«Ceci n’est pas une pipe» / «Ceci n’est pas une voiture» Teil III/IV
Bild/Illu/Video: Ekki Helbig

«Ceci n’est pas une pipe» / «Ceci n’est pas une voiture» Teil III/IV

Im Surrealismus geht es um die Übertretung der Bilder, die Transformation dessen, was wir als Realität annehmen und wahrnehmen mit den Mitteln derselben. Magritte veranschaulicht uns mithilfe dieses einfachen Satzes, dass es sich lediglich um die Abbildung einer Pfeife handelt, man kann diese hier, ein Gemälde, nicht rauchen und doch entsteht vor unserem inneren Auge ein weiteres Pfeifenbild, welches auf unsere Erfahrungen mit und auf unsere Erinnerungen an Pfeifen referiert. Das Bild hat uns verraten, es hat uns vorgemacht, eine Pfeife zu sein, doch das Pfeife-Sein bin ich, der Betrachter muss erst vom Bild darauf hingewiesen werden. Das ist mehr als ein Spiel, es geht hier um die Vergewisserung des Selbst anhand von Bildern, äußeren und inneren. Doch die Bilder begehen Verrat an uns oder wir an ihnen, weil wir sie für etwas halten, was sie nicht sind. Wir zwingen einander zu Grenzüberschreitung.


Mit seinem in irisierenden Blautönen gehaltenen Diorama «Die Wiederherstellung der Ordnung» zeigt Ekki Helbig erneut auf, in welcher Tradition er steht. Das Diorama bietet uns eine «echte» Pfeife an. Ein Gegenstand. Diese konnte und könnte vielleicht sogar noch geraucht werden. Nur eben jetzt nicht, jetzt stellt sie als brauner Gegenstand in einem blauen Kasten, gerahmt, die Ordnung wieder her. Helbig gibt uns keinen französischen Ausspruch zum Bild mit, der klar macht, dass es sich hier um ein Abbild handelt. Schließlich ist das eine echte Pfeife. Man könnte sie aus dem Diorama entfernen und in die Hand nehmen, nicht aber, ohne das Werk zu zerstören und den Gegenstand, der im Zentrum der Betrachtung steht, damit aus dem Sinnzusammenhang zu reißen. Der Titel ist demnach, wie so oft bei Helbig, mit einem Augenzwinkern zu lesen. Natürlich braucht es mehr, um die Ordnung wiederherzustellen, um dies Pfeife zu rauchen.


Ja es ist eine, aber sie gehört ganz der Betrachtung, sie befindet sich im Zwiegespräch der Betrachtung, ebenfalls Bilder hervorrufend, Erinnerungen und Wünsche, vielleicht einige Phantastereien, des Rezipienten, schließlich ist sie ganz von Blautönen umgeben. Wir lesen das ebenfalls in schöner Handschrift dargebotene Wort Hotel, welches in seiner Schreibweise einen Bezug zu «Ceci nʼest pas une pipe» knüpft. Ein Wort mit Suggestionscharakter, welches auf einen Ort des Transits und der Vielsprachigkeit, eventuell sogar des Schweigens verweist. Schweigen kann man gut im Foyer beim Pfeiferauchen. Worte und Bilder geben sich im Schweigen einander die Hand. Das geschieht so schnell, dass weder gesprochen noch wirklich gesehen werden kann. Helbig macht diesen Wechsel in der Bewegung der Gedanken durch ein schwarzes Auto in der rechten unteren Ecke des Dioramas sichtbar, welches wirkt, als wolle es aus dem Dioramas herausfahren, die Grenzen des Kastenformats überschreiten, über sich hinausfahren. Ist es doch so viel mehr als ein Bild. Doch, «Ceci nʼest past une voiture»! Die Gegensatzbewegung wird durch ein berittenes weißes Pferd auf dem schwarzen Autodach dargestellt, welches in die entgegengesetzte Richtung strebt. Beide, Reiter und Auto kommen so notwendigerweise nicht von der Stelle, sowieso nicht, wir befinden uns in einem Diorama.


Auch die «wiederhergestellte» Ordnung/Pfeife übertritt den Rahmen, sie steht überdimensional vor einem schwarzen Kaminbild. Gefährlich könnte ihr die unter ihr entzündete weiße Stabkerze werden, aber nur, wenn sie tatsächlich brennt. Der Künstler spielt mit den Erscheinungsformen des Lichts, neben Kerzenlicht, nehmen wir Straßenlaternen wahr, die ebenfalls über den raum hinaus verweisen, denn was hätten sie in einem Hotel zu suchen? Damit wird auch die Intimität des Kerzenlichts im Foyer gebrochen und der Betrachter in den Widerstreit der Bilder gestürzt. In Wahrheit steht nicht die Pfeife im Zentrum des Dioramas, sondern ein Licht, das der Betrachter selbst entzünden muss, ins Blaue hinein, zu riskieren ist nicht weniger, als dass die Pfeife brennt.  

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