Ein Leben ohne Internet Teil 2
Bild/Illu/Video: Marcus Duff / cascadas

Ein Leben ohne Internet Teil 2

Und ausgerechnet in dieser Woche würde ich so gern ein Bild vom Urlaub bei Ifolor bestellen, eine Reise buchen, meiner Freundin einen Wink per WhatsApp geben, nachsehen, wann die Gemeindekanzlei offen hat und noch einmal hätte ich den Online Fahrplan gebrauchen können und mich über irgendetwas informiert; sprich bei Wikipedia nachgelesen.


Aber: ich habe all das sein gelassen. Als Dörflerin stelle ich es mir überaus umständlich vor, wegen eines Bildes extra in die nächste Stadt zu fahren, ein Fotogeschäft aufzusuchen und genau das eine Bild bei ihm zu bestellen. Hätte ich mich wirklich über irgendetwas informieren wollen, hätte ich ein Buch zu diesem Thema kaufen müssen. Vermutlich wieder in der nächsten Stadt, oder auf stundenlanger Suche in einer Bibliothek. Aber auch das habe ich sein gelassen. Stattdessen ging ich diese paar Tage als Unwissende umher. Und das fühlte sich richtig gut an.


Überraschenderweise war die Umstellung auf offline «hunz-eifach». Das Telefon lag praktisch den ganzen Tag unbeachtet in der Ecke und ich vermisste es auch an Tag zwei, drei und vier nicht. Ich vergass sogar, es auf meine Spaziergänge mitzunehmen. Vielleicht auch deswegen, weil sich so eine Internet Auszeit wie eine Woche wohlverdiente Ferien anfühlt. Wenn es etwas Wichtiges zu besprechen gab, riefen mich meine engsten Angehörigen und Freunde (vielleicht mal augenrollend) an und ich sie. Ohne Augenrollen.


Das Wort zählt…

So arrangierten wir unsere Treffen schon für die nächste Woche, trugen sie in die Agenda ein und mussten uns gegenseitig darauf verlassen, auch zum genannten Zeitpunkt am richtigen Ort aufzukreuzen. Das war schon mal spannend. Einmal jedoch gings daneben. Warum? Weil ein paar meiner lieben Mitmenschen mein Experiment vergessen hatten, mir per WhatsApp Änderungen schrieben und ich mich nicht daranhalten konnte.


Kläglich gescheitert…

Der fünfte Tag ging zu Ende, als ich gezwungen war, meine Nachrichten auf WhatsApp zu kontrollieren. Das, aufgrund meines Nebenberufs, bei dem ich auf diese Weise erreichbar sein muss. Obwohl ich meine Auszeit kommuniziert hatte, ging sie vergessen und Schwupps; da sind wir wieder. Online. Mit X Nachrichten aus diversen Chats wurde ich überrumpelt. Das Handy überschlug sich selber mit dem Gepiepse. Der Schwall an Informationen rieselte wie Regen über mich hinab. Trotzdem war ich irgendwie froh, wieder da zu sein.


Was habe ich verpasst?

Ein Konzert und drei Treffen mit Freunden. Ausgerechnet mit denjenigen, die ich selten sehe. Blauäugig wie ich war, informierte ich genau diejenigen nicht über mein Experiment, weil es für unsere Beziehungen üblich war, sich wochenlang nicht zu sehen. Aber oha… Das hat mir dann schon leidgetan. Einfach nicht geantwortet zu haben. Und spätestens da war mir aufgefallen, wie wichtig dieses WhatsApp in meinem Alltag ist. Nicht nur für mich, auch für meine Freunde und Verwandte. So bleiben wir in Kontakt. Ein kleines «Hallo» da, ein kurzes «Wie geht’s dir?» da, und wir beide wissen, dass wir noch da sind. Telefonieren ist total in den Hintergrund gerückt.


Was ich aus diesem Experiment mitnehme ist, dass es unsäglich guttut, nicht ständig erreichbar zu sein. Und wie ich es schon im ersten Teil beschrieben habe; Handy weg, Konzentration da. Für fünf Tage war ich nicht von der Informationsflut abgelenkt. Für einmal nicht zu wissen, was in der Welt geschieht ist Balsam für die Seele. Man kann es auch als wegsehen betiteln. Und es tut so gut. Weil zu 90% der Nachrichten negativ sind.


Trotz alledem bin ich froh über das Internet. Zu erleben wie unser Leben damit erleichtert wird, vor allem dann, wenn man eben nicht alles im Dorf findet, lässt mich das Internet auf eine ganz andere Weise schätzen.

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