Das Backlisten-Massaker
Bücher verschwinden aus dem Verlagsangebot, wenn sie nach dem Verkauf aller Exemplare der letzten Auflage nicht nachgedruckt werden oder wenn der Verlag findet, es lohne sich aufgrund schlechter Verkäufe nicht mehr, das Buch an Lager zu halten. Seit ein paar Jahren dreht sich das Bücherkarussell immer schneller. Bücher halten sich zum Teil nur noch kurze Zeit auf dem Markt, werden zu Ex und Hop Artikeln. Es kann passieren, dass der Autor/die Autorin länger daran gearbeitet hat, als das Buch schlussendlich in den Läden erhältlich ist. Um es in der Sprache des Horror-Genres zu sagen: Es ist ein veritables Backlisten-Massaker im Gang.
Nimmt ein Verlag einen Titel aus dem Programm, teilt er das dem Autor/der Autorin meistens (nicht immer; ich habe es bei mindestens drei meiner Titel nur durch Zufall herausgefunden) in einem Brief mit. Obwohl wir Autor*innen wissen, dass das früher oder später passieren kann und wird, ist es beim ersten Mal sehr hart, aber irgendwann gewöhnt man sich tatsächlich daran. Wir sind nicht naiv. Wir kennen die Mechanismen der Buchbranche. Trotzdem wünschen sich nicht wenige von uns, dass unsere Verlage die Backlistentitel mehr pflegen oder ihnen zumindest für eine etwas längere Zeit einen Platz auf dem Lagerregal zugestehen würden, vielleicht auch mal eine kleine Auflage nachdrucken. Ich kenne Berufskolleg*innen, die von Schulen zu Lesungen eingeladen werden, aber keine Bücher mehr für die Altersgruppe haben, bei der sie lesen sollen.
Von meinen fünfzehn Jugendbüchern, die ich für den Thienemann-Verlag geschrieben habe, wären elf wieder in der Versenkung verschwunden (auf dem Bild fehlt eins, das ich nicht mehr gefunden habe), hätte ich nicht irgendwann gesagt: «Selbst ist die Frau.» Und so habe ich begonnen, die Bücher im Self Publishing noch einmal herauszugeben, zum Teil mit neuen Titeln, zum Teil mit neuen Covern, zum Teil beides. Andere Autor*innen bringen ihre vergriffenen Titel bei Verlagen unter, die sich genau darauf spezialisiert haben. Noch andere akzeptieren das Verschwinden ihrer Bücher als Teil des Geschäfts und schreiben weiter, ohne zurückzublicken.
Ich glaube nicht, dass wir zurück zu den alten Zeiten können, wo Backlistentitel ein langes bis sehr langes Leben führten. Ich denke jedoch, dass es Verlage in der Hand haben, die Titel immerhin ein paar Jahre im Programm zu lassen und/oder sie in kleinen Auflagen nachzudrucken.
Als Verlegerin eines kleinen Verlags – die ich ebenfalls bin - bin ich in der glücklichen Lage mit meinen beiden Mitverlegern selber zu bestimmen, wie lange unsere Titel erhältlich sein werden. Und das ist in unserm Fall sehr lange; die Absicht ist, unsere Titel nie aus dem Programm zu nehmen. Bis jetzt sind wir damit sehr erfolgreich unterwegs. Noch immer werden Bücher aus allen Editionen, auch der ersten aus dem Jahr 2016, bestellt und gekauft. Wir und noch mehr unsere/r Autor*innen wissen das sehr zu schätzen.