Der Duft der Freiheit
Bild/Illu/Video: Christian Imhof

Der Duft der Freiheit

Es ist schon ein unglaublich gutes Gefühl, allen Bekannten zu erzählen, dass mit dem Rauchen jetzt endlich Schluss ist. Seither werden die Flecken auch immer enger auf denen man im öffentlichen Raum sich überhaupt noch eine Fluppe anstecken darf… Nun gut, das ist jetzt nicht mehr mein Problem und ich wollte auch nie der Ex-Raucher werden, der gegen die Tabakindustrie missioniert und jedem Menschen da draussen das Rauchen madig reden will. In der heutigen Kolumne geht es um Ersatzsüchte.


Als ich nach 13 Jahren aufhörte, erwachten meine Geschmacksnerven zu neuem Leben. Durch diese neugewonnenen Fähigkeiten im kulinarischen Bereich, war ich am Anfang ständig hungrig und versuchte die 20 täglichen Zigaretten mit Esswaren zu kompensieren. Dass dies nicht lange gut gehen kann, zeigte nicht nur ein Blick auf meine Waage, sondern auch das Anprobieren von Hosen und T-Shirts. Ja, ich gebe es zu: Ich habe in der ersten Zeit mächtig zugelegt… Auch wenn ich mich dank meines starken Willens ziemlich im Einklang mit mir selber fühle, wünsche ich mir doch schon seit jeher mehr Muskeln und weniger Fett an meinem Körper. Ich war zwar schon immer etwas «feiss», aber wenn man mit einer Frau verheiratet ist, die sehr gut kochen kann, ist die Gefahr gross, dass man wie ein «Weggli» auseinander geht und es nicht einmal wahnsinnig gross bemerkt. Ich will jetzt nicht zu lange auf dem gleichen Thema herumreiten, aber ja, sportlich, fit und dünn, war ich eigentlich noch nie. Als ich das Rauchen aufgab, war mir auch bewusst, dass ich sicher einige Kilos mehr auf meine Rippen hieven werde. Doch ich habe irgendwo im Internet mal gelesen, dass die zu bekämpfen keine grosse Angelegenheit sein sollten, wenn man es schon schaffen würde dem Nikotinteufel abzuschwören.


Am Anfang versuchte ich es mit Joggen. Doch da meine Lunge noch ziemlich traktiert vom letzten Jahrzehnt war, habe ich dies recht schnell wieder aufgegeben. Sport macht keinen Spass, wenn man dabei fast erstickt, weshalb ich die Hoffnung auf Fitness schon fast ein wenig begraben hatte. In meinen dunkelsten Stunden dachte ich dann daran, dass ich wenigstens durch den Rauchstopp ein alter, wenn wohl auch fetter Mann werden könnte. Es gab aber auch hin und wieder den Moment als ich dachte: «Fuck it! Ich gehe jetzt zum Kiosk und kaufe mir ein Päcklein Camel Blau!»


Die Lösung meiner Probleme schlug im September ein wie ein Blitz. Mein Kumpel Kevin Zarucchi schrieb mir via Whatsapp eine Nachricht und fragte, ob ich Bock hätte an seinem freien Tag mit ihm was zu unternehmen. Spontan sagte ich zu und schlug vor, dass wir ja Schwimmen gehen könnten. Also stiegen wir ins Auto, düsten nach Chur und quatschten ein wenig über Gott und die Welt beim Planschen. Trotz der guten Gesprächsqultur liessen wir es uns nicht nehmen und schwammen doch immerhin eine halbe Stunde. Wir vereinbarten, dies nach seinen zweiwöchigen Ferien erneut zu wiederholen, was wir dann auch taten.


Doch mir persönlich war das wöchentliche Schwimmen irgendwie zu wenig… Bereits zwei Tage nach dem ersten Einsatz stand ich wieder mit meiner Badehose vor den 25 Meter langen Bahnen und war gewillt erneut Längen zu schwimmen. Mit jeder Woche wurde die Lust grösser noch mehr und länger zu schwimmen, weshalb ich nach drei Wochen beschloss eine Jahreskarte zu kaufen. Als dann sogar noch meine Krankenkasse mir 200 Franken versprach, war die Sache endgültig klar und ich sicher, dass ich das Abonnement bis allerspätestens Ende Jahr wieder draussen habe. Dies ist vielleicht nicht mal ein unwichtiger Punkt, denn oft ist es bei mir so, dass ich am Anfang eine unaufhaltsame Begeisterung an den Tag lege, die dann aber mit der Zeit ein wenig verliere und mich dann anderem zu wende. Mit dem Schwimmen ist es jetzt so, dass ich es mindestens noch bis Ende Jahr durchhalten muss, weil ich sonst drauflege, aber bei dieser Sportart ist alles irgendwie anders...

Bereits beim Eingang wird mir ganz warm ums Herz, wenn mir erstmals das Chlor oder eben der Duft der Freiheit in die Nase steigt. Das kurze und ungeduldige Umziehen, das Duschen, das anschliessende Reinsteigen ins Schwimmbecken – das alles ist etwas Meditatives, das mich unheimlich beruhigt. Ich liebe es unterzutauchen in eine stille Welt fernab von Hektik, Leistungsdruck, Zukunftsängsten und Suchtproblemen. Es fühlt sich an, als könnte ich fliegen. Unter Wasser ist alles so federleicht und alles macht unglaublich viel Sinn.


Ich bin vielleicht nicht der schnellste oder beste Schwimmer, der je seinen Körper in Chlorwasser getaucht hat und doch bin unglaublich zufrieden, kann ich während meinen Stunden im kühlen Nass meine Gedanken neu sortierten, neue Projekte und Ideen sacken lassen oder einfach dankbar sein. Heute bin ich sehr dankbar dafür, dass ich bald ein halbes Jahr nicht mehr rauche, dass mein Körper langsam wieder gesunde Formen annimmt, dass ich hoffentlich noch tausend Jahre mit meiner Frau glücklich sein werde und dass ich eine Sucht gefunden habe, die nur positive Aspekte hat.

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