Vom Findelkind zur Gastgeberin aus Leidenschaft
Als Baby wurde Polly Hollenstein am Bahnhof in indischen
Naihati ausgesetzt. Wie viele Kinder ihrer Generation in Indien und Sri Lanka sei
auch sie ein «nicht gewolltes» gewesen. «Es konnte nicht nachverfolgt werden,
wer meine Eltern sind in dem riesigen Land und so kam ich in ein Heim in
Kalkutta.» Da es das Heim inzwischen gar nicht mehr gebe, habe sie sich damit
abgefunden, ihre leiblichen Eltern jemals kennenzulernen. «Man hat nie gross
ein Drama draus gemacht und man sieht es mir auch an, dass ich nicht von hier
komme. Es gab jetzt nicht den Tag X, an dem meine Eltern mir gesagt haben, dass
ich adoptiert bin, sondern ich bin einfach damit aufgewachsen. Inzwischen bin
ich aber sehr froh, dass der Grabserberg und nicht Indien mein Zuhause ist.» Es
sei schon ein extrem armes Land, in dem Hollenstein wahrscheinlich nie die
Chancen wie in der Schweiz erhalten hätte. Es gebe einen Grund, wieso alles so
gekommen sei, wie es jetzt sei. «Ich denke, meine Eltern in Indien haben das
Beste gegeben, indem sie mich ausgesetzt und nicht gleich umgebracht haben, was
ja viele in diesen Ländern, vor allem bei Mädchen gemacht haben. Sie haben mir
so die Chance gegeben, dass man mich findet und dadurch bin ich in die Schweiz
gekommen, was mich sehr dankbar stimmt.»
Die grosse Passion des Kochens
Auch wenn der berufliche Lebenslauf der 42-Jährigen immer wieder mal
überraschende Wendungen bereithielt, sei etwas immer geblieben: Ihre Begeisterung
für das Kochen. «Ich hatte schon als Kind gerne Leute zuhause auf Besuch. Bei
mir musste schon immer etwas laufen und dann habe ich angefangen für Familie
und Freunde zu kochen.» Sie habe sich ihr Know-How selber angeeignet. Dies sei
auf sehr viel positive Rückmeldungen gestossen, denn immer wenn Polly
Hollenstein zu Tisch geladen habe, seien die Stühle im Nu gefüllt gewesen. «Mit
der Zeit kam ich dann auf die Idee, das Ganze noch ein wenig grösser zu machen
und habe das Wirtepatent gemacht, damit ich es auch darf. So ist es immer
gewachsen und ich habe über all die Jahre immer in meiner Freizeit für andere
gekocht.» Es habe sich herauskristallisiert, dass die Leute besonders auf ihr indisches
Essen ansprechen. «Auch wenn ich Hochzeiten mit unterschiedlichem Essen oder
auch mal einen Fondue-Plausch organisiert habe, ist das indische Essen doch
das, was man nicht an jeder Ecke kriegt.» Um ihren Kochstil zu verfeinern, hat
Hollenstein intensiv recherchiert und auch hin und wieder Freunde, die nach
Indien in die Ferien geflogen sind, damit beauftragt ihr Gewürze von dort
mitzubringen. «Die schmecken original einfach besser, als die, die man in der
Schweiz kaufen kann.» Die Küche aus ihrem Ursprungsland sei sehr
abwechslungsreich, was sie immer wieder fasziniere. Es sei der Gastgeberin aus
Leidenschaft wichtig, möglichst ein breites Spektrum an Kreationen aus
unterschiedlichen Teilen Indiens den Menschen näher zu bringen. Wie die von
Hollenstein erschaffene «Geschmacksexplosion im Mund» sich anfühlt, kann am
kommenden Wochenende am Chlausmarkt in Buchs erlebt werden.