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Nosferatu neu auf die Bühne gebracht

Nosferatu vereint Grusel und Horror und begibt sich mit der Figur Nosferatu als leibhaftigen Schatten auf eine abenteuerliche Reise welche als visionär Pandemiefilm heute aktueller denn je nicht sein könnte. Wir haben hinter die Kulissen geschaut und konnten über Drama und die musikalische Tragik mehr erfahren.


Irina und Dany wie seid ihr dazu gekommen diesen berühmten Stummfilm neu zu vertonen? Eigentlich wie die Jungfrau Maria zum Kind…. Wir wurden November 2019 sehr spontan und sehr kurzfristig angefragt, ob wir für eine Finissage einer Ausstellung, die von Nosferatu handelte, und an der der Film gezeigt wurde, diesen live vertonen würden. Das war eine grosse Freude und eine Challenge, die wir angenommen haben. Wir haben Ideen gesammelt, und das Projekt dann live präsentiert. Es war ein voller Erfolg, und wir hatten zum Glück eine Aufnahme davon. Und ja, ab hier wollten wir mehr! Eine Woche später, haben wir es nochmals aufgeführt und wieder aufgenommen, und eine «Rohfassung» für uns erstellt. Daraus haben wir dann im Studio die Ideen zu Kompositionen, die genau auf den Film abgestimmt sind, umgearbeitet. Die letzten zwei Jahre haben uns auch die notwendige Zeit dazu verschafft.


Wie gestaltete sich eure Arbeit dazu und was ist daraus entstanden?
Zuerst muss man sich natürlich den Film genau ansehen! Sich Gedanken machen, wie die Bilder «klingen» könnten. Musikalische Ideen erarbeiten. Komponieren. Dann im Studio den Film laufen lassen, und gleichzeitig dazu aufnehmen. Das war gar nicht so einfach…Wir spielten die Kompositionen, die aus den Improvisationen entstanden sind, einerseits nach und liessen neue Melodien und Harmonien entstehen, die wir jeweils zum laufenden Film einspielten. Wir verbrachten jede freie Minute, einzeln oder zusammen im Studio. Dany hat sich zuerst damit befasst, die vorhandenen Ideen, die dann natürlich auch mit Szenenlängen übereinstimmen müssen, auszukomponieren. Danach hat er alle Pianos und Keyboards aufgenommen. Irina hat die Gesänge, Chöre und ihre Instrumente eingespielt und Melodien erfunden.


Welche Instrumente lässt ihr einfliessen, um auf die Tragik des Films aufmerksam zu machen und könnt Ihr von besonderen Effekten berichten?
Das auffälligste, und auch über die ganze Filmdauer tragende, ist die Baklama, ein griechisches Saiteninstrument, das Kleine, von der Bouzouki, die von Irina gespielt wird. Der Klang symbolisiert das Rumänische, Transsylvanien, den Ursprung. Graf Orlok, Nosferatu, das untote Wesen, wird stets mit hallender Kirchenorgel begleitet. Manche Szenen haben wir, wie sie auch im Film erscheinen, mit eher romantischer, orchestraler Streicher- und Pianomusik, Akkordeon oder mit Gitarre und Percussion vertont. Ein paar ausgesuchte Geräusche, die man im Film sieht, haben wir tatsächlich auch in den Soundtrack übernommen: Hutter’s Pferd, die Pferdekutsche, Türen, die sich öffnen und schliessen, eine Uhr, die schlägt, Herzschlag etc. Besondere Effekte wird dann natürlich die Kinofassung des Soundtracks bringen, weil da der Ton dreidimensional im Raum verteilt wird. Beim Surround-Mix wird das Pferd von links nach rechts traben, die Orgel eher hinten zu hören sein, der Gesang vorn in der Mitte und fliegend durch den ganzen Raum etc.


«Nosferatu» zeigt Aufnahmen aus Transsilvanien, was schon darauf hinweist, dass es gruselig wird. Weitere Drehorte sind unter anderem Wismar, Lübeck, Rostock und auch Bilder aus der Slowakei sind vertreten, könnt Ihr uns mehr darüber erzählen?
Ein Szenenbild zeigt den «Wasserkunst»-Brunnen auf dem Marktplatz von Wismar. Die Aufnahme wurde vom Turm der Marienkirche gemacht. Jedes Wochenende finden am besagten Kirchturm im Stundentakt Führungen statt. Bei diesen Touren wird einem auch das berühmte «Murnau-Fenster» gezeigt, von dem aus, die Szene gedreht wurde. Keine 400 Meter Luftlinie entfernt, befindet sich der Innenhof der Heiligen-Geist-Kirche, welcher im Film mehrfach, meistens wenn Thomas Hutter (Gustav von Wangenheim) durch die Stadt geht, zu sehen ist. Die Szene der zerfallenen Lagerhäuser, in denen Graf Orlok seinen Unterschlupf findet, wurden vor dem alten Salzspeicher in Lübeck aufgenommen.


Ein weiterer Lübecker Drehort ist der «Füchtingshof» in der Glockengießerstrasse. Als Kulisse für das halb verfallene Schloss des Grafen Orlok diente die Arwaburg in den Karpaten der Slowakei. Hutters Anreise wurde im darum liegenden Wald gedreht, sowie Hutters Rast in Dolný Kubín. Die Flossfahrt mit den Särgen wurde auf der Waag aufgenommen. Für die Gebirgsaufnahmen nutzte das Filmteam das Panorama der Hohen Tatra. Die Drehorte sind exzellent gewählt. Die Stadt und die Landschaften bleiben einem im Gedächtnis hängen.


Der Schlusssong Romankà entstand, was ist das Aussergewöhnliche daran?
Wir benötigten noch einen Schlussong für das Outro und da der Film in Transsilvanien (Rumänien) und Wisborg spielt, sollte er irgendwie rumänisch sein. Eines Morgens hatte Dany eine musikalische Eingabe und summte eine Melodie, nahm die Gitarre und spielte Harmonien dazu, worauf ich meine kleine Baklama nahm und einfach improvisierte. Dann sang ich spontan mit und erfand so zuerst eine schweizerdeutsche Strophe, die sich auf die Wiederholung des Lockdowns in der heutigen Zeit und die Szene der menschenleeren Strassen im Film beziehen sollte. Weiter sang ich einfach Silben und daraus entstanden Worte in fremder Sprache. Das aussergewöhnliche an diesem Song ist, dass er nun rumänisch klingt, aber in eigenen Sprachsilben von Irina Maria Garbini kreiert und gesungen wird. Doch der Zuhörer wird in diesen sehr emotional vorgetragenen Song eingeweiht in die musikalische Sprache, der Ungerechtigkeit, der Verzweiflung, des Kampfes, der Sehnsucht und Liebe. Im Übrigen wiederholt sich die Melodie von Rumankà in verschiedenen Versionen und Improvisationen durch den ganzen Film.

 
Irina: Ehrlich gesagt, hatten wir echt Mühe den Song wieder aus dem Kopf zu bringen, da die Melodie wirklich ein Ohrwurm ist.

Gibt es wie in einer Symphonie mehrere Themen die den Hauptdarstellern zugeordnet werden? Wie habt ihr diese musikalisch untermalen können?
Der Film begleitet die Liebe zwischen Ellen und Hutter, aber auch die tiefe Beziehung von Ellen zu Nosferatu.
So war es uns wichtig, Ellen, ihre Verzweiflung Liebe und Sehnsucht zu Hutter und Nosferatu besonders zu betonen mit Piano, Streicherklängen, sphärischen Gesängen mit erfundener eigener Sprache von Irina, die sie immer wieder einfliessen lässt.


Einige Szenen, darunter auch die Szene mit der Sargprozession wird mit griechischen Kompositionen und Text von Irina gesungen. Orlok’s Auftritt wird in der Regel mit dem Intro von Toccata eingeläutet. Gefolgt von eigenen Kompositionen, die sich auf den Szenenablauf beziehen.


Vampir Graf Orlok und die schöne Ellen. Was könnt ihr uns und unseren Lesern über diese zwei Hauptfiguren berichten?
Nosferatu stellt ein Wesen dar, das «unsterblich» verliebt ist. Was Nosferatu am Leben hält, ist das Blut von Menschen. Das Blut als Elixier des Lebens. Dieses untote Wesen will in Wisborg ein Haus kaufen, und wird betrogen. Nosferatu, auch Graf Orlok genannt, hat es auf eine bestimmte weibliche Person abgesehen, in die er verliebt ist und will ihr Blut. Auch sie, Ellen fühlt sich sehr mit diesem Wesen verbunden. Mit Gegensätzen von Angst und sich hingezogen fühlen, ergibt sie sich schlussendlich diesem Wesen.

Ihr Mann, Hutter, spielt dabei eine wesentliche Rolle, da er als Schlüsselfigur durch seine Neugier, und die Verführung durch Macht und Geld, zu Nosferatu findet. Graf Orlok kommt nach Wisborg und bringt die Pest mit. Die Bewohner sterben reihenweise, und nur das Opfer von Ellen, die sich ihm hingibt, erlöst das ganze Städtchen. (Wir haben uns sagen lassen, dass während den Dreharbeiten zu dieser Zeit ziemlich viel Opium geraucht wurde und man Max Schreck (Nosferatu) während vor und nach den Dreharbeiten nie zivil gekleidet sah)


Das Werk gilt mit seiner dämonischen Hauptfigur und seiner Traumartig gequälten Seelenzuständen spiegelnden Inszenierung als eines der wichtigsten Werke des Kinos und auch Ihr wollt nicht nur auf die Bühne. Habt ihr schon Pläne?
Ja, wir wollen den Film nochmals in die Kinos bringen. Natürlich mit unserem Soundtrack im Surround-Format. Ein Kinobesucher ist es gewohnt, dass der Ton aus allen Richtungen kommt. Der Originalsoundtrack war wohl Mono, er ist dann einmal auf Stereo «upgedated» worden, aber wir möchten das ganze Projekt im Surround-Format ins Kino bringen!


Einige der Kompositionen im Speziellen der Song Rumankà (auch als Single), werden wir auf iTunes, Spotify ect. veröffentlichen. Vorgesehen ist auch ein Videoclip für diesen Song. Und natürlich möchten wir möglichst an vielen Orten in der Schweiz und Umgebung, den Stummfilm Live spielen, weil es einfach Spass macht.


1925 gab es einen verlorenen Urheberrechtsstreit, wäre es euch ohne diesen auch möglich gewesen «Nosferatu» neu zu vertonen und Live aufzuführen?
Dany: Ja, ich denke schon. Der Urheberrechtsstreit ging um die Dracula-Geschichte von Bram Stoker. Nosferatu lehnt sich sehr stark an diese Ideen an. Aber der Film ist 100 Jahre alt und es gibt keine Urheberrechte mehr darauf. Unser Soundtrack ist neu und natürlich bei der SUISA geschützt.

Der Film damals und heute 100 Jahre später am Ende eine Pandemie (hoffe ich) macht deutlich, dass sich vieles wiederholt, könnt ihr das bestätigen?

Ja, diese Wiederholung ist und war während unserem Projekt in den letzten zwei Jahren Pandemie sehr präsent.
Menschen rennen sehenden Auges ins Unglück, getrieben vom Wunsch, ein gutes Geschäft zu machen; Warnsignale werden ignoriert; Schuldige sind schnell gefunden, und Angst lähmt eine ganze Stadt; eine Epidemie, die Körper und Seele erfasst und Menschen sich zurückziehen lässt. Das alles nähme ein übles Ende, wäre da nicht ein gutes, reines Herz. Die unscheinbare Heldin in düsteren Zeiten. Ellen. Vermutungen wurden angestellt und nicht zuletzt machte man, da nichts anderes herausgefunden worden ist, das Böse «Nosferatu» verantwortlich.


Das Thema, dass ein Wesen den Tod in Form einer Epidemie in eine Stadt bringt, und sich nur durch die Hingabe einer Frau stoppen lässt, erinnert an die letzten zwei Jahre, dem unsichtbaren Virus…. Doch am Ende wollen wir alle nur Liebe, selbst Graf Orlok.


Wen konntet ihr zum Schluss eurer Aufnahmen dazu gewinnen?
Wir holten Johannes Eberhard Casablanca Studio Winterthur ins Boot. Er macht nicht nur den guten Ton bei den Aufführungen, sondern auch das Endmixing für die Kinoversion. Er verfügt über die Möglichkeiten unseren Track im Format Surround neu abzumischen. Wir haben das ganze Projekt von unserem Studio ins Casablanca Studio nach Winterthur gezügelt, und wir stehen da kurz vor Abschluss der Arbeiten. Nur noch Finetuning ist ausstehend. Ein Verleger ist uns bereits bekannt für die weiteren Schritte bis in die Kinos.


Natürlich sind wir auch auf finanzielle Unterstützung angewiesen und diese bekamen wir bisher von der Karl Zünd Stiftung und Kultustiftung Rheintal, was uns sehr freut und wir sehr dankbar sind.


Habt ihr schon Aufführungen geplant und wo und wann finden diese statt?
Einige Aufführungen hatten wir ja bereits und wir freuen uns sehr auf die kommenden Auftrittsdaten
9. Juli Vögelinsegg im Kul-Tour
12. August Wil Event in der Altstadt
19. September Kulturbrugg Festival (Kino Madlen Heerbrugg)
12. November Asselkeller Schönengrund


Am Ende unseres Interviews wollen wir natürlich auch etwas über euch erfahren?
Wir wohnen beide in Altstätten und lernten uns vor vielen Jahren kennen. Dany suchte eine Sängerin für seine Kompositionen. Nun sind wir seit 17 Jahren verheiratet und stehen seither gemeinsam auf der Bühne.


Wir haben keine bestimmte Stilrichtung und fühlen uns musikalisch fast überall zu Hause. Wir verbinden musikalisch und in verschiedenen Sprachen, Kulturen und Länder. Und natürlich schreiben und komponieren wir auch selbst Songs und verarbeiten diese zusammen mit Videoclips. Wir spielen zu Zweit und geben auch in immer wieder ändernden Formationen und Stilen unter dem Namen More than just Music Konzerte und treten in Italien, Spanien, Griechenland, Deutschland, Österreich und der ganzen Schweiz, (Kleintheater und öffentlichen sowie privaten Anlässsen auf.


Dany Kuhn, der einige Jahre Keyboarder bei Sina und «Die Müller’s» war und auch in anderen bekannten Bands der Schweiz spielte, arbeitet unter anderem als Buchhalter in Zürich und in seinem eigenen Studio als Produzent und Musiker für andere Künstler*innen. Irina Maria Garbini mit den Wurzeln aus Griechenland und Italien hat die Musik und das Singen von klein auf begleitet. Für sie ist der Klang das Designe allen Lebens und in allem enthalten.


Ihr musikalischer Weg führte über die klassische und Jazz Stimmbildung über das Saxophon- und Fagottspiel in klassischen Orchestern und als Sängerin hin zu internationalen Auftritten. Neben der Musik ist Irina selbstständig und führt eine Praxis für Beratung unter anderem energetische Heilarbeit.

Bei ihrer Arbeit mit Menschen spielen Klänge, eine wesentliche Rolle. Dabei setzt sie nur ihre Stimme ein und erzeugt Töne, die ihr durchgegeben werden, um durch dessen Resonanzschwingung, zu verbinden, Dissonanzen zu lösen, und ein Gleichgewicht zwischen Körper, Geist und Seele herzustellen.


Das letzte Wort gehört euch und ich hoffe es ist genauso spannend wie «Nosferatu».
Für uns ist es nicht nur ein Kinofilm den wir live vertonen, sondern ein Konzert mit dem wir die sensationellen schauspielerischen Leistungen von Nosferatu beehren dürfen.


Dabei ist es uns aber auch sehr wichtig einen aufhellenden Gegenpol zur düsteren Zeit mit unserer kontemporärer Musikinterpretation zur Seite zu stellen. Trotz der Kompositionen, die wir als roten Faden eingespielt haben, ist keine Aufführung gleich. Es bleiben Momente der Stille und der Improvisation. Wie wir die Musik entstehen lassen, wen wir live spielen, hängt aber auch mit anderen Komponenten zusammen. Einerseits ist es ein Zusammenspiel zwischen uns Musikern und den bewegenden Bildern, doch auch die Örtlichkeiten, der Raum mit seiner eigenen Akustik, der unsere Klänge trägt und Gefühle transportiert und das Publikum, dass reingezogen wird in den Film, sind involviert und tragen wesentlich dazu bei, jede Aufführung zu einem sehr emotionalen und spannenden Moment werden zu lassen.

Wir hoffen möglichst viele Menschen auf diesen Stumm-Film und natürlich auf unsere neue Film-Musik, die wir als unser Herzblut-Projekt bezeichnen können, aufmerksam zu machen und zu begeistern. Und wir freuen uns sehr auf die kommenden Livevorführungen und die Kinovertonung.

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