Summerdays Festival 2022 – Erfahrungsbericht
Nach zwei Tagen Open Air sitze ich nun zu Hause, die Ohren und den Kopf voll, und versuche wie immer, so direkt wie möglich meine eigene Sicht und meine Erlebnisse zu schildern, solange sie noch warm sind.
Vorgeschichte
Schon viele Monate vorher machte mich ein befreundeter Musiker darauf aufmerksam, dass Toto am 26. August in Arbon spielen würden. Eigentlich wäre ich von mir selbst aus gar kein so grosser Toto Fan, aber etliche Bandmitglieder forderten immer wieder, dass wir wenigstens ein oder zwei Stücke dieser Stars ins Programm aufnähmen. «Rosanna», oder «Africa», zum Beispiel. Ich hörte mir vieles von dieser Band genau an, und befand schliesslich die Originale einfach für zu gut, um sie einfach so ein bisschen nachzuspielen.
Obwohl wir mit der Coverband sonst fast alles nachspielten, redete ich ihnen das aber wieder aus.
Toto kann man nicht jammen, jedenfalls ich nicht, und wenn man es originalgetreu nachspielen will, muss man schon verdammt gut sein. Auch für mich als Sänger und Keyboarder wäre es auch einfach viel zu viel Aufwand gewesen, beides miteinander gut zu performen. Nach dem Freitag Abend war mir dann auch klar, warum...
Ich fragte den Chefredakteur, Chris Imhof, ob schon jemand vom Summerdays berichte, und er meinte, Rita Rohner mache immer so schöne Fotos, ich solle doch mit ihr Kontakt aufnehmen, ich könne ja den Text schreiben, was ich auch gleich machte. Rita, schon lange im Business, war einverstanden und schrieb, ich solle beide akkreditieren lassen, das sei kein Problem.
Da ich noch wenig Erfahrung damit habe, schaute ich auf der Summerdays Homepage, und da stand einfach, dass Mitte Sommer ein Formular aufgeschaltet werde, wenn ich mich recht entsinne. Mitte Sommer war verstrichen, jedoch Formular fand ich nirgends, ich schrieb also einfach ein Mail, das nicht beantwortet wurde.
Rita wusste auch keinen Rat, und war auch gar nicht so sicher, ob sie dann überhaupt könnte, also fragte ich spontan meinen Untermieter Dani an, den Fotos waren sein Hobby.
Ich trug drei Leute ins Formular ein, als es endlich online geschaltet wurde. Oh Gott, was wäre, wenn ich einen Fehler eintragen würde?
Dann kam lange keine Antwort. Ich schrieb ein Mail, Rita schrieb auch, wie sie mir gestern erzählt hatte, und dann rief ich noch an.
Eine freundliche Open Air Mitarbeiterin beschied mir, dass sie es nicht wisse, ob und wann die Tickets für uns kämen, die Chefin sei ausser Haus. Ausserdem stelle man die Tickets erst Anfangs Woche davor aus, weil ja viele diese wieder verlieren würden und so weiter. Doch die PR-Chefin würde sich bei mir melden. Na sauber... Wir wussten also nicht, ob wir überhaupt reinkämen, und ich war natürlich sehr nervös.
Am Montag rief mich noch eine Kundin an, die wollte, dass ich für den 50. Geburi ihres Mannes Piano spiele und singe, am Freitag. Da ich schon gar nicht mehr mit den Tickets gerechnet hatte, sagte ich zu. Einfach sicherheitshalber nur bis halb zehn, damit ich so endlich Toto einmal live erleben konnte.
Am Mittwoch, dem 24. August, also 2 Tage davor kamen sie dann endlich per Mail, die ersehnten Eintritte. Normalerweise hätte der Abend 106.- gekostet, was schon nicht ganz billig ist, aber die Preise sind gestiegen, und all die Bands und Veranstalter hatten ja auch nicht gerade rosige Zeiten hinter sich, obwohl Summerdays 2021 mit Zertifikatspflicht durchgeführt worden war.
Freitag, 26. August
Ehrlich gesagt bin ich an diesem Freitag Mittag kurz vor dem Start fast ein bisschen überfordert. Ich hatte natürlich alle Vorschriften gelesen, was man dürfe und was nicht, jedoch wie das jetzt wieder für einen Kameramann gehen sollte, weiss ich bis heute nicht.
Stative, Selfie-Sticks, Getränke verboten, ausser einem halben Liter in Pet-Flaschen oder Kartons? Auch einen Raum für die Presse gebe es nicht, Toto dürfe man nicht filmen und und und...
Ich habe an diesem Freitag Mittag nicht wirklich Ahnung, wie das alles gehen soll. Zudem kam ich noch auf die glorreiche Idee, dass Dani ja auch mich filmen könne, um so Videos ins Netz zu stellen, was ich noch nie gemacht hatte. Nicht einmal Selfies...
Egal, ich fahre mit Dani los, der verschiedene Kameras und ein Smartphone dabei hat, ich selbst zwei Handys und das Auto mit E-Piano und Box geladen.
Zuerst fahren wir nach Horn, wo ich wieder um 16.45 sein muss und stellen meine Instrumente auf, damit ich nachher weniger Stress habe, so mein Gedanke.
Alles voll nobel und exklusiv eingerichtet in diesem Villen-Garten, mit Swimming Pool, Palmen, und ich komme mit Open Air kompatiblen kurzen Bauarbeiterhosen und Sicherheitsschuhen, um aufzustellen.
Doch die Dame, die mich engagiert hat, ist sehr freundlich und dankbar, dass ich so flexibel sei und beides, die Berichterstattung und das Summerdays unter einen Hut bringen könne. Es werde aber fast sicher Regnen oder sogar stürmen, und sie würden mir einfach dann helfen, das E-Piano und den Verstärker zu zügeln. Oh Gott, denke ich mir, am Schluss kriege ich noch einen Elektroschock, wenn der Blitz in den Pool einschlägt...
Es ist etwa halb drei, als wir in Arbon ankommen.
Ein Parkplatz wird uns, zu meinem Erschrecken, etwa 10 min Fussmarsch vom Eingang entfernt zugewiesen, - fast die ganze Strasse ist schon voll. Für 2 Tage kostet er 25.-, was ich auch anstandslos bezahle. Schade natürlich, gab es weder Presseparkplatz noch irgendeinen Presseraum.
Auf dem Weg dahin und auch später immer wieder, drehen wir kurze Handyvideos, die wir auf meinen Facebook-Account hochladen, was übrigens von Danis Handy gar nicht so einfach direkt geht. Er muss mich markieren. Diese Videos hat eigentlich niemand von uns erwartet, und wir machen es auch nicht, weil ich ein «Topmoppel» bin und derart gut vor einer Kamera sprechen kann, sondern, weil ich es selbst noch schön fände, bekäme ich immer so zwischendurch einen Live-Bericht nach Hause geliefert.
Ich muss dazu gestehen, dass ich mich bis anhin noch nie getraut hatte, (wahrscheinlich schon aus guten ästhetischen Gründen), Selfies oder gar Filme von mir einfach so ins Netz zu stellen.
Alleine, ohne dass ich es vorher – eher aus Leichtsinn – Dani so angesagt hätte, hätte ich es wahrscheinlich gar nie getan. Vielleicht wäre ich nicht einmal unter die vielen Leute gegangen, was eigentlich ein weiterer Stressor für mich ist. Somit habe ich mich selbst eigentlich unter Druck gesetzt, wieder einen Schritt aus meinem Schneckenloch heraus zu kriechen.
Was hat man denn eigentlich zu verlieren, ausser den eigenen Vermeidungsstrategien und Ängsten? Dann sollen sie halt lachen, na und? Der Song «Wunderschön» des Chefredakteurs von Qultur hat mich übrigens auch dazu ermuntert. Der dauerrauchende Altkanzler Schmidt sagte einmal provokant: «Die einen kennen mich, die andern können mich».
Wir sind drin!
Am Eingang tauschen wir unsere Tickets gegen Bändel, auf die man Guthaben laden kann. Im Gelände ist es nur erlaubt, damit zu bezahlen, Bargeld wird nicht angenommen. Also eigentlich muss man etwas aufladen, denn man verdurstet ja sonst. Lebensmittel mitzunehmen ist ja auch verboten.
Am Eingang werden alle durchsucht und müssen ihre Taschen leeren. Ich bin so oder so schon nervös. Was ist, wenn sie uns jetzt trotzdem nicht hereinlassen, wegen eines Stativs, eines Selfie-Sticks oder so? Doch die junge, hübsche Securitas Mitarbeiterin lässt Milde walten, als ich sage, wir seien von der Presse.
Mein Bändel funktioniert natürlich nicht, fünfmal muss ich zurück. Immer bei mir, wenn ich nervös bin, spinnt alle Elektronik. Jemand kommt mit einem Handscanner und siehe da: Hallelujah, die erste Hürde ist auch geschafft!
Überall rund herum stehen äusserst verlockende Bars und Essstände. Hunger habe ich nicht, doch den erlaubten halben Liter hatte ich nur schon für den Weg in der prallen Sonne und zum Anstehen verbraucht. Ein halber Liter auf 2 km geht noch, oder?
4dl Bier kosteten 7 Franken 50, plus 2 Franken Depot für den Becher und einen Jeton, den ich vor lauter Aufregung schon zwei Minuten später nicht mehr finde.
Es gibt verschiedene Zelte mit Sitzgelegenheiten im Schatten. In einem Zelt spielt eine Coverband, deren Namen ich nicht mitschnitt. Sie spielen gut, ich denke, sie sind unterstützt mit Playbacks.
Die Hälfte des Konzertes von Nik Kershaw, der um 16.00 begonnen hat, verpassen wir, weil wir im Schatten sitzen und ich mit Dani das weitere Vorgehen bespreche. Wohlgemerkt: Wir machen das zum ersten Mal. Rita schreibt auch noch fragend, wo ich sei, doch Zeit zum Antworten finde ich weder für sie noch auf all die Kommentare unter den ersten FB-Videos, die ich übermütig erstellt hatte.
Zuerst kapieren wir auch gar nicht, dass da auf der Hauptbühne schon etwas läuft, es klingt nämlich wie aus der Konserve.
Mein Gehirn rattert auf Hochtouren, und vor allem stehe ich ja unter Zeitdruck, denn um spätestens halb fünf muss ich ja schon wieder los, für meinen eigenen Gig an dieser Geburtstagsfeier, an welchen ich schliesslich prompt eine Viertelstunde zu spät komme, - doch gottseidank sind noch keine Gäste da. Ich ziehe mich kurz um, mein Gehirn schaltet komplett aus und ich spiele zu aller Zufriedenheit mehr oder weniger aus den Ganglien des Rückenmarks. Eine wunderbare Sängerin wünscht noch, dass ich sie begleite, - Songs, die ich noch nie gespielt habe und die ich mir kurz per Internet anhöre, um sie wenigstens der Spur nach begleiten zu können, doch es klappt recht gut.
Während einer kurzen Pause höre ich von weitem Klänge des Summerdays nach Horn herüberschwappen: Stephan Eicher performt Hanery Ammans «D'Rosmarie und i», - eigentlich einer meiner Lieblingssongs, den ich auch selbst spiele. «Rumpelstilz, live im Anker» ist und bleibt eine meiner Lieblingsplatten, und ich durfte auch einmal Hanery im Auftrag engagieren. Damals sprach man nicht mit einem Musikmanager, sondern ich telefonierte fünf Mal mit Hanery oder er mit mir und er wollte ums Verrecken nicht am
St.Gallerfest spielen, und schon gar nicht zu diesem Preis. Doch als ich ihm meine Klavierversion seines Songs auf Wunsch schickte, rief er mich fünf Minuten später an und sagte: «I chume». Ich werde es nie vergessen. «Max, du bisch en geile Siech, mir chöme.» Als ich die Version von Stephan Eicher von der Ferne gehört habe, tat mir ehrlich gesagt das Herz weh, denn der Song ist im Original dermassen brillant am Piano gespielt, und die Stilzen begleiteten das für meinen Geschmack so natürlich, und dann noch Polos Stimme...
Ich erinnere mich gerne an den wunderbaren Abend mit Hanery, der schon damals nur noch einen Lungenflügel hatte, und was er zu Covers seiner Songs gemeint hatte. Eichers Version ist dagegen für mich nur seichte Popmusik, tut mir leid. Aber schön, lebt der Song weiter.
Meine Pause an der Geburtsatgsparty ist vorbei und ich spiele wie zum Trotz den Song, wie er eher wäre. Er fährt allen ein, und dann lege ich noch «Hemmige» nach, ursprünglich ein Mani Matter Song, bei welchem jetzt aber tatsächlich die Version von Stephan Eicher als Ragtime hervorragend funktioniert.
Wie vorhergesagt beginnt es tatsächlich zu stürmen, wir zügeln alles unter eine offene Veranda, wo es trotzdem stürmt und ich immer Angst habe, dass es gleich Kurzschlüsse geben wird, - aber es geht wundersamerweise alles gut.
Ich darf mitessen, die Stimmung ist hervorragend, sogar so gut, dass man mich fast nicht mehr gehen lassen möchte. Ausserdem regnet es in Strömen und Einladen ist bei dieser Sintflut zu gefährlich.
In Windeseile packe ich um viertel nach zehn zusammen und rase los, zurück ans Open Air. Toto!
Mit Dani, dem Kameramann, hatte ich beim grossen Turm vor der Bühne um 22.00 abgemacht, doch der antwortet weder auf meine Anrufe noch Whatsapp. Wie sich später herausstellt, hatte er sein Handy zum Filmen auf Flugmodus gestellt.
Pegasus und Stephan Eicher habe ich natürlich verpasst, das wusste ich schon vorher.
Pegasus kenne ich eh schon einst aus Locarno, gut gemachte Schweizer Popmusik, aber nicht mein Favorit, kurz gesagt.
Stephan Eicher hätte ich trotzdem gerne gehört.
Ein paar Bekanntschaften erzählen mir nachher, dass sein Auftritt rockiger als früher gewesen sei. Auch Dani ist davon überzeugt, als ich ihn dann später wiederfinde.
Zurück in Arbon
Doch der Reihe nach: Ich hetze also zum Open Air, - einen Parkplatz finde ich dieses Mal näher, direkt beim Bahnhof -, doch die Leute kommen mir scharenweise entgegen. Alle tragen weisse Regenmäntel mit Migros Logo bis zu den Knöcheln und sehen aus wie der Ku Klux Klan, einfach ohne Fackeln.
Ich frage einige, ob denn Toto nicht spiele. «Doch, doch», meinen sie, «aber es regnet!»
Irgendwie unglaublich, nicht? Da spielt eine der besten Bands der Welt endlich in Arbon, man bezahlt dafür über hundert Franken, aber weil es regnet, geht man nach Hause?
Obwohl das Publikum sogar noch gratis einen Regenschutz bekommen hat und es fast noch sommerliche Temperaturen hat? So etwas entzieht sich meinem Verständnis.
Eine Bekannte sagt mir im kurzen Gespräch, dass sie hier sei, wegen der lässigen Stimmung, um Leute zu treffen, – Toto kenne sie kaum. Aber auf Lo&Leduc, darauf freue sie sich morgen. Ich lache laut heraus.
TOTO
Als ich endlich vorne bin, ist Dani nicht da. Kein Wunder, ich bin ja mindestens eine halbe Stunde zu spät. Dafür treffe ich am Treffpunkt zufälligerweise auf Massimo Buonanno, einen seit Längerem international bekannten Drummer (Seven, Sing meinen Song, Max Giesinger, Claude Diallo, Power Play Studios uvm.), ein absoluter Virtuose seines Fachs, den ich schon von früher kenne und mit dem ich schon ein paarmal glücklicherweise auf der Bühne jammen durfte. Vor lauter «Toto nicht verpassen» und «Dani suchen» bin ich gerade peinlicherweise zu verwirrt, die Gelegenheit zu nutzen, und ihm ein paar Fragen zu stellen und haste nach einem kurzen «Hallo» weiter noch vorne.
Doch da sind sie: TOTO! Der Sound tischt mich weg. Gleich zwei Keyboarder, ein Perkussionist, - beinahe ein zweiter Drummer -, ein Sänger, ein Gitarrist und ein Multinstrumentalist harmonieren perfekt zusammen. Die Songs sind ausgefeilt bis zum Gehtnichtmehr, zugleich eingängig, mitreissend, aber auch äusserst komplex in ihrer Struktur.
Der gesamte Mix kommt so satt herüber, dass einem einfach die Spucke wegbleibt. Ausser Steve Lukeather an der Gitarre und dem Frontsänger Joseph Williams singen auch alle anderen hervorragend, die Chöre kommen wie ab Platte.
Besonders der Keyboarder und Sänger Dominique «Xavier» Taplin, der einige Zeit bei Prince war, erscheint mir unglaublich vielseitig und schlicht perfekt. Seine Kopfstimme ragt heraus, und dazu spielt er Licks, die sich gewaschen haben. Das Publikum ist begeistert. Die Rhythmus Section klingt, auch bis aufs kleinste Detail arrangiert, schier übermenschlich und der Bassist John Pierce, ehemals «Huey Lewis and the News» bläst einem die Rübe weg, dermassen tight nagelt er den Bass auf die Drums. Es sind einfach alles fantastische Musiker, die dem Zufall keinen Platz lassen. Für die Medien hiess es vorgängig, dass bei dieser Band nicht gefilmt werden dürfe. Bei strömendem Regen, was mir völlig egal ist, bringen sie ausser ihren eigenen, neu arrangierten alten Hits, welche sie virtuos ausbauen, auch noch den Klassiker «With a little help from my friends». Die beste Version, die ich je gehört habe.
Wie ich schon einmal erwähnt hatte: Ich bin nicht so ein Namensfetischist, ich kenne nicht alle Berühmtheiten beim Namen, die hier mitspielen, - das kann man auch selbst nachschauen -, aber ich höre Musik intensiv und sowohl analytisch, wenn es sein soll, als auch im Gesamteindruck. Diese neue Besetzung hat sich auf jeden Fall vollends meiner Meinung nach gelohnt. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, war absolute Weltklasse.
Roy Bianco und die Abrunzati Boys
Zwischendurch komme ich endlich dazu, Rita, der Qultur-Fotografin zu antworten, wo ich bin, doch auch sie ist schon zu Hause.
Während der Umbaupause streife ich durchs Gelände und suche meinen Kumpanen, den ich nach einiger Zeit finde. Auch er trägt keinen Regenschutz, und wenn sein kunstvoll selbstgebastelter Hut nicht im Dunkeln geleuchtet hätte, hätte ich ihn wohl nie wieder getroffen. Wir suchen irgendwo ein trockenes Plätzchen unter einem Zelt. Beide sind total durchnässt: Ich habe mittlerweile auch eine weisse Migros-Pellerine an, damit meine Smartphones im Bauchtäschchen nicht nass werden. Als ich nicht da war, hatte Dani Bilder geschossen und sogar auch Leute interviewt. Stephan Eicher hat ihm sehr getaugt, Toto natürlich auch.
Alle zwei Minuten wird er, als wir so sitzen, auf seinen Hut angesprochen, durchwegs positive Reaktionen. Beide feucht hinter den Ohren, eigentlich klatschnass, begeben wir uns dann wieder zur Bühne.
Das Publikum hat sich sehr gelichtet und es bewegen sich bei «Roy Bianco und die Abbrunzati Boys» nur mehr geschätzte 200 Leute vor der Bühne, die meisten im Ku Klux Klan Regenschutz. Es sieht richtig gespenstisch aus, aber wenn sie tanzen, können wir nicht mehr anders, als Tränen zu lachen.
Die Band persifliert Italo-Schlagerbands, soweit ich verstanden habe. In ihren beigen Anzügen bringen sie immer wieder zwischendurch Witze, schalten «Werbung», und geben dann wieder mit vielfältigen Rhythmen, teilweise ab Konserve, wie ich vermute, aber nicht unterstellen möchte, Vollgas. Der Gesang der deutschstämmigen Band wie auch die musikalische Leistung ist wirklich nicht zu bemängeln.
Obwohl ich noch in der weissen Pellerine ein Regentänzchen zu einem Samba hinlege, bin ich eigentlich wirklich müde. Als Dani seine Geräte wegen Nässe nicht mehr bedienen kann und mein Handy meinen Fingerabdruck nicht mehr erkennt, beschliessen wir, es für heute gut sein zu lassen und fahren nach Hause, ohne das Ende abzuwarten.
Sa, 27. August
Da ich mich derlei Strapazen kaum mehr gewohnt bin, spüre ich die letzte Nacht immer noch in den Knochen, als wir wie abgemacht erst um 14.00 aus St. Gallen losfahren.
Das erste Konzert, Joya Marleen, beginnt zwar schon um 13.00, jedoch verpassen wir das, zugunsten des Schönheitsschlafes.
Da nirgends an der ganzen Strasse, die quer zum Bahnhof verläuft, auch nur ein Parkplatz frei ist, lade ich Dani mit Gepäck schon einmal aus und suche selbst nach einer Parkgelegenheit.
Schliesslich fahre ich auf den VIP-Parkplatz, welcher aber auch schon voll ist. Ich kurble die Scheibe herunter und werde gefragt, ob ich Musiker sei.
Ohne zu lügen zeige ich auf mein E-Piano und die Gitarre, die immer noch im Kofferraum liegen und werde gnädigerweise zu einem Firmenparkplatz geleitet. Die Sonne brennt wieder hell, als ich - schon ziemlich griesgrämig und wieder verschwitzt - zum Gelände marschiere. Auch den zweiten Act, Baba Shrimps verpasse ich dadurch, doch manche Bekannte, deren ich zuhauf traf, meinten, es sei nicht unbedingt der Rede wert gewesen. Andere fanden es erstklassig.
Ich höre mir ein paar Songs von ihnen auf Spotify an und mir hätte das bestimmt gefallen.
Baba Shrimps ist ein junges Zürcher Trio, das zeitgenössische Popmusik macht. Mit ihrem Debütalbum kamen sie 2014 in die CH-Charts.
Bevor ich meinen Kameramann finde, schreibt mir Rita wieder einmal, wo sie ist. Die Qultur-Fotografin Rita, welche ich nun endlich persönlich im Schatten unter einem Zelt treffe.
Sie sei schon viele Jahre bei Qultur, erzählt mir die bereits pensionierte, ruhige Frau mit den kurzen, schneeweissen Haaren. Ein wenig misstrauisch mustert sie mich von Kopf bis Fuss, als wir miteinander plaudern, - ich schon wieder auf Hochtouren, damit ich auch mit den Selfievideos fortfahren kann, sie die Gelassenheit in Person. «Joya Marleen» sei toll gewesen, meint sie, und auch ihr Begleiter nickt. Sie habe den Swiss Music Award gewonnen, (Best Talent, Best Female Act, Best Hit: Nightmare) und sei jetzt 19 Jahre alt. Sie stammt aus St. Gallen, und ich kenne einen einzigen Titel von ihr, was für eine Schande.
Ich werde im Verlauf des Abends noch mehrere Leute zu Joyas Performance befragen, und ich muss sagen, die Meinungen waren einhellig: Das Konzert war toll.
Eher zufällig (grins) trudelt irgendwann auch Dani ein, der Baba Shrimps fotografiert hat, während ich einen Parkplatz suchte.
Rita und ihr Begleiter verabschieden sich, um ihren Jeton und das Fläschchen Mineralwasser zurückzugeben, und um nachher im Bühnengraben Alice Merton zu fotografieren.
Alice Merton, 16.15
Vielleicht muss ich mich schämen, aber da ich in der Regel weder Radio höre noch Glotze konsumiere, sagt mir auch dieser Name nichts. Ich google: Wow!
Schon mit 15 gewann Merton Preise, erreichte Topplatzierungen unter den «Global Viral 50». Sie wuchs in verschiedenen Ländern auf, die Mutter eine Deutsche, der Vater ein Ire. Sie verbrachte ihre Kindheit in Kanada, wo sie immer den Wohnort wechselten, zügelte mit 13 nach München, wo sie Deutsch lernte, und dann machte sie ihren Schulabschluss in England, wo auch ihre Eltern lebten. An der Pop-Akademie in Baden-Württenberg studierte sie «Popmusicdesign». Inzwischen in Berlin ansässig gründete sie ihr eigenes Plattenlabel, weil sie niemand haben wollte, wie sie selbst beim Konzert sagt.
2019 war sie das jüngste Jury-Mitglied von «The Voice of Germany». Das alles ist Dani und mir nicht so präsent, als wir uns vor die Bühne bewegen. Die junge Frau bewegt von Anfang an. Die Songs sind zeitgemäss poppig-funky, astrein arrangiert, und sie selbst sprüht vor Energie, Sex-Appeal, Talent und Charme. Sie ist einem auf Anhieb sympathisch, moderiert abwechselnd auf Deutsch und auf Englisch. Auf der Bühne mit ihr befinden sich ein Drummer, dessen Sounds elektronisch verfremdet werden, ein Keyboarder, der auch Background singt, zwischendurch einen Schellenring schüttelt, und ein Gitarrist, der auch toll singt.
Es dauert ein Momentchen, bis ich begreife, dass die Gitarre einen Oktaver benutzt, um den Bass zu spielen, der überaus knackig daherkommt.
Die Stimmung ist von Anfang an unvergesslich. Um mich herum stehen praktisch nur aufgestylte, hübsche junge Mädchen, die beinahe jeden Song mitsingen und begeistert im Takt mithüpfen im Takt, den ihr Idol angibt. Und dieses Vorbild explodiert manchmal regelrecht auf der Bühne, jeder Song ist kraftvoll und poppt richtig. Nach meinem Geschmack übertreibt es der Mischer – oder der Keyboarder, falls das ein Sample war -, ein klitzekleines bisschen mit den Subwoofern, den auf einmal röhrt es dermassen gewaltig, dass die Sängerin und der Gitarrist auf der Bühne zueinanderstehen und grinsen.
Ja, auch hier wieder: Eine tolle Show, ein richtig gutes Konzert.
Jeremy Loops
Endlich habe ich ein gutes Plätzchen rechts vorne vor der Bühne gefunden, wo ich richtig Platz habe. Auch Toiletten befinden sich dort, bei welchen ich nicht stundenlange anstehen muss, sondern direkt rein kann, jedenfalls zum Wasserlassen. Ein wenig befremdlich ist es, denn die Frauen sind nicht getrennt und können den Männern an diesen viergeteilten Pissoirs zusehen. Was solls, mir ist es lieber, als eine halbe Stunde an anzustehen. Wie es wohl bei den grossen Toilettenanlagen etwa in der Mitte des Geländes der Fall ist.
Jeremy Loops beginnt alleine mit einem Looper, doch irgendwie funktioniert die Technik nicht richtig, und statt direkt zu wiederholen, was er eingibt, gibt es eine grosse Verzögerung, was natürlich alles zunichtemacht. Wohl früher als geplant kommt seine Band zu Hilfe, und zusammen mit Loops und Livemusikern geht auch er voll ab, doch mittlerweile muss ich mich einfach wieder einmal setzen.
Ich finde ein freies Plätzchen bei einer Schützengarten Bar. Immer wieder kommen Leute vorbei, die ich schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen habe. Auch die Schwester des Geburtstagskindes von gestern gesellt sich zu mir und offeriert mir ein kühles Nass. Dani kommt auch wieder nach einer Weile. Die Stimmung ist überall hervorragend, und es regnet wider Erwarten nicht.
Max Giesinger
Um unsere Füsse zu schonen, bleiben wir bei Max Giesinger einfach am Platz sitzen. Wir sehen gemütlich auf einer Grossleinwand, was läuft. Man hört es auch gut von da aus. Er spielt seine eigenen, deutschen Songs, die eingängig sind und manchmal, so meint es jedenfalls ein Bekannter, fast ein wenig schnulzig klingen. Ob Massimo am Schlagzeug sitzt, kann ich leider nicht erkennen. Aufhorchen lässt mich, als sie auf einmal Dirty Dancing «Time of my Life» erklingen lassen. Später knallen sie sogar noch «Hier kommt die Sonne» von Rammstein hin.
Dani erzählt mir, dass er in den Graben vor die Bühne durfte, um zu fotografieren, aber nur jeweils drei Songs lang; doch die Sicherheitsleute seien sehr ruppig, er sei sich das nicht gewohnt, und er wisse ja nicht, was er genau dürfe und was nicht. Wir hätten da Rita, die alte Häsin, genauer befragen sollen, im Nachhinein gesehen.
«Coverzelt»
Aus dem Zelt, unter welchem gestern Covers erklangen, schallen auch heute wieder bekannte Songs. Wir gehen zwischendurch immer wieder einmal kurz vorbei und schauen hinein. Platz darin finden wir nicht. Es ist brechend voll und das Publikum brüllt aus vollem Halse Hits wie zum Beispiel Robbie Williams «Angels» mit.
Welch' eine Überraschung: Ich kenne ausser einem jeden der Band, habe sie aber schon lange nicht mehr gesehen. Der Perkussionist Andi Hug sieht mich, obwohl ich nur an der Seite stehe und winkt mir während des Spiels zu. Auch er spielte einmal einen Gig mit. Am Bass: Walo Bartoletto, solide wie immer, kein Ton zuviel, keiner zu wenig. Der Gesang hat sich verdoppelt, seit ich sie, «The Accoustic 4» das letzte Mal gesehen hatte. Nicht nur Markus Oberholzer, wie früher, sondern auch noch Kevin Leuenberger an seiner Seite singen hervorragend.
Den Gitarristen kenne ich glaube ich noch nicht, und weder auf der Homepage noch auf der Facebookseite finde ich jetzt auf die Schnelle gerade seinen Namen.
Was aber keine Frage ist: Das Publikum tobt und ist begeistert. Tolle Leistung und Respekt, die Herren.
George Ezra
Maaaaaadonna, bin ich kaputt. Ich begebe mich wieder rechts vor die Bühne, wo es wie gesagt Platz hat, weil da ein Notausgang ist. Mit meinen Presseausweisen werde ich wohl für einen Türsteher gehalten, denn dauernd werde ich irgend etwas gefragt. Als Dani ankommt, beschliesse ich, etwas zum Trinken zu organisieren. Ich stehe mindestens eine Viertel-, nein eher eine halbe Stunde an, und typischerweise fällt genau, bevor ich endlich an der Reihe bin, der Computer in meiner Kolonne aus. Da einige sehr ungeduldig werden und beinahe zu randalieren beginnen, obwohl die Barkeeper ihr Bestes geben, beruhige ich ein oder zwei Ober-Meuterer ein wenig, worauf mir freundlicherweise zwei Bier geschenkt werden.
Mittlerweile weiss ich, wie ich am schnellsten vor die Bühne gelange: Wenn man rechts dem Seeufer entlanggeht, ist es praktisch immer frei.
Gemütlich nippe ich an meinem Becherchen, als auch Dani auftaucht, bestens gelaunt und chillig wie immer. Ich setze mich auf den Boden beim Notausgang. Es hat erstaunlich viele Kinder um diese Uhrzeit, denn es ist immerhin schon 22.00 Uhr.
George Ezra beginnt zu spielen, und es tut mir einfach richtig gut. Seine fast schwarze Stimme, welche tief aus der Brust, vielleicht sogar aus dem Allerwertesten zu klingen scheint, zusammen mit seinem hervorragenden Gitarrenspiel, seinen eher ruhigen, schönen Kompositionen und der Mitwirkung der gesamten Band begeistert nicht nur mich, sondern auch das gesamte Publikum, das zu den verträumten, poppigen Vibes mitsingt, Feuerzeuge oder Handys hebt oder sich mit geschlossenen Augen im Takt dazu wiegt.
Habe ich eben geschrieben, das gesamte Publikum? Nein, das nicht. Einer vor mir fragt mich recht aggressiv, ob ich das auch 'so einen Bruch fände'. Ich frage zurück, wieso er das denn so empfinde. Der Sound sei doch erstklassig! Er konnte natürlich nicht artikulieren, warum, - er hasste diese wunderbar beruhigende Musik einfach. Das ist an sich kein Problem, bis ein anderer kommt, der Ezra auch als schwach bezeichnet und sie aus purer Langeweile und Ignoranz beginnen, sich zu prügeln, worauf natürlich bald noch mehr mitmachen.
Erneut schlichte ich, indem ich die Streithähne mit einer sogenannten «paradoxen Intervention» ablenke, sodass sie nachher gar nicht mehr wissen, dass sie sich prügeln wollten. Zwei Österreicher, Vater und Sohn, schauen zu, und man schenkt mir erneut ein frischgezapftes Bier mit den Worten: «Du bist da beste Rausschmeissa, den i je gesehen hob, wie Du dös gelöst hosch, ohne Gewolt, nua mit am Kopf...» Ich erkläre, dass ich Reporter sei, und kein Rausschmeisser...
Eine Weile später wollen sie noch, dass Dani von ihnen ein Foto macht, doch die Adressen tauschen sie nicht aus. Ich bin zu müde, sie darauf hinzuweisen und geniesse noch Ezras Töne die letzten Minuten. Auch die Band ist gut, der Bläsersatz zwar viel weniger knackig und wie aus dem Ei gepellt als bei Toto, wo ein Keyboarder und ein Bläser natürlich Kompaktheit auf den Punkt zelebrierten, sondern schön natürlich und unaufgeregt. Zwischendurch gibt es sogar einige Discostücke, auch die funky und knackig gespielt, jedoch ist alles für mich irgendwie beruhigend. Einfach schön. Dazu wird nicht geprügelt in meiner Nähe, würde ja glatt noch fehlen... grins.
Lo&Leduc
Kameramann Dani und ich machen schon vor Beginn ab, dass wir das Lo&Leduc nicht mehr ganz zu Ende schauen würden, denn irgendwann ist man auch einfach überfüllt mit Eindrücken. Da Rita ja nicht mehr da ist, bitte ich Dani, ein paar Schnappschüsse mit der Spiegelreflex zu machen.
Nach zwei Minuten steht er wieder da und erklärt mir ziemlich schockiert, dass der Sicherheitstyp vor dem Bühnengraben gesagt hat, er dürfe nicht da rein, und wenn er spätestens nach einer Minute nicht verschwunden sei, gebe es Prügel. Er habe das falsche Bändelchen an. Er sei gar kein Fotograf. Obwohl er im Laufe des Tages immer wieder da unten stand, und es nie Probleme gegeben hatte. Ja, ich weiss, Dani war als Kameramann angemeldet und das ist scheinbar ein wahnsinniger Unterschied. Ich war nicht dabei, doch ehrlich gesagt: Was soll denn so ein unnötiges Theater? Ich war selbst, als ehemaliger Ringer, bei der Geländesicherheit am Open Air St.Gallen. Es ging manchmal wirklich hart auf hart, und mein Körper war jeweils übersäht mit blauen Flecken. Aber ich hätte doch niemals jemanden bedroht, der Werbung für das Open Air macht und dann noch gratis, aus purer Freude, Fotos schiesst? Der Mann ist über sechzig, trägt einen offiziellen Ausweis mit Fotograf darauf... Was haben die das Gefühl, dass er gleich auf die hohe Bühne hüpfen kann und einen jungen Rapper töten wird oder was? Gut, ich gebe es zu: Mir war das nicht bewusst, dass das jetzt auf einmal Problem sein könnte, wenn er für Rita sozusagen einspringt.
Lo&Leduc und die Band waren super, soweit ich das mit meiner Müdigkeit beurteilen kann. Verstanden habe ich kaum etwas von den beiden, in weissen Trainingsanzügen gekleideten Herren, aber mein Geschmack ist sowieso nebensächlich: Der Masse gefiel es. Das Publikum wurde auch gekonnt miteinbezogen. Gerade, als wir am Gehen waren, durften die Leute einige willkürliche Worte rufen, und sie machten daraus einen Freestyle- Rap.
Gut: So schwierig ist das jetzt auch nicht, wenn man einmal im Flow ist und gewisse Rhymes einfach abrufen kann. «Seborrhoische Keratose» oder «Sternocleidomastoideus» schreit meistens ja auch niemand. Und sonst überhört man es vielleicht eher. Doch auch diese beiden Jungs, mit dem sehr eigenen Slang, der sehr gut rapbar ist und zweistimmig fast nirgends so existiert: Empfehlenswert.
Ich bin jetzt aber wirklich müde und muss ja noch heimfahren, darum beschliessen wir, abzudüsen.
Ich gebe noch meine Becher zurück, Geld wird mir gutgeschrieben, obwohl ich nicht zu allen einen Jeton habe. Nach kurzem Anstehen kann ich das restliche virtuelle Geld vom Bändel auszahlen lassen.
Fazit
Die zwei Tage waren für mich fordernd, jedoch auch fördernd. Ich hätte mir gewünscht, früher Bescheid zu wissen, ob ich kommen darf oder nicht. Auch genauere Informationen für Presseneulinge wären wünschenswert gewesen, aber nächstes Mal...
Dass man weder ein paar Getränke, noch Essen und nicht einmal für diesen Preis zelten darf, ist ungewöhnlich. (Der Zeltplatz hätte noch 40.- extra gekostet.)
Als Pressefritze hat man keinen Raum zur Verfügung, man kann auch nirgends seine Geräte aufladen, was für ein Festival dieser Grösse machbar sein müsste. Herzlichen Dank natürlich trotzdem für die Tickets, wir haben es genossen!
Insgesamt empfand ich all die Sicherheitsmassnahmen und Regeln als übertrieben und teilweise unnötig. Mehrmals, im Gespräch mit zahlenden Gästen, ist das Wort «Geldgier» gefallen. Man will offensichtlich ein konsumfreudiges und finanzkräftigeres Zielpublikum mit diesen Preisen ansprechen und macht wohl auch viel Umsatz auf die versteckte Tour: Es werden wahrscheinlich Unmengen an virtuellem Geld aus Faulheit am Festivalende nicht eingelöst oder noch aufgebraucht, obwohl man gar nichts mehr bräuchte.
Das gesamte digitale System mag ich persönlich nicht. Es funktioniert zwar viel besser als vor ein paar Jahren, aber es lässt kaum mehr menschlichen Spielraum zu.
Dass man nur einen halben Liter Wasser mitnehmen darf, und nicht einmal irgendwo ein gratis Wasserspender zur Verfügung steht, empfinde ich persönlich als nicht ok.
Die Foodmeile ist sehr schön und abwechslungsreich, sofern man denn etwas bezahlen könnte. Die Preise empfinde ich jedoch auch hier als schlicht überrissen. Man ist ja fast gezwungen, Essen zu kaufen, wenn man nicht einmal ein Brötchen mit hineinnehmen darf.
An manchen Ständen, Schenken, Kassen, wie auch bei den mittleren Toiletten bilden sich bei schönem Wetter sofort Staus von 20-30 min. Wenn man dringend muss, und nicht weiss, dass bei den Klos bei der Bühne weniger Stau ist, wird es echt diffizil.
Zelte hat es jetzt wohl mehr, als ich es von früher in Erinnerung habe, und sofern es nicht ganz voll ist, findet man einen Platz im Schatten oder im halbwegs Trockenen.
Das Musikprogramm ist sehr abwechslungsreich und qualitativ top ausgewählt. Wie ich feststellte, ist diese Zusammenstellung aber nicht ganz exklusiv, sondern teilweise auch bei anderen Festivals vorhanden, was aber nichts Neues ist und auch Sinn macht, Stars gleich an verschiedenen Orten auftreten zu lassen, wenn sie schon einmal in der Schweiz sind.
Die Soundanlage ist hervorragend, Musik kommt sich auch nirgends in die Quere, Beschallung ist bis weit hinten gewährleistet.
Die Nähe zum See ist natürlich Gold wert und schafft eine spezielle Atmosphäre. Das Festival ist grösstenteils friedlich, auch Kinder fühlen sich wohl.
Ich selbst habe mit allem Personal durchwegs positive Erfahrungen gemacht, es waren alle sehr freundlich, - ich kannte ja auch etwa ein Dutzend. Jedoch, was ich beobachtet habe: Manchmal fehlt es am gesunden Menschenverstand, manchmal an der Menschlichkeit, die in so einer Position, wenn es sich um eine grosse Masse handelt, enorm wichtig ist. Es lässt sich nicht alles regeln.
Ich habe jetzt zwar Kritik geübt, doch schrieb ich es nicht so negativ, wie es vielleicht klingen mag.
Ich meinte es in positivem, konstruktiven Sinne, denn insgesamt habe ich es wirklich sehr genossen und kann dieses Open Air, sofern das Budget stimmt, ohne Wenn und Aber für Jung und Alt weiterempfehlen. Die Pluspunkte überwiegen bei weitem die Kritik.
Es war ein tolles Erlebnis!