Eliane Barth und die Wirrungen im Homeoffice
Paula heisst die Versicherungsangestellte, die Barth im Kellertheater
Rosengarten zum Leben erweckt hat. Diese scheint ganz glücklich zu sein mit der
neu gewonnenen Freiheit, dem Arbeiten im Homeoffice. Vergnügt erzählt sie im
Stück, dass sie neben dem Geniessen von Granatapfelkernen jetzt endlich auch
Zeit zum Lesen, zum Anbauen von eigenem Gemüse, für Yogaübungen und nicht ganz
unwichtig auch fürs Onlinedating hat. Denn bei aller Euphorie über die freie
Zeit zwischen den lästigen Videoanrufen ihres Vorgesetzten bringt die Leere des
Raums eben auch eines ans Licht: Paula ist eine alleinstehende Frau, die ihre
besten Jahre auch schon hinter sich hat.
Die aphrodisierende Wirkung von Granatapfelkernen
Für die Veredlung ihres Proseccos hat Paula einen Granatapfel aufgeschnitten
und dessen vollkommene fünf Kerne hinzugegeben. Die Frucht und deren
aphrodisierende Wirkung auf sie hat die Figur ins Grübeln gebracht. Philosophisch
kommt sie im Selbstgespräch immer näher an ihren eigenen Kern heran. Auf dem
Weg dorthin bemerkt sie, wie neidisch sie selbst auf das junge Früchtchen von
einer Praktikantin im Büro ist, und dass sie es nie hinbringen wird, dass mal
ein Basilikum bei ihr länger als zwei Tage überlebt. Doch die Protagonistin schmollt
nicht lange rum, packt die Gelegenheit am Schopf und meldet sich kurzerhand auf
einer Webseite an. Dort trifft sie dann zwar nicht ihren absoluten Traummann,
dafür einen ganz soliden Waldemar. Dieser hat sich gleichzeitig mit ihrem Chef,
der noch Unterlagen vorbeibringen will, und dem Italiener Antonio mit seiner
Essenslieferung, für einen Besuch angemeldet, was am Schluss vieles offen lässt
und dem Duo Barth/Wildhaber die Möglichkeit gibt, sogar mal eine Fortsetzung zu
schreiben.
Eliane Barth hatte bei der Premiere zwar kleine Textunsicherheiten, Pianist Felix Rüegg half ihr aber schnell wieder zurück auf die Bahn. Seine Musik begleitete Eliane Barth auch bei den Liedern, welche gut gewählt ins Programm passten. Ausserdem hatten die Momente eine gewisse Situationskomik inne, und es machte die Künstlerin auf der Bühne so wunderbar menschlich und greifbar. Allgemein brachte sie mit dem «Einfraustück» etwas auf die Bühne, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer sehr gut nachempfinden konnten. In kürzester Zeit war man auch im Publikum wieder zurück im ersten Lockdown, den die meisten mit viel Wohlwollen und zur eigenen persönlichen Weiterentwicklung mit Handkuss angenommen hatten. Trotz vielen komödiantischen Momenten, wie beispielsweise Barths Schummeln bei der Anmeldung fürs Onlinedating, gab es auch düstere Momente. Als die Schauspielerin beispielsweise von ihrer Jugend und dem schwierigen Verhältnis zu ihren Eltern erzählte oder auch, als sie das Fruchtmesser an ihre Pulsadern hielt, waren das melancholische Momente, die den Atem stocken liessen und unter die Haut gingen. Eliane Barth hat es mit ihrem Stück «Homeoffice oder das Zählen von Granatapfelkernen» geschafft, ein sehr breites Publikum abzuholen, da sie eine ungeheure Beobachtungsgabe besitzt und den Tanz zwischen positiven und düsteren Gefühlen über die Jahre hin perfektioniert hat. Zudem ist es auch ein wenig so, dass die meisten Leute nicht ungerne ein wenig mehr von zuhause aus arbeiten und gleichzeitig so die Work-Life-Balance wieder ein Stück mehr in Richtung Leben ausrichten würden.
Weitere Vorführungen des Stücks:
6. Mai 2022 Rosengarten Grüsch
13. & 14. Mai 2022 Mehrzweckhalle Jenins
20. Mai 2022 Städtlitorkel Sargans
1.,2. & 3. Juni 2022 Klostertorkel Maienfeld