Cool oder nicht? Falsche Frage.
Wenn mir heute Jugendliche bei Lesungen anvertrauen, dass sie nicht nur sehr gerne lesen, sondern auch sehr gerne schreiben, ermutige ich sie stets zum Weitermachen, denn Schreiben ist Reisen ohne wegzufahren. Eintauchen in andere Welten. Jemand sein, der man im richtigen Leben nicht ist. Oder gerade der oder die zu sein, die man ist; dann wird das Schreiben zur Reise zum eigenen Ich.
In meiner Jugendzeit habe ich Tagebücher am Laufmeter gefüllt, Gedichte und Songtexte geschrieben, Geschichten angefangen und keine davon zu Ende gebracht. Das war auch gar nicht wichtig. Wichtig war das Schreiben, das Verbringen mit meinen imaginären Figuren, die übrigens sehr viel mit Darrel, Sodapop und Ponyboy gemeinsam hatten. Einmal habe ich ein Gedicht an ein Magazin geschickt, das Texte von Jugendlichen veröffentlichte (für die etwas älteren Semester unter den Leser*innen dieser Kolumne: der Musenalp-Express). Was für ein Erlebnis, das Gedicht eine Weile später gedruckt in den Händen zu halten!
Ich weiss nicht, ob Schreiben damals cool oder uncool war. Schreiben war das, was mich interessierte, das, was ich gerne tat. Schreiben war auch das, was half, wenn ich an mir oder der Welt oder an beidem verzweifelte. Schreiben war Träumen, Schreiben war auch öfters Flucht. Hätte man schon damals als Abschlussprojekt an der Oberstufe ein Buch schreiben können, hätte ich das ohne Zweifel gemacht, aber das gab es nicht. Heute bekomme ich meistens im Frühjahr Mails von Jugendlichen, die sich auf dieses Abenteuer «Buch als Abschlussprojekt» einlassen und mich um ein kleines Interview für ihr Projekt bitten, das Teil ihrer Arbeit ist. Ich mache das stets sehr gerne, manchmal in einer persönlichen Begegnung, öfters per Mail. Es macht Freude, mich mit den Jugendlichen übers Schreiben zu unterhalten, zu sehen, wie sie das Projekt angehen, ihnen ein paar Schreibtipps mit auf den Weg zu geben.
Als kleines Dankeschön schicken mir die jungen Autor*innen ein paar Monate später das Werk, das sie verfasst haben. Professionell sieht das aus. Nicht wie damals, als wir einigermassen unbeholfen unsere Texte mit der Schreibmaschine abschrieben, ein schönes Titelblatt gestalteten, die Seiten lochten und mit Wolle oder Schnur zusammenbanden. Heute gibt es sehr preisgünstige Möglichkeiten, sein Buch drucken zu lassen. Was dabei wichtig ist: Man braucht Menschen, die den Mut haben, einem zu sagen, was noch nicht so gut ist, was man besser machen könnte und müsste, wo man den Hebel ansetzen sollte und wo man Logiklöcher füllen muss. Und am Ende, wenn die Geschichte sitzt, sollte jemand den Text auf Rechtschreibe- und Kommafehler prüfen. Wenn all dies getan wird, schaut das nicht nur optisch perfekt aus, sondern macht auch inhaltlich eine gute Falle.
Eine, die ein Buch als Abschlussarbeit geschrieben hat, ist Maxima Hampel. Ihr zweites Buch «Hochdruck»– das sie übrigens auch mit 17 Jahren geschrieben hat - ist diesen September veröffentlicht worden. So etwas macht Mut und verleiht den Träumen Flügel. Wenn sie es schafft, kann ich es auch schaffen. Wie Susan E. Hinton, deren «Outsider» noch heute als Klassenlektüre gelesen wird. Oder Nick McDonell, der mit siebzehn seinen Bestseller «Zwölf» schrieb. Es muss ja nicht gleich ein Verlag sein. Heute gibt es tolle Plattformen im Internet, wo man seine Texte präsentieren und sich mit anderen Schreibenden austauschen kann. Oder es gibt Schreibwettbewerbe wie den «Club der jungen Dichter» in der Zentralschweiz. Oder die Schulhausromane, in denen Klassen zusammen mit Autor*innen ein Buch schreiben. Oder, auch das zeugt vom Selbstbewusstsein der Jugendlichen, sie machen ihr Buch gleich selber.
Heute ertappe ich mich manchmal bei der Frage, ob Schreiben für die Jugendlichen cool ist. Aber eigentlich ist das – immer noch - die falsche Frage. Wer schreiben will, den kratzt es keine Sekunde, ob er oder sie damit in oder out oder cool oder uncool ist. Denn Schreiben fegt. Und wie.