Warum ich waffenlosen Militärdienst leiste
Als ich am 18. Januar einrückte, war ich nervös. Ich wusste nicht was genau mich erwarten würde. Vieles schon hatte ich von meinen älteren Freunden erfahren und manche Anektode auf von den Eltern oder Grosseltern. Jeder schien dasselbe zu sagen: Das Militär muss man machen, es hat zwar seine Tücken und Schikanen, dennoch würde es eine Lebensschule für mich sein. Und dennoch würde ich viele neue Freundschaften schliessen und reifer werden. Mittlerweile ist fast ein Monat vergangen und vieles ist geschehen. Die anfängliche Nervosität verschwand und machte Platz für Langeweile. In den ersten Tagen war ich noch als Infanterist eingeteilt. Das heisst, ich würde als Kämpfer ausgebildet werden, mit der Waffe täglich hantieren und viele Schiessübungen absolvieren. Es gefiel mir gut zu Beginn, bis wir angingen zu schiessen.
Als ich die Pistole lud und auf die Zielscheibe richtete, dann abdrückte, wurde mir mit einem Mal bewusst: Was ist es eigentlich das ich hier tue? Warum möchte ich mit einer Waffe umgehen können? Und wie diese Gedanken durch meinen Kopf schwirrten, wurde mir eines ganz klar bewusst: ich bin weder ein Kämpfer der Infanterie noch will ich jemals wieder mit einer Waffe schiessen. Mit jedem Schuss, den ich an jenem Tag schoss, fühlte ich wie ein Teil von mir sich in Luft auflöste. Es fühlte sich an, als ob ich meinen guten Teil gehen liesse: meine Freundlichkeit, die Liebe zur Natur, Geselligkeit und Kameradschaft. Genauer lässt es sich nicht erklären.
Ich habe bereits vor der Rekrutenschule mit Waffen geschossen, mit Scharfschützengewehren, dem Sturmgewehr der Schweizer Armee im Jungschützenkurs und besitze obendrauf (noch) eine eigene Pistole. Das Umfeld war ein anderes, als im Schiessstand der Armee. Im Zivilen ist das Schiessen von Waffen mit weniger Verantwortung verbunden. Selbstverständlich muss man die Sicherheitsvorschriften auch im Privaten einhalten. Doch im Zivilen herrscht kein grosser Zeitdruck beim Schiessen. Es herrscht kein Druck auf die Psyche, indem man ständig angefeuert wird, alles schneller und besser zu tun. Ich bin einfach nicht dafür gemacht, unter Druck eine solche Verantwortung zu übernehmen.
Darum gab ich meine Waffen wieder ab. Ich fühlte mich direkt danach viel besser. Eine grosse Last fiel von meinen Schultern. Den Militärdienst leiste ich dennoch. An der Armee gefällt mir, dass wir viel Abwechslungsreiches tun, auch wenn einzelne Aufgaben und Übungen reine Schikane sind. Ich kann mich damit abfinden und freue mich täglich auf eine warme Dusche, leckere Malzeiten und ein gemachtes Bett am Abend. Ich spüre wie das Militär mich verändert. Doch ich spüre auch, dass der Kern meiner Persönlichkeit derselbe bleibt. Vor dem Militärdienst fürchtete ich den Verlust meiner Individualität, meiner Liebe zum Schreiben und Philosophieren. Dabei kann ich sogar während dem Dienst mit einigen älteren Kameraden und sogar Vorgesetzten über das Leben philosophieren und lachen. Eines muss man sich bewusst sein; der Militärdienst fühlt sich immer so an, wie man sich ihn vorstellt.
Um zum Schluss nochmals auf meine sogenannte Schiessuntauglichkeit zurückzukommen: Ich leiste Militärdienst, aber werde keine Waffe betätigen. Dies tue ich aus moralischen, ethischen sowie den persönlichen Gründen. Im Grunde meines Herzens bin ich Pazifist. Dennoch leiste ich aus Pflichtgefühl zum Heimatland Militärdienst. Gegensätze können nahe beieinanderliegen.