Bild/Illu/Video: Christian Imhof

Wenn der erste Eindruck täuscht

Die Ex-Barfrau Maude Gutman lebt ein tragisches Leben. Seit dem Verschwinden ihres Mannes und dem tödlichen Unfall ihres Sohnes ist sie in einer melancholischen Spirale zwischen Alkohol, Zigaretten, Hoffnungslosigkeit gefangen. Hoffnung auf eine bessere Zukunft kommt auf, als die Figur, ziemlich authentisch dargestellt von Ute Hoffmann, einer Kollegin ein potthässliches Bild kauft. Eher als Jux gedacht, entpuppt sich das Gemälde als etwaige Goldgrube, denn es könnte sich dabei um ein Bild von Jackson Pollock handeln. Einem Verkauf und dem damit verbundenen Ausblick auf eine reiche Zukunft steht nur noch das Gütesiegel des Kunstexperten Lionel Percy im Wege.


Abgründe tun sich auf

Für diesen, gespielt von Thomas Hassler, ist es aber relativ zügig klar, dass dieses Gemälde definitiv kein «Pollock» sein kann. Die Werke des Künstlers seien wie ein Vulkanausbruch und voller Kraft, wie sie nur ein Genie produzieren kann. Zur theoretischen Argumentation zeigte der Kunstexperte, mit welcher Hingabe der Künstler seine Werke gefertigt haben muss. Ein solches Original, er dürfe es zwar fast nicht sagen, würde sie, wenn sie denn ein Bild in dieser Art besässe, um eine staatliche Summe von 50 bis 100 Millionen reicher machen. Doch das hier sei ja kein «Pollock», weshalb jede weitere Diskussion nichts bringe, erklärte der Fachmann. Dies nutzte die frisch entlassene Barfrau als Steilvorlage, denn sie hatte den Experten zuvor gegoogelt. Er hatte sich in der Vergangenheit schon mal geirrt und deshalb den Job als «Kunst-Papst» verloren. Hassler selbst betonte stets, er habe selber gekündigt, doch irgendwie nahm er sich das im Verlaufe des Gesprächs selber nicht mal mehr ab. Die beiden Welten, die hier aufeinander prallen sind spannend, denn so richtig nah kommen sich die beiden Darsteller nur in einem Punkt: Die Magie der Kunst.


Alles für die Wahrheit
Sie werde sich ein Original-Zertifikat von einem anderen «Experten» holen betonte Hoffmann, der das Bild im Verlauf der Zeit sehr ans Herzen gewachsen ist. Weil sie erlebt habe, wie die Kunst zu ihr spreche, werde sie auch nicht auf das Angebot eines indischen Geschäftsmanns eingehen, der ihr zwei Millionen Dollar für das Bild geboten habe. Der Kunstexperte Hassler, der die Welt jetzt definitiv nicht mehr verstand, ermunterte sie, diese einmalige Gelegenheit nicht auszulassen, denn solche Türen würden nicht ewig offenstehen, doch die Dame rückte kein bisschen von ihrer Haltung ab. Dieser abstrakte, farbfuriose Expressionismus hat ihre Persönlichkeit verändert und vielleicht genau aus diesem Grund hat sie keine Lust es jemandem zu überlassen, der es in einen Keller sperrt. Am Wichtigsten sei die Wahrheit, alles andere sei gar nicht so wichtig.


Der Einakter «Das Original» ist ein Lehrstück für Neulinge in Kunstkreisen, denn durch das Stück lernt man spielerisch ein paar wichtige Fakten aus dieser Welt. Zusätzlich zeigt es, dass der erste Eindruck in vielen Fällen täuscht und dass man nicht immer vorschnell irgendwelche Schlüsse ziehen soll.


Das Duo Hoffmann/Hassler funktionierte im Werdenberger Kleintheater sensationell, schaffte es Publikum zu begeistern und hinterliess durch ihre ungezügelten Dialoge voller Dynamik, Witz und Leidenschaft einen bleibenden Eindruck.

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