Wie wertvoll sind Erinnerungen?
Bild/Illu/Video: Stefan Schwarz

Wie wertvoll sind Erinnerungen?

Wir Menschen sind im Stande, Erinnerungen verfälscht abzuspeichern, ohne das wir uns dessen bewusst sind. Das macht das Gehirn ganz automatisch, zum Beispiel um unangenehme Situationen zu verdrängen oder ganz einfach, weil die persönlichen Gedanken mit einfliessen. Erinnerungen sind immer gemischt mit der persönlichen Einstellung, den Erwartungen und den Gefühlen einer Person. Ein einfaches Beispiel, das vermutlich einige kennen: Als Kind machen Sie eine Wanderung mit ihren Eltern. Sie haben absolut keine Lust darauf und jammern die ganze Zeit. Die Wanderung kommt Ihnen unendlich lange vor. Später, wenn sie älter sind, machen Sie nochmals die gleiche Wanderung. Nun wird Ihnen sehr wahrscheinlich auffallen, dass die Strecke gar nicht so lange ist, wie Sie es in Erinnerung hatten. Und doch ist es genau der gleiche Weg. Als Kind kommen einem Dinge sowieso viel länger und grösser vor als einem Erwachsenen.


Es kann leicht passieren, dass man sich zu stark auf das Festhalten von Erlebnissen konzentriert und so den wahren Moment verpasst. Durch das Aufkommen der Smartphones wurde dieses Verhalten noch stärker hervorgerufen. Früher konnte man nur wenige Fotos machen und auch nicht jeder konnte sich eine Fotografie leisten. So wurden nur die wichtigsten Erlebnisse festgehalten und man überlegte sich genau, welche Erlebnisse einem Foto für die Erinnerung gerecht waren.


Heutzutage machen wir ständig und von allem Fotos. So kommt es, dass man etliche Bilder auf seinem Smartphone besitzt, denen man nach ein paar Minuten wahrscheinlich nie wieder Aufmerksamkeit schenkt. Doch warum machen wir das? Wir wollen keinen Moment in unserem Leben verpassen und somit wohlmöglich vergessen. Jedes kleine Detail wird festgehalten, doch so verliert man den Fokus auf die wirklich schönen Dinge. Zudem verpasst man den wahren Moment.


Hierzu ein persönliches Beispiel: Mit zwölf Jahren war ich das erste Mal auf einem Konzert. Ich war ein grosser Fan von dem Sänger und habe fast jedes Lied mitgefilmt, um ja nichts zu verpassen und später alles gespeichert zu haben. Was kam dabei heraus? Ich konnte das Konzert gar nicht richtig geniessen, da ich nur mit filmen beschäftigt war und die Bühne durch mein Handy gesehen habe. Nach einer Woche haben mich die Videos nicht mehr interessiert und ich habe sie bis heute nicht mehr angeschaut.


Das Problem ist, dass wir den Moment verpassen, nur um Ereignisse festzuhalten. Ich würde behaupten, es lohnt sich viel mehr, ein Erlebnis zu geniessen und das Handy mal ganz zu Hause zu lassen. Wohlmöglich fühlt es sich am Anfang komisch an, doch es lohnt sich. Man nimmt Ereignisse viel intensiver wahr. Und wenn es ein tolles oder wichtiges Erlebnis war, dann werden Sie sich danach daran erinnern. Erinnerungen sind etwas Schönes, jedoch fokussiert man sich zu stark darauf.


Zu meiner Frage zu Beginn des Textes: Ja theoretisch wäre ein Erlebnis gleich wertvoll, auch wenn wir danach keine Erinnerung mehr daran hätten. Denn im Moment des Erlebens hat es uns vermutlich Freude bereitet und das zählt. Jedoch würde bei einer Abstimmung vermutlich herauskommen, dass es nicht so wertvoll wäre. Dies zeigt, dass wir uns zu stark an Vergangenes klammern und nicht im Moment leben.


Es spricht natürlich nichts gegen Familienbilder und Ferienfotos, sowieso sollte jeder für sich selbst entscheiden, was stimmig ist. Dieser Beitrag soll jedoch ein bisschen zum Nachdenken anregen.

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