Frautastisch: Nathalie Hofer
Nathalie Hofer (30) leitet die Hebammenpraxis Herztöne in Schaan. Zuvor hat sie fünf Jahre lang in der Frauenklinik Fontana am Kantonsspital Graubünden gearbeitet.
Warum hast du diese sichere Arbeitsstelle vor zweieinhalb Jahren aufgegeben und Dich selbstständig gemacht?
Ich habe damals nebenbei ein Studium in psychosozialer Beratung begonnen und wollte das Erlernte aktiv anwenden. Ich war zwar schon im Spital für die Betreuung von Risikoschwangeren zuständig, konnte aber nie das ganze Potenzial meiner Weiterbildung ausschöpfen. Heute stehe ich auch Frauen beratend zur Seite, die zum Beispiel ein Kind verloren haben, eine traumatische Geburt hatten oder an einer Wochenbettdepression leiden. Als selbstständige Hebamme kann ich umfassender auf die Frauen eingehen als im Gebärsaal. Im Spital liegt der Fokus ganz klar auf der Geburtshilfe.
Und wie läuft deine Hebammenpraxis bis jetzt? So wie es du Dir vorgestellt hast?
Super! (lacht) Ich bin sehr zufrieden. Gut, ich habe auch keine grossen Erwartungen gehabt. Trotzdem bin ich erstaunt, wie meine Praxis angelaufen ist.
Was empfindest du als grösste Herausforderung? Und was gefällt Dir besser als selbständige Hebamme?
Es hat eine Weile gedauert, bis ich die Bürokratie so richtig im Griff hatte. Diese ist ohne entsprechende Kenntnisse echt nicht ganz ohne! Auch das komplett eigenständige Arbeiten, also ohne Team, war vor allem zu Beginn eine Herausforderung. Ich habe zwar ein gutes Netzwerk unter den Hebammen, die Frauen betreue ich im Arbeitsalltag aber alleine. Mir fehlen darum manchmal die Fallbesprechungen wie sie im Spital üblich sind. Gleichzeitig schätze ich die Flexibilität und Autonomie an der Selbständigkeit. Wobei ich aber schon zugeben muss: Ich vermisse die Geburten! Als freipraktizierende Hebamme betreue ich die Frauen vor und nach der Geburt. Die Action geht dabei leider manchmal etwas unter (lacht).
Das klingt so, als könntest Du dir vorstellen, einmal wieder zurück ins Spital zu gehen?
Ja, das ist tatsächlich möglich. Ich kenne Kolleginnen, die sind nach langjähriger Selbstständigkeit wieder als Hebamme ins Spital zurückgekehrt. Und nicht, weil ihre Praxis nicht rentiert hatte, sondern weil ihnen eben auch die Geburten gefehlt haben – das grösste Wunder der Natur!
Deine Klientinnen sind oft so alt die Du. Viele von ihnen kennst Du noch aus der Schulzeit. Wie ist es für Dich, diese frischgebackenen Mütter in diesem Lebensschnitt zu begleiten?
Für mich ist es eigentlich das Tollste, Frauen, die ich kenne, in diesem prägenden Lebensabschnitt begleiten zu dürfen. Aufgrund der Beziehung besteht von Anfang an ein Vertrauensverhältnis. So kann ich sie als Freundin und Hebamme betreuen. Das ist wirklich wunderschön! Mir käme es auch nie in den Sinn, eine Frau aus Sympathiegründen abzulehnen. Bei mir gilt: «Di Schneller isch di Gschwinder!»
Du selbst hast noch keine Kinder. Ist das in deinem Job kein Defizit?
Das werde ich tatsächlich regelmässig gefragt. Nein, ich finde nicht, dass das ein Defizit darstellt. Ein männlicher Gynäkologe kann auch nicht gebären und hilft trotzdem, Kinder auf die Welt zu bringen. Ein Psychotherapeut behandelt Menschen mit einer depressiven Störung, auch wenn er selbst keine erlebt hat. Ein Kardiologe operiert Herzprobleme, auch wenn er selbst keine hat, und und und. Klar kann es in vielen Berufen von Vorteil sein, wenn man selbst Erfahrungen mitbringt, aber es ist meiner Meinung nach keine nötige Voraussetzung. Als Hebamme muss ich nämlich nicht «mitfühlen», sondern mich «einfühlen» können und als kompetente Beraterin zur Seite stehen. Und das kann ich als empathischer Mensch sehr gut!