Buchkritik: «Schwellenmomente» von Christian Imhof
Ich möchte hier keine Zusammenfassung des Thrillers schreiben, es geht mir mehr um die gesellschaftlichen Inhalte und wie gut Christian dies alles in die Geschichte eines jungen Mannes integriert hat. Wir beginnen mit Noah, ein durchschnittlicher Mann mit einer Schwäche beim Merken neuer Namen, welcher auf Jobsuche ist. Es wird angesprochen, dass während der Pandemie die Arbeitslosenquote stark angestiegen ist. Dies merkt auch David Fritschi, der Zuständige für das Personal der Fleischverarbeitungsfabrik, bei der sich Noah bewirbt.
Ein paar Zeilen später wird auch schon auf den Vandalismus von militanten Veganern, die die Fassaden der Fabrik regelmässig verunstalten, aufmerksam gemacht. Das Thema Vegetarismus und Veganismus ist tragend in diesem Thriller. So auch im echten Leben.
Momentan gehen immer mehr Menschen in die fleischlose Ernährung über. Manche betreiben diese Lebensform sehr extrem und versuchen, andere zu bekehren. Die beiden Extreme treffen häufig in hitzigen Diskussionen aufeinander. Diese Spannung zwischen Fleischessern und Vegetariern/ Veganern wird im Buch «Schwellenmomente» sehr gut vermittelt. Die Vegetarier/Veganer werden von jüngeren Generationen vertreten und die Fleischesser von älteren. So, wie es zum grössten Teil im echten Leben auch ist. Das Problem ist meiner Meinung nach, dass die beiden Partien die andere nicht verstehen (wollen). Es gibt keinen perfekten Weg und auch keine perfekte Lebensform, ein Gleichgewicht mit Akzeptanz von beiden Seiten wäre für mich eine mögliche Lösung.
Was in unserer Gesellschaft auch immer wieder sehr präsent ist, ist der Krieg. Auch dies hat Christian sehr gut in seinen Text integriert. Bahira, die spätere Ehefrau von Noah, ist aus ihrer Heimat Syrien vor dem Krieg geflüchtet. Sie beschreibt ihre Flucht und die Schäden, welche sie davongetragen hat. Zudem ist Bahira von der Verstimmtheit der Menschen in der Schweiz überrascht und hatte auch Mühe mit der Bevölkerung ihrer neuen Heimat warm zu werden. «Es schien für sie fast unverständlich, wie man in einem so sicheren Staat wie der Schweiz nicht ständig mit einem Lächeln auf dem Gesicht durch die Gegend schlenderte.»
Ein weiterer Aspekt, dessen Präsenz viele nicht wahrhaben wollen, ist sexuelle Belästigung gegenüber Frauen im Allgemeinen und hier im Buch findet diese auch am Arbeitsplatz statt. Einige weibliche Charaktere mussten damit ebenfalls Erfahrungen machen.
Ich möchte meine persönliche Interpretation des Titels «Schwellenmomente» noch einbringen. Ich interpretiere es so, dass wir uns im Leben immer wieder auf Schwellen bewegen. Das bedeutet, wir stehen kurz vor dem Abgrund und die nächste Tat wird sehr entscheidend für den weiteren Verlauf eines Lebensabschnittes sein. Wir können uns für das Richtige entscheiden und unser Leben erfährt eine positive Änderung oder wir entscheiden uns für das Falsche und stürzen in den Abgrund. Im Buch ist es meiner Meinung nach auf die Klimafrage bezogen. Wir stehen momentan vor dem Abgrund, haben Möglichkeiten unsere Situation zu verbessern und die Schwelle erfolgreich zu überwinden oder wir machen weiter wie bisher und stürzen in den Abgrund.
«Schwellenmomente» von Christian Imhof regt zum Nachdenken an. Viele aktuelle Probleme werden angesprochen. Ich finde es gut, dass darauf aufmerksam gemacht wird und man nicht einfach wegschaut.