«Call us and we follow» im Soundcheck
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«Call us and we follow» im Soundcheck

Die endgültige Miss Rabbit - Formation mit Angela Bösch am Gesang, der Gitarristin Melanie und ihrer Schwester Fabienne Curiger am Bass, sowie Roger Köppel an der Gitarre und Thomas Frei am Schlagzeug sah ich erstmals 2014 live bei einem Musik-Wettbewerb in Vorarlberg. Meine damalige Band Insomnia Rain, wie auch Miss Rabbit schafften locker den Sprung ins Halbfinale vom «Local Heroes Contest Österreich», welcher beide Formationen nach Innsbruck führte, wo wir natürlich gegen eine regionale Band keinen Stich hatten. Was mir geblieben ist von den gemeinsamen Auftritten, ist die Tatsache, dass die Formation aus Buchs schon damals vielen Acts, Insomnia Rain eingeschlossen, um Jahre voraus war. Sie hatten ein Konzept, traten in Uniformen auf, zelebrierten sich selbst als Rockstars und bewiesen nebenbei federleicht, dass Frauen auch rocken können. Wenn ich so zurückdenke, sind das all die Elemente, welche die Bündner Band Okto Vulgaris heute ausmachen. Es könnte sein, dass Miss Rabbit mit ihren Auftritten die Insomnia Rain-Gitarristinnen Mary und Sarah doch unterbewusst nachhaltig inspiriert haben.


Wie schon zuvor pflegte ich auch nach dem Wettbewerb mit dem virtuosen Gitarristen Roger regelmässig Kontakt. (Unsere ganze Story gibt’s dann mal in einer Musikperle zum Thema «Womit».) 2016 erschien dann endlich ein neuer Longplayer von Miss Rabbit. Das Werk «Tales from the Burrow» gefiel mir ausserordentlich gut und ich hatte fast ein wenig das Gefühl, dass ich zum zweiten Mal in meiner Karriere von musikalischen Gefährten mit Vollgas überholt werden könnte, wie es mir schon mit 77 Bombay Street ein paar Jahre zuvor passiert ist. Doch die Leute draussen zeigten wenig Geschmack… Miss Rabbit wurde nicht in die Hitparade katapultiert, wie ich es gedacht hatte und mich persönlich stimmte dies irgendwie traurig. Ich empfand ihr Songwriting grandios, sowie ihr Zusammenspiel schön auf den Punkt gebracht, ohne dabei den Groove zu verlieren oder langweilig zu klingen. Wie soll ich’s sagen? Ich war irgendwie enttäuscht, dass die Talente der drei Frauen und zwei Typen nicht belohnt wurden und sie neben ein paar coolen Auftritten ausserhalb der Region eher weiterhin als ein Geheimtipp gehandelt wurden.  


Voller Freude sehe ich nun, dass bei der Buchser Band einiges geht, sie immer noch Bock auf Rock haben und in den nächsten Tagen ein neues Album mit dem Titel «Call us and we follow» vorlegen. Hören wir rein in das Werk.


Ziemlich bluesig und dreckig klingt der Einstiegssong «Stoned». Der Song legt nicht gleich alle Karten auf den Tisch und startet sanft, um bei knapp einer Minute richtig auszubrechen und abzurocken. Mir gefällt das Lied mit viel Druck nach vorne, einem virtuosen Gitarrensolo und Drum-Fill-ins, die jedes Schlagzeugerherz höher schlagen lassen. So startet man mit einem Ausrufezeichen in ein Album!


«Reflection» ist ein ziemlicher Stampfer, der ein wenig an eine schnellere Version von The Hives erinnert. Sonst finde ich Rockmusik mit Frauenstimmen nicht sehr prickelnd, doch Angela Bösch sorgt mit ihrem kraftvollen Organ für Atmosphäre und Gänsehautmomente. Sie schafft es locker mit der kräftigen Klangwand ihrer Mitmusiker/innen mitzuhalten. Das Quintett profitiert dank ihr von zwei Sachen, die vielen Schweizer Bands fehlen: Bösch sorgt mit ihrem Gesang für Eigenständigkeit und einen immensen Wiedererkennungswert. Grandios!

Der rockende Basslauf von Fabienne Curiger trägt die Strophe des Krachers «Come on» zu einem grossen Rockfeuerwerk. Erzählt wird eine spannende Ausgangsgeschichte und nebenbei kommt man erstmals in den Genuss auch des Chorgesangs der Curiger-Schwestern, durch welchen die Musik zusätzlich Tiefe erhält. Dass die Ruhe zwischen den Noten, die Musik ausmacht, zeigt Miss Rabbit in Form eines punktierten Zwischenteils, der sehr viel Spass macht und bei mir einen «Devil-Horns»-Reflex auslöst. Sehr geil.


Die erste Single «Socks out» hat einen komödiantischen Unterton, sowie ein ziemlich witziges Video. Mir gefällt es sehr, dass neben Angela auch die Saitenhexerin Melanie ein paar Zeilen singt. Das Pendeln zwischen entspannten und fast schon rotzigen Passagen hauchen dem Lied eine stimmungsvolle Dynamik ein.


In «Discontent» erkenne ich sofort die punkige Handschrift von Roger Köppel, die den Sound von Womit so massgebend geprägt hat. Durch die kreativen Inputs seiner Damen und dem Drummer Thomas Frei klingt das Werk jedoch wieder einzigartig und definitiv nach Miss Rabbit. Hier wird auch bei den schnellen Nummern nicht gewurstelt. Jede Note ist an ihrem rechtmässigen Platz. Hell yeah! Höre ich da am Schluss ein «Wacken»?


Ohne Pause und ziemlich rasant geht’s weiter mit «Hangover». Dies klingt ziemlich nach feinstem Rock’n’Roll und dem dazu gehörigen Lifestyle. Auch wenn ab und zu ein leichter Schweizer Akzent auffällt, ist das Lied ein echter Kracher, inklusive einem packenden Gitarrensolo.


«Seven deadly sins» habe ich sofort wiedererkannt, da sie diese Nummer schon länger live im Programm haben und ich das Livevideo dazu tatsächlich auch schon mehrfach angesehen habe. Das Lied ist, was es ist: Ein ziemlich grandioser Rocksong, der Stimmung macht und grosses Hitpotential in sich trägt.


Das groovige «Move» ist vor allem für Gitarrenfreaks ein echter Genuss, da er neben einem spannenden Funkriff, auch jazzige Einflüsse thematisiert und trotzdem immer dem eigenen typischen Miss Rabbit-Sound treu bleibt. Sehr gelungen und irgendwie auch witzig.


Zum Abschluss der CD zeigen Miss Rabbit mit «Get away» nochmals, welches feine Händchen sie für mitsingbare Nummern haben. Die musikalische Motivationsspritze, bei dem die Band sich frei spielt, gefällt mir fast am besten, da der Refrain sofort im Ohr kleben bleibt und alle Stärken der Formation nochmals innerhalb von rund dreieinhalb Minuten zur Schau gestellt werden.

Es folgen zwei Livetracks, die beweisen, dass Miss Rabbit keine Retortenband ist, die nur dank intensiver Produzentenarbeit und Tricksereien funktioniert. Auf den Aufnahmen beweist die Band, dass sie live jegliches Publikum im Handumdrehen zu Fans machen kann, wenn sie mit ihrer Show loslegen. Sie sind echt, können Druck nach vorne aufbauen, sind eingespielt und müssen sich definitiv nicht hinter der «grösstenteils rein männlichen» Konkurrenz verstecken.  


Schlussfazit:
Das neue Album «Call us and we follow» von Miss Rabbit ist der perfekte Soundtrack für Menschen, die sich vorgenommen haben, im neuen Jahr mehr handgemachte Musik mit Inhalt zu konsumieren. Die Band hat einen abwechslungsreichen Longplayer zusammengestellt, welcher begeistert, fesselt, zum Mitsingen animiert, als Partysoundtrack gespielt werden kann und last but not least immer eigenständig und authentisch bleibt. Miss Rabbit haben ihre eigene Signatur gefunden, welche das Quintett federleicht in ihren dynamischen und abwechslungsreichen Sound einfliessen lässt. Sie zelebrieren ihre Leidenschaft zur Rockmusik und bleiben sich selber treu, was ihnen hoffentlich den verdienten Ruhm, sowie ausgiebige unvergessliche Tourneen einbringen wird. Verdient hätten sie es, denn so klingen Rockstars, die es aus Liebe zur Sache machen.

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