Vorsatz: Mehr lesen. Von Frauen.
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Vorsatz: Mehr lesen. Von Frauen.

Normalerweise betrete ich diese wunderbare weisse Leere begeistert und ohne Vorsätze, bin ich doch in einem Alter, in dem einen die Erfahrung längst gelehrt hat, dass Vorsätze früher oder später einen leisen Tod sterben. Doch dieses Jahr ist es anders. Ich habe so viele Vorsätze wie noch nie, und ich habe die feste Absicht, jedem einzelnen davon eine gute Überlebenschance zu geben. Ganz besonders einem.


Ich werde mehr lesen. Und zwar ganz bewusst Bücher von Autorinnen. Das hat einen Grund. Meine Tochter hat mir zum Geburtstag das Buch «FRAUEN LITERATUR» von Nicole Seifert geschenkt (erschienen bei Kiepenheuer&Witsch). Mit folgender Bemerkung: «Das könnte eine furchtbar frustrierende Lektüre für dich werden, aber ich finde, du solltest es trotzdem unbedingt lesen.» Nun, ich bin eine schreibende Frau, ich kenne unsere Situation und wusste daher, dass meine Tochter recht hatte und ich auf wenig Erbauendes stossen würde, aber was ich dann gelesen habe, hat mich vor Zorn zuweilen fast in den Tisch beissen lassen und öfters traten mir auch Tränen in die Augen.  


Nicht aus Selbstmitleid, sondern aus Mitgefühl mit all den wunderbaren Autorinnen, denen zu Lebzeiten und oft auch darüber hinaus kein Platz in der Literaturgeschichte zugestanden wurde. Aus Mitgefühl mit all den Autorinnen, die auf persönlicher Ebene von meistens männlichen Kritikern verbal niedergemäht wurden. Aus Mitgefühl mit all den Autorinnen, die nur eins wollten: ernst genommen werden als Autorin. Und manchmal auch einfach nur und ein eigenes Zimmer zum Schreiben. Das wird übrigens das erste Buch sein, mit dem ich meinen Vorsatz umsetzen werde: «Ein Zimmer für sich allein / Ein eigenes Zimmer» von Virginia Woolf.

Während ich das Buch las, war ich aber auch sehr stolz auf unseren da bux Verlag, weil wir eine Mann-Frau Quote von je 50 Prozent haben, sprich, von den vier Büchern, die wir jedes Jahr veröffentlichen, stammen zwei von Autorinnen und zwei von Autoren. Wenn Sie jetzt denken, so was sei doch selbstverständlich: nein, leider nicht. Und wenn Sie mir gerade ganz dringend zurufen wollen: «Es ist sowieso nur die Qualität, die zählt», dann werde ich Ihnen eine weitere Illusion zerschlagen müssen: Stimmt nicht. Auch das konnte in unzähligen Experimenten und Studien widerlegt werden. Zwei Beispiele aus dem Buch:

Die Autorin Catherine Nichols hat einen von ihr verfassten Text an Literaturagenturen geschickt – fünfzig Mal unter dem eigenen Namen, fünfzig Mal unter einem männlichen Pseudonym. Während man ihr männliches Alter Ego siebzehnmal um das vollständige Manuskript gebeten hat, erhielt die Autorin nur gerade zwei solche Anfragen. Interessant waren auch die Begründungen. Den Mann lobte man, der Text sei «gut konstruiert» und «clever»; der Frau Autorin beschied man, der Text sei nicht gut genug, wenn auch «schön geschrieben.»


Oder: Für den Berliner Literaturwettbewerb wurden die Einsendungen anonymisiert. Von den so ausgewählten Finalist*innen waren vier Männer und sechzehn Frauen. Ein ähnliches Ergebnis gab es auch bei einem anderen anonymisierten Vorauswahlverfahren für einen Hamburger Literaturpreis in der Sparte Comic. Sind die Auswahlverfahren nicht anonymisiert, kommen Frauen auf 15 Prozent aller Literaturnobelpreise oder auf 15 Prozent aller Georg-Büchner-Preise.

Hier könnte man ein weiteres Gegenargument anführen: «Aber früher haben halt fast keine Frauen geschrieben.» Auch das wird im Buch widerlegt – und dann wird es ganz hässlich. Autorinnen aus früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten wurden viel zu oft nicht ernst genommen, abgewertet und ins Vergessen geschwiegen.

In den Medien werden auch heute noch mehr Bücher von Männern als Frauen besprochen, fallen Rezensionen für Bücher von Männern länger aus, aber es tut sich langsam etwas. Nicht nur in Sachen Bücher von Autorinnen, sondern ganz generell in Sachen Diversität. Das ist gut und wichtig so.


PS: Als eines meiner nächsten Projekte werde ich ein Experiment aus dem Buch nachstellen. Ich werde Bücher von Autoren mit den Buchrücken nach hinten ins Regal stellen, sodass man von diesen Büchern den Schnitt sieht, also sozusagen eine weisse Leere. Sichtbar sollen nur die Rücken der Bücher von Autor*innen sein. Ich bin ängstlich gespannt, wie das aussehen wird.

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