Schnitt um Schnitt zum perfekten Bild
Sonja Züblin braucht eine ruhige Hand. Millimetergenau schneidet die Schnittkünstlerin mit ihrem Skalpell winzige Stücke aus einem Papier. Die medizinische Praxisassistentin gehört in der Schweizer Scherenschnittszene zu den renommiertesten Künstlerinnen. Ihre Spezialität sind Bäume. Nicht irgendwelche Phantasiegebilde, sondern Prachtexemplare der Natur. Diese skizziert und fotografiert sie vor Ort. Zuhause im Atelier zeichnet sie ihre Werke dann 1:1 mit einem feinen Filzstift vor. Erschwerend kommt hinzu, dass sie dies spiegelverkehrt auf der Rückseite des Papiers macht. Allein dies ist hohe Kunst. Erst danach kommt das eigentliche Handwerk zum Zug. Die Schnitttechnik. «Jeder Scherenschneider arbeitet anders», erklärt Sonja Züblin. Auf Grund ihrer feingliederigen Werke arbeitet sie heute fast ausschliesslich mit dem Skalpell. Für eine Trauerweide, Eiche, Buche oder Esche braucht sie rund 300 Stunden. Meist hört sie in ihrem Arbeitszimmer klassische Musik und blickt zwischendurch ins Grüne. «Die Arbeit an meinen Werken ist für mich eine Art Meditation», gesteht die Künstlerin.
Bilder erzählen Geschichten
Nebst Bäumen schafft die 63-jährige Künstlerin auch Werke, die ganze Geschichten erzählen. Beispielsweise die Entstehung des Weins. Von der Rebe bis ins Fass. Oder sie zeigt in einem Scherenschnitt die vier Jahreszeiten auf. «Diese Werke entstammen meiner Fantasie», erzählt Sonja Züblin. Was alle Bilder gemeinsam haben, ist der Bezug zur Natur. Von dieser wurde sie als Bauerntochter von klein auf geprägt. Die Faszination der Scherenschnitte entdeckte Sonja Züblin in den 80er-Jahren, ihr Talent an einem Abendkurs: «Ich stellte rasch fest, dass mir das Handwerk besser liegt als den anderen Kursteilnehmenden.» Anfangs durfte sie von Tipps des Ostschweizer Scherenschnittpioniers Werner Häfeli profitieren. Mit der Zeit wandte sie sich bewusst ab, um sich künstlerisch nicht beeinflussen zu lassen und einen eigenen Stil zu entwickeln. Mit Erfolg. Bereits nach drei Jahren - im Jahre 1989 - hatte sie ihre erste Ausstellung. An dieser konnte sie fast alle ihre Werke verkaufen. Inzwischen hat sie ihre Scherenschnitte vielerorts gezeigt. Vom Landesmuseum in Zürich, über Hongkong bis nach Shanghai. Trotzdem ist die Kunst für sie ein Hobby geblieben: «Künstler, die von ihren Werken leben müssen, stehen unter Druck. Sie müssen Werke verkaufen, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Ich darf.»
Erster schwarz-weiss Kalender
Die Kunstwerke von Sonja Züblin zieren verschiedene Karten. Einen Kalender hat sie bis zur Anfrage der Gravag noch nie gestaltet. Entsprechend freute sie sich über den Auftrag. «Für uns ist es bereits der 17. Kalender, den wir mit Kunstschaffenden aus der Region realisieren dürfen», erklärt Roger Schneider, Geschäftsführer der Gravag Energie AG in St.Margrethen. Der limitierte und beliebte Kalender wird in enger Zusammenarbeit mit dem Diepoldsauer Kunstschaffenden Küfas hergestellt. Er kümmert sich nicht nur um eine abwechslungsreiche Auswahl der Kunstschaffenden und deren Bilder, sondern auch um den Druck und damit um die optimale Wiedergabe der Werke. «Dieses Mal war der Druck auf Grund der filigranen Bilder besonders herausfordernd. Hinzu kam, dass wir ein tiefes Schwarz wünschten, welches den Kontrast besonders hervorhebt», erklärt Küfas, als er den ersten Kalender in den Händen hält. Dieser wird nun in den nächsten Tagen im Rhyboot abgepackt und Kunden sowie Partnern der Gravag zugestellt.
Bildlegende: Die Schnittkünstlerin Sonja Züblin hat die Bilder des neuen Gravag-Kalenders gestaltet. An einem einzigen Baum arbeitet sie rund 300 Stunden.