Spielerisch die Geschichte zum Leben erweckt
Das Navi war keine wirkliche Hilfe beim Finden des Ortes. Auch wenn fast jeder Flecken auf dieser Welt schon digital ersichtlich ist, mit der Ortsbeschreibung «Uf Christlisch» können Google und Co. wenig anfangen. Zum Glück stand irgendwo auf einem Werbeartikel, dass damit die Wiese hinter dem Altersheim gemeint ist. Dadurch und auch durch die Beschriftung am Wegesrand fand dann sogar ich als nicht Klosterser den Weg zur Veranstaltung, die in der Regel nur jedes dritte Jahr und stets an einem anderen Ort stattfindet.
Ab in die Zeitmaschine
Auf der Wiese stach es dann sofort ins Auge, dass hier keine Kosten und Mühen gescheut wurden, um den Zuschauern ein unvergessliches Spektakel zu servieren. Das titelgebende Haus beispielsweise wurde extra für das Stück aufgebaut und auch sonst war das Bewältigen der Zuschauermassen schlau durchorganisiert, so dass auf der Tribüne nie lange Wartezeiten entstanden. Das Stück begann mit einer fünfköpfigen Touristengruppe, die sich durch das Museum führen liess und so wie in einer Zeitmaschine nochmals an den wichtigsten Momenten der Klosterser, aber auch vielfach der Prättigauer Geschichte Halt machten. Diese Reise von der Vergangenheit in die Gegenwart wurde musikalisch untermalt von der «Panyer Hengertmusig», die neben lüpfiger Tanzmusik, auch mal melancholische Klänge anstimmte oder das Muhen einer gebährenden Kuh zu imitieren wusste. Auch für viel Abwechslung sorgten die kurzweiligen Stücke des Theaterchörlis unter der Leitung von Iris Vogt Klaas. Die umtriebige Frau, die auch bald als Schulleiterin der Grundschule Küblis waltet, wird hier ein letztes Mal für lange Zeit als Chorleiterin zu sehen und hören sein. Deshalb ist es sicher auch sehr zu empfehlen, sich das Stück zu Gemüte zu führen, wenn einem die grossartigen Crossover-Konzerte vor wenigen Wochen in Schiers beispielsweise entgangen sind.
Obwohl auch düstere Themen wie das Erhängen von Hexen oder auch die Pest thematisiert wurden, schaffte es die Theatergruppe Klosters-Serneus, immer wieder das Publikum bei Laune zu halten. Eindruck machte in diesem Zusammenhang auch die Aussage der einen Figur, die erklärte, dass sich beim Denken mit der Zeit wenig geändert habe. So habe der Mensch, wenn er etwas nicht verstehen könne die Gewohnheit, immer einen Sündenbock zu suchen. Während früher die «Hexen» oder wohl besser gesagt, in der Kräuterkunde bewanderte Hebammen, den Kopf für alles hinhalten mussten, sind es heute Flüchtlinge oder andere sozial Schwächere, nach denen getreten wird. Es war ein Moment der Wahrheit mitten im Stück versteckt, der merken liess, wie viel Tiefgang das Werk aus der Feder von Paul Steinmann hat. Das Treffen von den Touristen von heute mit Figuren aus der Vergangenheit sorgte aber auch sonst für manch kuriose Momente. So war unter anderem das Red Bull in der Hand des durch das Programm führende Mönch für diverse Lacher gut. Dieser nämlich dachte, dass es sich bei dem Süssgetränk um einen Wein handelte. 800 Jahre stimmig in ein Freilichtspiel zu verpacken, ist sicher eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die das tolle 24-köpfige Ensemble unter der Leitung von Arthur Bühler mit Bravour meisterte. Der Aufstand gegen die Österreicher, die Lindauer Verträge, eine Hochzeit, der Bergsturz von Monbiel, der touristische Aufschwung bis hin zum Thema «Hollywood on the rocks» fand alles Platz im Stück, bei welchem neben den Darsteller:innen auch ein Kalb, ein Pferd und ein paar Geissen auf der Bühne standen. Was «Ünschäs Hüschi» zudem zu einem ganz besonders wertvollem Stück macht, ist der Umstand, dass der Autor den Darstellenden die Freiheit einräumt, sich in ihrem eigenen Dialekt auszudrücken. Schön, dass hier nicht mit Hochdeutsch hantiert, sondern gezeigt wurde, dass einige urchige Prättigauer Wörter auch heute noch alltagstauglich sind, und man sich seiner Herkunft nicht schämen muss. Insgesamt elf Mal wird «Ünschäs Hüschi» vom 19. Juli bis am 6. August 2022 in Klosters aufgeführt. Wie die Veranstalter vermeldeten, muss man sich mit dem Ticketkauf definitiv beeilen, weil viele Vorstellungen jetzt schon fast ausverkauft sind. Zu Recht, wie ich finde.