Wir sind keine Getränkemarke
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Wir sind keine Getränkemarke

Seither verfolgt mich dieser Satz übers nebenbei neu erfinden. Er beschäftigt mich. Vor allem aber nervt er mich. Da schreibt eine Frau, die gar niemandem mehr etwas beweisen muss, ein Buch zu einem Thema, das ihr zusetzt und das sie für sich und für uns in einer Geschichte verarbeitet. Nein, Kirsten Boie erfindet sich mit diesem Buch nicht neu, schon gar nicht nebenbei. Sie tut das, was sie seit Jahrzehnten tut: Sie schreibt über das, was sie interessiert und bewegt. Und das auch noch verdammt gut.


Vor ein paar Jahren schrieb ich eine Serie, die so ganz anders war als meine Bücher zuvor. Ich fand, die Bücher könnten sich etwas besser verkaufen und fragte beim Verlag nach, was der Grund für die etwas mageren Verkaufszahlen sein könnte. Die Antwort: «Die Buchhändler wollen einen echten Gabathuler.» Da war ich erst mal platt. «Das sind echte Gabathuler-Bücher», antwortete ziemlich grummelig. «Ich hab sie ja geschrieben.» Das «Ja, aber, sie sind halt schon sehr anders als deine anderen …» klang noch lange in mir nach. Ich fragte mich, ob ich denn jetzt für den Rest meines Lebens meine ersten Bücher in immer wieder anderen Varianten schreiben müsse, und mir fiel einer meiner Lieblingsautoren ein, der mit einer wirklich coolen und starken Hauptfigur in den Buchmarkt eingestiegen war, eine Figur, die mit jedem Band und mit steigendem Erfolg fader wurde, bis sie so fade war, dass ich keine Lust mehr auf die Bücher hatte. Nein, so wollte und will ich nicht enden. Ich will neugierig bleiben, ich will nicht in der Schreibroutine versumpfen bis ich nur noch eine schale Kopie von mir bin. Ich will an Schreibkreuzungen abbiegen, Neuland suchen und finden. Das hat mit sich neu erfinden grad gar nichts zu tun.


Ich denke, das Problem liegt nicht bei den Autor*innen. Es liegt bei den Verlagen und den Büchhändler*innen und teilweise auch bei den Leser*innen. Sie alle wollen eine Marke, am besten eine, die man sofort erkennt. Aber wir Autor*innen sind weder eine Getränkemarke noch sonst ein Brand. Wir funktionieren anders. Wir wollen – um bei der Getränkemarke zu bleiben – nicht immer gleich schmecken. Was beim Getränk funktioniert, wirkt bei Büchern irgendwann langweilig.


Nicht wenige Autor*innen fliehen in Pseudonyme, wenn sie sich in neue Gefilde wagen. Ich verstehe das, sehr gut sogar, ich spiele ja selber mit dem Gedanken damit. Es ist nicht die Scham über die neuen Geschichten, die uns dazu bewegt, sondern es sind die Erwartungshaltungen von allen Seiten. Der Horrorautor kann doch nicht plötzlich Liebesromane schreiben, die Autorin historischer Romane nicht plötzlich eine zappendustere Science Fiction Geschichte und die Kinderbuchautorin nicht plötzlich einen knallharten Thriller. Das wäre ja noch schöner, wenn die sich alle neu erfinden würden. Oder? ODER?

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