«Circle of Reality» im Soundcheck
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«Circle of Reality» im Soundcheck

Da braut sich was zusammen und kurz vor der ersten Minute knallt der Track «Sweet Decay» kompromisslos und mit voller Wucht aus den Boxen. Es ist Rockmusik, wie ich sie liebe. Ein Sound, der wie eine Faust direkt in den Magen schiesst. Bei solchen Acts ist jeweils die Stimme des Sängers ziemlich entscheidend über Erfolg oder Flopp. Diese Jungs hier haben mit ihrem Frontmann definitiv den 6er im Lotto gezogen und müssen den nationalen Vergleich mit Grössen wie Shakra oder Gotthard überhaupt nicht scheuen.


Auch ein ziemliches Brett ist der Song «Faded», der verdammt viel Zug hat. Ich versuche die Band immer noch ein wenig zu schubladisieren, doch ich muss sagen, Creeon haben da eine ganz eigene Schiene gefunden. Sie entnehmen aus unterschiedlichen Metalvariationen die besten Elemente und machen eine eigene, sehr unterhaltsame Mischung daraus.


Bei «We’re gonna lose» drückt fast ein wenig der Grunge durch. Es wird eine Trennungsgeschichte erzählt, die ziemlich unter die Haut geht. Das emotionale Gitarrensolo unterstreicht dabei die Melancholie und macht den Song unwiderstehlich.


«We’re not done» könnte auch im Repertoire von Slipknot ausserordentlich gut funktionieren. Heilige Scheisse, was für ein Monster dieser Track. Trotz der druckvollen Strophe, kommt dann ein Refrain, der sofort zum Mitsingen animiert und wundervoll ins Ohr geht. Für mich als Drummer ist es ausserdem ziemlich hörenswert, was für eine Drummachine bei den Jungs auf die Töpfe haut. Ich mag dieses Ungezügelte des Schlagzeugers, der sich von seinen Emotionen leiten lässt und die ganze Formation nach vorne peitscht. Schlicht und ergreifend grossartig!


Einer für’s Herz ist die Rockballade «Take Care», der es in einer soft produzierten Version sogar in die Rotation bei den Radios schaffen könnte. Das geht tief und lässt niemanden kalt. Grosses Kino!

Mit viel Karacho beschallt «Stay with me» aktuell meine Nachbarschaft. Es ist ein richtiger Banger und ich konnte mir vorstellen, dass die Band mit diesem Material aus Konzerten im Handumdrehen reissende Volksfeste machen könnten. Der Headbangerpart vor dem Gitarrensolo lässt bei mir sofort die Devilhorns hervorschiessen. Irgendwie schon krass, für eine Schweizer Band sind sie klanglich verdammt nach an Szenegrössen wie Papa Roach. Beeindruckend.

Ein wenig wie ein Fremdkörper klingt zu Beginn das Lied «Hope in Hell», da es einzig von einem Piano und der Stimme getragen wird. Ziemlich cool, wie das Schlagzeug nach einer Minute einsetzt und immer mehr Drive reinbringt. Und dann taucht da plötzlich noch eine weibliche Stimme auf, die der Ballade das Krönchen aufsetzt. Eine gelungene Radiosingle, die auch die Herzen der Hörer ausserhalb des Genres im Sturm erobern könnte.

Ein bisschen anders ist da das treibende «Fuck you all», welches wieder härtere Töne anschlägt, ein paar Growls bereithält und mit seinem punkigen Charakter, für ausgelassene Partystimmung sorgt. Sehr kurzweilig.


Etwas Sozialkritik hält der Song «First World Problems» bereit. Ich mag das Riff und den damit eingehenden Groove sehr. Krass, welch eingängige Melodie die Herren hier gezimmert haben. Schon auf dem ganzen Album beweisen sie viel Geschmack, schweifen nicht zu sehr ins Technische ab und zeigen so federleicht auf, dass Metal mehr als Lärm zu bieten hat. Cool!

«Gimme a Break» hat fast etwas von Pop-Punk, mit dem feinen Unterschied, dass Creeon hier mit einer breiten Klangwand auffahren, die einem angenehm in den Sessel drückt. Das Gitarrensolo klingt sehr nach Toten Hosen- Kuddel, was eine angenehme Abwechslung ist.  

Das leider schon letzte Stück der CD heisst «Prometheus» und hebt ins Weltall ab. Hier arbeitet die Band mit viel Studioelementen, was ihrem Klang noch einen zusätzlich modernen Touch verleiht. So und nicht anders muss ein gelungener Albumabschluss klingen.

Schlussfazit:
«Circle of Reality» von Creeon ist ein druckvolles, lautes, aber auch sehr abwechslungsreiches Metalalbum. Die CD eignet sich ideal für Neueinsteiger, die nicht von Bon Jovi direkt zu Slayer wechseln wollen. Für ihre eigene Interpretation von Metal picken sich die Herren aus vielen Unterkategorien des Genres die besten Zutaten heraus, vermischen sie mit eingängigen Melodien und ihrem tighten Zusammenspiel. Dieses Endprodukt klingt auf der einen Seite sehr vertraut, auf der anderen aber auch auch unheimlich erfrischend und spannend. Creeon zeigen mit ihrer neuen Scheibe, dass man es nicht immer so eng sehen sollte mit den Stilgrenzen. Denn Musik findet nicht nur auf der theoretischen Ebene, sondern auch im echten Leben statt. Dort treffen sie mit ihren Visionen bei mir und sicher auch bei vielen anderen Fans von harten Klängen definitiv einen Nerv.

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