Jaël meldet sich zurück
Nach ihrer Babypause sind Sie wieder zurück. Wie gross ist die Vorfreude das neue Material auf das Publikum loszulassen?
Die ist riesig! Ich bin sehr gespannt, was mein Publikum von diesem Album hält. Da ich auf meiner letzten Akustiktour spürte, dass vielen meiner Zuhörer die Umsetzung meiner Songs in akustischem Gewand sehr entspricht, habe ich das Gefühl, «Nothing to hide» dürfte ihnen sehr gefallen, da es in sich schon viel akustischer daher kommt. Auch Fans der Lunik CD «What is next» dürfte meine neue Scheibe gefallen. Für mich ist sie irgendwie die musikalische Fortsetzung jener Zeit.
Inwiefern hat das Muttersein den Blick auf ihre Musik verändert?
Ich denke, es hat meinen Blick auf alles etwas «erweicht» und relativiert. Früher habe ich alles meiner Leidenschaft - der Musik - unterordnet. Klar waren Familie und Freunde im Verlauf der letzten Jahre immer wichtiger, aber Eliah hat sich da nun ganz klar den ersten Platz bei mir erobert und ich bin auch einfach sehr gerne mit ihm zusammen und geniesse diese Zeit, die ja so schnell vorbei geht, in der ich ihn viel bei mir haben kann. Da muss die Musik auch mal auf mich warten oder eben mein Publikum auf eine nächste CD…
Ich habe sehr viel weniger Zeit für alles heute und setze somit klarer Prioritäten insofern, dass ich wirklich konsequent nur noch das mache, was mich erfüllt und «nährt».
Ihr neues Album wurde zu einem grossen Teil durch Crowdfunding finanziert. Was fasziniert Sie an dieser Art der Finanzierung?
Ich habe gemerkt und mitgeteilt bekommen, dass einige meiner Zuhörer sich sehr gerne daran beteiligen, mir meine Karriere weiterhin zu ermöglichen und jeweils auf neue Musik von mir «plangen».
Somit gebe ich ihnen gern die Möglichkeit ein persönliches «Drüberii» zu bekommen, das ihnen Freude bereitet und biete dies zum Voraus an per Newsletter. Für mich ist dies weniger ein Crowdfunding, denn einfach die Möglichkeit auf meinem Webshop etwas Spezielles kaufen zu können, (wie etwa ein Konzert bei sich Zuhause oder die Namensnennung in meiner CD oder die Einladung zu einem Apéro mit mir vor meiner Plattentaufe oder gratis Zugang zu allen Konzerten auf meiner Tournee...) wenn man dies möchte. Eine Art Vorverkauf. Finanziell hilft mir dies im Moment der Studiozeit und Aufnahmen dann ungemein. Ich kann zwar von meiner Musik leben, wenn ich auf Tour bin und wenn eine CD rauskommt. Aber da ich bei keiner Plattenfirma gesignt bin, die mir grossartige Vorschüsse auszahlen würde, fehlen dann doch jeweils die Mittel, um alle paar Jahre eine CD aus eigenem Portemonnaie zu finanzieren. Durch die Mithilfe des Publikums geben sie mir quasi diesen Vorschuss. Es ist eine Win-Win-Situation für alle und da ich es «exklusiv» über meinen Kanälen anbiete, belästige ich auch nicht Uninteressierte damit.
Ihre erste Single heisst «Done with fake». Haben Sie sich in ihrer Karriere auch mal missverstanden gefühlt oder als jemand, den Sie nie sein wollten?
Mir wurde ja lange Zeit dieses «Feen-Kostüm» angezogen. Ich fand das zwar schmeichelhaft, fühlte mich selber aber nun nicht unbedingt wahnsinnig feenhaft sondern einfach schüchtern. Störend empfand ich es aber nicht. Andere empfanden diese Schüchternheit als Arroganz, was mir dann eher komisch vorkam.
Es gibt sicher immer wieder Momente in meinem Beruf, in denen man sich unverstanden fühlt von einzelnen Menschen, etwa Zuhörer, die Songs kommentieren oder Journalisten, die eine miese Review schreiben. Aber das gehört halt dazu, dass man nicht allen gefallen kann.
In der Vergangenheit waren Sie oft akustisch unterwegs. Gibt es zum neuen Album eine Tour mit ganzer Band oder bleiben Sie der Trioversion treu?
Wie ich in der ersten Antwort erwähnte, empfand ich schon in der Entstehungsphase dieses Album wie als Weiterführung von Luniks «What is next», da ich damals sehr ähnlich Songs schrieb. Für mein erstes Soloalbum traute ich mir irgendwie die eigenen Songs weniger zu und griff auf Co-Songwriter zurück. Auf «Nothing to hide» sind viele der Songs aus meiner Feder, ähnlich wie eben bei «What is next». Dementsprechend griff ich dann auch auf die gleichen Musiker zurück, die uns mit Lunik auf der Bühne begleiteten, Simon Britschgi an den Drums und Marco Blöchlinger am Bass. Ich wusste, dass sie meine musikalische Sprache gut verstehen und es war grossartig unser Trio mit ihnen zu ergänzen und diese Songs bereits für die Platte gemeinsam zu entwickeln. Es war etwas wie ein Heimkommen. Somit begleiten die beiden uns auch auf der ersten Phase der Tour bis Ende Jahr. Es sind jedoch nur sechs Konzerte in etwas grösseren Sälen, wie etwa Bierhübeli Bern oder Kaufleuten Zürich. Es war mir aber wichtig, dass auch da die Möglichkeit besteht die Konzerte zu bestuhlen, damit auch diese Nahbarkeit und Verbundenheit aufkommen kann, die ich stärker empfinde, wenn die Leute wirklich «Ankommen» indem sie eben Hinsitzen. Ab März 2020 sind wir dann auch wieder im Trio in den kleineren Spielorten unterwegs.
Welche Tipps geben Sie jungen Mädchen für eine erfolgreiche und lange Karriere mit auf den Weg?
Ich empfinde es als ungemein wichtig mindestens eine Person an seiner Seite zu wissen, der man blind vertraut und mit der man auch in schweren Zeiten (wenns zum Beispiel nicht läuft, der Mut ausgeht oder man eine kreative Leere hat) zählen kann. Sei dies in der Manager- oder einer Mitmusikerposition.
Wichtig ist auch Musiker zu finden, die akzeptieren können, dass sie als Band-Musiker die Aufgabe haben heraus zu spüren, was die Sängerin und die Songs am Besten unterstützt und erstrahlen lässt. Am Besten gelingt dies mit Musikern, die auch noch ihr eigenes Soloprojekt haben, in welchen sie gänzlich sich selber verwirklichen können. Oder man findet wirklich mit einem Musiker zusammen, der mit einem eine gemeinsame Vision hat. Sobald da mehr als zwei Leute involviert sind, wird das jedoch eine immer grössere Herausforderung.
Dann braucht man gewiss einen langen Atem und eine realistische Vorstellung und die Bereitschaft mehr zu tun als «nur» Musik. Nebst dem Betreuen der Socialmediakanälen gibt es noch tausende andere Dinge, die man halt auch einfach tun muss als Musiker, die nun wirklich rein gar nichts mit Musik zu tun haben. Dafür darf man sich nicht zu schade sein, denn wenn Du es selbst nicht tust, tuts niemand anderes. Ausser Du bezahlst jemanden dafür und dieses Geld fehlt dann wiederum für die Musik.