Der Stumpfsinn der Uniform
Wo sonst als im Militär wird man von den Vorgesetzten angeschrien? Wo sonst dermassen unter Druck gesetzt, sodass manche einen Nervenzusammenbruch erleiden? Im Militär werden die Gefühle abgestumpft. Die Sinne verlieren an Wert. Es wird bloss noch zugehört, gross mitdenken kann man nicht mehr. Es dürfen zwar durchaus Verbesserungsvorschläge zum Dienstbetrieb in der Kaserne angebracht werden, doch das erhöht die Chance, dass man gezwungen wird selber zum Vorgesetzten der Rekruten zu werden; Wachtmeister zu werden und ein weiteres Lebensjahr im Militärdienst zu verschwenden.
Im zivilen Leben heisst es immer; die Regeln im Militär ergäben keinen Sinn. Doch, das tun sie! Leider ergibt es einen Sinn, dass man in der Rekrutenschule ständig im Stress ist, und ständig zehn Kilo Gepäck mit sich herumträgt. Es macht schon Sinn, dass man die Vorgesetzten Siezt und sie nicht mit ihrem Namen, sondern ihrem Grad anspricht. Im Militär geht es sehr oft um Respekt. Es geht darum, dass der Rekrut seinen Vorgesetzten Respekt erweist indem er sie höflich grüsst. Dieser Respekt muss vorhanden sein, wenn man möchte, dass das Militär funktioniert. Die Soldaten müssen mit viel Gepäck umgehen können im Krieg, sie müssen schiessen können, müssen mit wenig Schlaf auskommen und den Befehlen bedingungslos gehorchen.
Militärdienst zu leisten, bedeutet dem Vaterland etwas zurückzugeben, es bedeutet persönliche Entbehrungen für das Wohl von Allen hinzunehmen, doch es bedeutet aber auch neue Freundschaften zu knüpfen, welche ein Leben lang halten können. Militärdienst zu leisten heisst für mich, meine Schuld gegenüber dem Vaterland zu tilgen. Die Schweiz hat mich erzogen, gebildet und zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Nebst meiner persönlichen Abneigung gegen Gewalt, bin ich dennoch bereit den Militärdienst für mein Land zu leisten. Ich tue es aus Pflichtgefühl.
Zum Teil erfüllt es für mich Stolz, der mir Tränen in die Augen treibt. Doch es erfüllt mich ebenso mit Hass gegenüber all jenen Menschen, welche uns Rekruten im Militärdienst vorgesetzt werden und ihre Macht skrupellos ausnutzen. Im Militär findet sich immer ein Idiot, der es liebt seine Rekruten unnötig zu plagen. So auch bei uns. Es gibt Vorgesetzte, die wir Rekruten wie eine falsche Schlange verabscheuen.
Der Respekt vor den Vorgesetzten führt dazu, dass man als Rekrut Befehle nicht hinterfragt, sondern schlicht und einfach ausführt. Im Militär gibt es kein Wenn und Aber. Mir persönlich gefällt es nicht. Ich mag es nicht angeschrien zu werden, ich hasse es morgens um 05.00 Uhr aufstehen zu müssen und bis 23.00 Uhr auf den Beinen zu sein. Doch eher mache ich dies, als dass ich dem Staat elf Jahre lang 3 % meines jährlichen Einkommens überlasse. Apropos Bezahlung; diese ist im Militär miserabel. Für rund 16 Arbeitsstunden pro Tag erhalte ich 62 Franken EO-Entschädigung sowie 4 Franken Sold. Wegen dem Geld mache ich das Militär also sicherlich nicht... dennoch erhalte ich während zehn Monaten als Durchdiener in der Infanterieschule in Birmensdorf gesamthaft rund 20’000 Franken.
Damit lässt es sich gut für ein halbes Jahr in Australien leben. Das Militär steht man nur durch, wenn man einen Plan für das Leben danach bereithält. Ich kann den Militärdienst nur durchstehen, wenn ich meinen ganz persönlichen Lebenstraum jeden Tag ein kleines bisschen näherkommen sehe. Was meinen Plan betrifft; ich werde nach Australien reisen und dort mindestens ein halbes Jahr verbringen. Was meinen Traum betrifft, den ich seit einigen Jahren hege und pflege, so kommt auch dieser Tag für Tag näher und wird irgendwann zur Wirklichkeit werden.
Es ist mein Traum für einige Jahre aus dem Rucksack zu leben, das Leben zu geniessen, die Welt zu sehen, billig leben, und grosszügig Erfahrungen zu machen, neue Kulturen und Religionen zu entdecken, neues zu lernen, altes loszulassen und jeden Moment in vollen Zügen zu geniessen. Ich wünsche mir eine freie und tolerante Welt. Die kann mir der Militärdienst nicht bieten, dennoch kann ich dort Freunde finden, welche die gleiche Meinung wie ich teilen und mit mir gemeinsam die Welt verändern möchten.