Von der Kunst des Zuhörens
Bild/Illu/Video: Lucas J. Fritz

Von der Kunst des Zuhörens

Unsere Welt ist laut. In uns drin ist es laut, weil wir uns in einer chronisch lärmigen Welt befinden. Durch unser ständiges Hin und Her, Auf und Ab, Vor und Zurück kommen wir kaum noch zur Ruhe. Man stelle sich, man wäre so ein armes Schwein, eingepfercht in so etwas eckiges, mit Beton über dem Kopf, Wasser aus der Wand und künstlichem Licht aus einem Schlauch, was insgesamt ein Ort des Wohnens genannt wird, umgeben vom kumulierten Lärm der anderen, nie zur Ruhe kommend, beständig im Hamsterrad ratternd, brav zur Arbeit fahrend und gezwungen, diesem Lärm ohne eigenen Willen Gehör zu leisten. Euch Menschen, deren Leben ich gerade beschrieben habe - dieser Beitrag ist genauso für euch... auch für jene Menschen in der Bewusstwerdung, um die Vergänglichkeit des Lebens und der Achtung vor sich Selbst und damit vor dem Leben.


Für euch alle, fühlt euch angesprochen und verstanden, denn ihr seid es.


Die Kunst des Zuhörens ist einfach... innezuhalten im Äusseren, nichts, wahrhaft und wirklich gar nichts zu tun, den Körper in eine angenehme Position zu bringen (sitzen, stehen, liegen, sehr langsam laufen usw.) einige Male tief ein- und auszuatmen, dabei bewusst auf die einzelnen Atemzüge zu achten, vielleicht noch kurz die Augen zu schliessen und danach unbedingt nur noch zuzuhören. Dein Kopf wird sich zu Beginn ununterbrochen melden, mit Informationen, Gedanken und vielleicht sogar gedachten aber nicht wirklich empfundenen Gefühlen, sodass du dich möglicherweise überrannt fühlst. Halte durch, bleib dran, tue nichts ausser zuzuhören. Hör dem Lärm in deinem Kopf zu, schau wie er langsam weniger wird und siehe welche Schönheit sich auszubreiten scheint, in dem Moment, in dem dies geschieht. Gibt man dem Verstand keine neue Nahrung (Informationen) mehr, wird er irgendwann nichts mehr zu kauen haben (Neue Gedankenbildung), sodass irgendwann einmal alles heruntergeschluckt worden ist und dieser Kumul an Gedanken endlich in Ruhe verdaut (reflektiert, verarbeitet, abgespeichert, vergessen) werden kann.


Dies war erst der Anfang des Zuhörens. Wer zuhört, der lernt sich und die Welt neu und auf andere Weise kennen, sodass sich Meinungen und Glaubensgrundsätze beständig verändern. Indem du zuhörst bleibst du dir selbst treu, weil du auf deine eigene Veränderung achtest und dich ihr fügst, weil es nur Nutzen hat. Die Realität mag bei einigen manchmal bei anderen nahezu immer unschön sein, doch indem du beginnst zuzuhören, mit einer Viertelstunde anfangend (die jeder, der wirklich lernen möchte zu entbehren weiss), wirst du merken, wie gut es tut, einfach einmal nichts zu tun und loszulassen und der stillen, leeren Fülle ihren rechtmässigen Platz im Leben zu belassen.


Wer zuhört, verändert unweigerlich seine Wirklichkeit. Wer immer nur seinem eigenen Geschwätz Gehör schenkt, sich wörtlich gerne selbst hört, wächst nicht, sondern stagniert. Stagnation ist in der Natur der Tod. So viele Menschen wandelnd innerlich längst abgestorben und leer auf unserer Welt. Wie viele sind wir noch... wir nach Achtung und Bewusstwerdung strebenden Individuen?

Anstatt den Kopf beständig mit einer Unmenge an Informationen (Medien, Bücher, Filme, Geschwätz der Anderen usw.) zu überfluten, wäre da auch noch der Ansatz der bewussten Informationendiät, welcher auf freiwilligem Verzicht auf einen Grossteil der täglich auf uns einströmenden Informationsflut beruht. Damit wäre auch das Problem des gedanklichen zu-Ende-Kauens vor dem eigentlichen Zuhören gelöst. So kämen du, ich, ja wir alle zügiger zum schönen Teil dieses Erholungsrituals und würden es über Zeit nicht mehr als Erholungsritual, sondern vielleicht als «Lernen durch Zuhören» bezeichnen.


Wie immer und überall werde ich auch hier auf taube Ohren stossen, doch wenn ich nur Dich dazu bewegen kann, ein einziges Mal in dich selbst hineinzuhören, zu warten, geduldig zu sein und ein einziges Mal die Schönheit der Welt still in ihrer ganzen Fülle zu betrachten und erfahren, so war diese meine Worte nicht vergebens. Vergiss nie, dass den Mutigen die Welt gehört und den Geduldigen der Reichtum der eigenen Seele geschenkt wird.


Alles im Leben nimmt und gibt ununterbrochen. So auch die Kunst des Zuhörens. Sie nimmt dir etwas Zeit, Geduld und Warten. Sie gibt dir jedoch davon um ein Vielfaches mehr an innerer Kraft und Standhaftigkeit durch gedankliche Stille, eröffnet dir neue Horizonte und kann dir die Schönheit der Natur offenbaren.


Zuhören hat mir Demut und Achtung vor der Welt und dem eigenen Ich beigebracht. Ohne Worte geschah der Wandel, ohne Lärm verwandelte sich meine Welt auf magischste Weise. Diese stille Stimme der Welt, der ursprünglichen und naturbelassenen Orte, führte mich in eine neue Welt, eine neue Lebensphase spiralförmig gen Hoffnung und Angstlosigkeit zu. Vielleicht führt sie dich an denselben Ort, vielleicht aber auch in eine ganz andere Wirklichkeit.


Es ist dein eigenes Leben, tue damit was du willst, in beständiger Achtung vor dir selbst und Achtung vor allen anderen. Jeder ist ein Egoist, sei dir dessen bewusst, manche mehr oder weniger stark ausgeprägt. Sei mit dir selbst zuerst im Reinen, so stehst du auf beiden Beinen mit guten Stand auf der Erde und kannst ein Leuchtturm bei Nacht und Nebel sein, der den scheinbar hoffnungslos verlorenen Schiffen des Meeres den Weg in den sicheren Hafen weist.

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