, denn selten habe sich die Musiklegende so viel Mühe für eine Unterschrift gegeben wie in diesem Fall. Er habe fast ein wenig das Gefühl Elvis habe davor geübt, erklärt er schmunzelnd. Auch heute, fast 15 Jahre später ist er seiner Leidenschaft treu geblieben und sagt: «Elvis-Signaturen sind mein Spezialgebiet. Ich beschäftige mich seit dann rund um die Uhr mit seinen Unterschriften. Ich kann anhand seiner Unterschrift sagen, aus welchem Jahr sie stammt und wie sein Gemütszustand ungefähr war.» Dieses Fachauge brachte ihn in seiner jungen Karriere sogar schon ins deutsche Fernsehen. Als er nämlich in der RTL-Sendung «Die Superhändler - 4 Räume, 1 Deal» mit Sükrü Phelivan auftrat, und dort eine Postkarte mit einer originalen Unterschrift des US-Präsidenten John F. Kennedy verkauft hatte, häuften sich bei ihm die Medienanfragen aus dem In- und Ausland. Die Geschichte scheint für viele Medienschaffende aus diversen Blickwinkeln interessant zu sein, einerseits gibt es keinen Zweiten wie Alessandro Pippia und anderseits haftet den Unterschriften von prominenten Persönlichkeiten auch immer etwas Magisches und Verzaubertes an.
Die Unterschrift verrät vieles
Durch sein fundiertes Fachwissen gelinge es Pippia immer wieder bei den Menschen pure Gänsehaut auszulösen. Dies vor allem auch im persönlichen Kontakt mit den Kunden: «Nebst meinem Schwerpunkt als Fälschungserkenner, werden jetzt auch seit August 2019 persönliche Treffen angeboten, bei denen ich die Möglichkeit verschaffe, die Unterschriften grafologisch, auf einer ganz anderen Ebene auszuwerten. Eine Unterschrift erzählt viel, was ihre Seele spricht, und was sich tief im Unterbewusstsein verbirgt und viele mehr. In der Handschrift verstecken sich viele Gefühle und typische Charakterzüge. Dazu könnte ich einige interessante Sachen erzählen.»
Der Spiegel der Seele
Sie kennen es sicher, wenn sie für eine neue Identitätskarte oder anderes auf der Gemeinde drei bis vier Mal unterschreiben müssen und jedes Autogramm ist irgendwie komplett anders. In diesem Wirr-Warr schafft es Alessandro Pippia trotzdem einen kühlen Kopf zu bewahren. Es sei ihm bis jetzt immer gelungen die Echtheit einer Unterschrift zu bestätigen oder zu verwerfen. «Ob man im Stress ist, oder sich schlecht fühlt jeder Mensch hinterlässt automatisch seine Merkmale in seiner Unterschrift. Und ein Merkmal / Charakter kann nicht gefälscht werden. Auch wenn man unter Zeitdruck steht, sich schlecht fühlt oder ähnliches, die Charakterzüge werden immer sichtbar.» Geirrt habe er sich noch nie. «Mein Motto lautet, es gibt nur ein Original oder ein Falsch, auch wenn es mal bei einer Überprüfung ein bisschen länger gedauert hat als gewöhnlich, ich bin immer auf einen Entschluss gekommen.»
Das Geschäft mit den Autogrammen
Auch wenn Pippia selbst auf dem Markt mit den Unterschriften nicht mitmischt, hatte er doch bereits ziemlich teure Originale vor sich. Zum Beispiel Schriftstücke von Napoleon, James Dean, Marylin Monroe, The Beatles, Neil Armstrong, Picasso, Albert Einstein oder auch von Adolf Hitler haben einen enormen Wert, bei dem regelmässig sein Kennerblick und sein Know How gefragt ist. So hätte er den Kunstfälscher Walter Beltracchi, welcher vor wenigen Jahren gross in den Schlagzeilen stand, wenn er angefragt worden wäre, wahrscheinlich recht schnell entlarvt. Der Unterschriftenexperte sagt: «Ich habe schon bessere Fälschungen als Walter Beltracchi gesehen, und auch diese entlarvt. Ich wurde mal von einem professionellen Unterschriften-Fälscher auf die Probe gestellt. Da ging es um ein Terence Hill-Autogramm. Ich konnte in nur 20 Sekunden per Ferndiagnose die 100 prozentige Fälschung feststellen.»