«Emma» im Soundcheck
«Wa nix meh fehlt» mit einem grossen Gesangsteil und leichten Countryanleihen. Das Eröffnungslied kommt warm aus den Boxen und schafft es ein ländliches Bild zu malen, dass einem ankommen lässt und einen Hauch von Heimat vermittelt ohne Klischees zu bedienen. Ein «herziges» Liebeslied zum Start. Singt da wirklich DER Ritschi mit?
«Ich süächu dich» ist ein Duett mit Hendrix Ackle, das durch einen entspannten Groove ziemlich lässig aus den Boxen kommt und viel Lust auf mehr macht. Interessant, wie vielseitig die Kompositionen vom Duo Sina/Adrian Stern jetzt schon klingen.
Den Song «Easy Rider» habe ich bereits schon mal im Radio gehört und ich muss ein wenig schmunzeln, denn auch im Prättigau sagt man «schi» statt «sie», was ein paar Erinnerungen an meine Kindheit aufrüttelt. Sina ist mit diesem Lied eine Hymne an die Freiheit gelungen, die sofort ins Ohr geht und Lust auf’s Reisen macht.
Ebenfalls ein Song der bereits im Radio lief, ist «Emma», welcher laut SRF eine Ode an ihre Grossmutter sei, fährt relativ schnell unter die Haut. Das Werk voller Anekdoten aus dem Leben ist hochemotional und doch wunderbar herzlich formuliert. Gänsehaut!
Im etwas rockigeren Lied «Gitarru Ma» porträtiert Sina das Leben eines Musikers, der es nicht so wirklich geschafft hat und deswegen wohl auch heute ein klein wenig verbittert ist. In den Text von Christoph Trummer legt Sina ihren ganzen Erfahrungsschatz, dass man fast ein wenig das Gefühl erhält, sie hätte diese Story selbst auch erlebt. Cool, wie viel Platz für das Gitarrensolo reserviert wird.
«Numu ä Zahl» behandelt das Altern, auch wenn Sina das Thema nie wirklich beim Namen nennt. Irgendwie witzig, wie federleicht und humorvoll die Ü-50-Jährige das Problem angeht, welches für sie irgendwie gar keines zu sein scheint. «Solang, dass i Härzchlopfu wiän äs Meitji ha» ist obendrauf noch ein ziemlich schönes Bild, dass die Sängerin mitliefert.
Ebenfalls um das Schöne geht es in «Wiär sii schön», bei welchem Sina das Mikrophon mit Gigi Moto und Anna Känzig teilt. Grandios, wie die drei starken Frauen zeigen, wie dumm die heutigen Schönheitsideale sind. Die Kritik an der Kosmetikindustrie fährt direkt in die Beine und wird hoffentlich ein paar Mädchen zum Umdenken statt Überschminken bewegen.
Oh Tinu Heiniger hat die Finger im Spiel beim Lied «Dä Geisch». Erzählerisch, wie es nur der Emmentaler schafft, sind hier einige herrliche Versli zu hören. Wann macht der Liedermacher eigentlich wieder mal eine neue Platte? Wenn man dieses Lied voller Melancholie hört, kann man hoffen, dass es ihn wieder ein wenig gepackt hat.
«Värflüächu där Mond» zeigt nicht nur, wie gerne die Walliser Umlaute haben, sondern auch wie wunderbar groovig ein brillianter Basslauf durch ein Lied tragen kann. Auch ohne Text wäre der Zuhörerschaft sofort klar, dass es hier um das Thema Nacht gehen muss. Ziemlich cool.
«Xundheit» kommt rockig um die Ecke, hat sogar noch einen Satz Bläser dabei und erzählt vom Moment, wenn man es geschafft hat, ein halbes Jahrhundert zu er- respektive überleben. Da kommt gleich ein wenig Nostalgie auf. Wundervoll motivierend und voller positiven Vibes geht’s dann zum Schluss auf die nächsten 50 Jahre los. Prost und eben auch «Xundheit»!
«Zeppelin» ist balladesk und erzählt die nachdenkliche Geschichte einer zerbrochenen Liebe. Ziemlich poetisch umschreibt Sina das Beziehungsende und wird trotz des unschönen Endes nie weinerlich. Wow!
«Stärnschnuppä ubär dich» startet mit viel Popappeal und mausert sich zum grossen Hit. Die Handorgel im Hintergrund weckt das Fernweh und lässt träumen. Das Zitat «Was choschtut diini Wält? Ich biätu meh» bringt ziemlich gut die Stimmung auf den Punkt und bleibt sofort hängen. Wunderbar!
Der Abschlusssong «So eifach» ist nochmals ein stiller Moment, bei dem Produzent und Songwriter Adrian Stern neben seinen Skills an der Gitarre auch noch mit Sina gemeinsam singt. Ein gelungener Abschluss, der noch einmal berührt und akustisch bleibt.
Schlussfazit:
Auf dem Album «Emma» zeigt Sina, wie vielseitig ihre Musik 2019 klingen kann. Auch wenn die Rockklänge ein wenig in den Hintergrund gerückt sind und Pop mit Country-Anleihen in den Vordergrund gerückt sind, zeigt sich die Walliserin als Geschichtenerzählerin, deren Sinne immer noch scharf sind. Während ihre männlichen Kollegen oft sich in das Geschäft mit der Nostalgie zurückziehen, zeigt Sina, wieso sie seit über 25 Jahren erfolgreich ist und liefert ein frisches Album randvoll mit Geschichten mitten aus dem Leben. Ganz grosses Kino oder wie es meine Kollegin Heidi Troisio sagen würde: «Frautastisch!» Auf die nächsten 25!