Nachgefragt bei Markus Büchel
Bild/Illu/Video: Barbara Samu-Schneider

Nachgefragt bei Markus Büchel

Lieber Markus, du hast kürzlich auf Facebook Charlie Chaplin zitiert: «Macht brauchst Du nur, wenn Du etwas Böses vorhast. Für alles andere reicht Liebe, um es zu erledigen.»

Was geht dir durch den Kopf, wenn ich das Wort «Macht» ausspreche?

Als erstes fallen mir dazu mehr Fragen als Antworten ein. Warum hat jemand Macht? Und was wird mit dieser Macht gemacht? Wie geht ein Mensch mit einem anderen um? Ist mein Gegenüber empathisch oder eher narzisstisch veranlagt?


Bei der Geschichte um meine ungerechtfertigte Kündigung ging es sicherlich auch um Macht. Schließlich steht und fällt vieles mit der Führungsstruktur.


Ich habe beim KOJ (Kompetenzzentrum Jugend) auch eine «mächtige Position», wenn man es so sehen möchte. Ich habe 15 Mitarbeiter, die ich führen und leiten darf. Mein Führungsstil, den ich schon seit vielen Jahren pflege, ist dass ich Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten biete. Dadurch sind meine Mitarbeiter nicht nur zufriedener, sondern sie sind auch engagierter, weil sie die Möglichkeit haben, sich einzubringen und so auch etwas bewirken zu können.


Auch privat hinterfrage ich heute viel mehr als früher. Meine Frau ist Feministin und inzwischen kann auch ich nicht mehr hinter den patriarchalen Strukturen stehen. Wer legitimiert diese? Männer? Leider ist in dieser Hinsicht vieles veraltet und bedürfte einer Überholungskur. Doch wir sind von unserer Erziehung und Qultur dermassen geprägt, dass wir solche Mechanismen oft nicht hinterfragen und auch wenn es nicht rechtens ist, lassen wir es trotzdem zu.


In der Kindererziehung geht es übrigens auch oft um Macht. Eltern kommen gerade bei diesem Thema an ihre Grenzen. Ich stelle leider fest, dass hier in den letzten Jahren ein Rollentausch stattgefunden hat. Kinder sind in manchen Familien Könige und regieren die Eltern.


Die Netflix Serie «When they see us», die auf einer wahren Begebenheit beruht, erzählt die Geschichte von fünf jungen Menschen im Alter von 14 und 16 Jahren, die unschuldig für mind. 5 bis 13 Jahre ins Gefängnis gesteckt werden. Die Jungs werden beschuldigt, eine 28-jährige Frau geschlagen und vergewaltigt zu haben. Ausser, dass sie sich am selben Abend wie das Opfer und der Einzeltäter im Central Park aufgehalten haben, gibt es keine berechtigten Gründe, die vermuten oder gar beweisen lassen, dass diese «Jugendlichen» etwas mit dem Verbrechen zu tun haben. Und trotzdem wandern sie für viele Jahre ins Gefängnis.

Was hat dich bei dieser Serie bewegt?

Gleich vorneweg ich mag generell Filme, die auf wahren Tatsachen beruhen. Nicht selten beschäftige ich mich länger damit, und zwar in dem ich recherchiere und die Geschichte anderen Menschen weiterempfehle, damit sie, wie ich auch, daraus lernen können. Erkennen, wie Menschen ticken und, wie in diesem Beispiel, dass Unrecht möglich ist und man manchmal einer Situation einfach nur ausgeliefert ist und sich nicht wehren kann.


Die Serie über die «Central Park Five» ist natürlich sehr amerikanisch und trotzdem zeigt sie auf, wie Unmögliches wahr werden kann. Ich meine, das waren wirklich noch Jungs, die grün hinter den Ohren waren, die sich nicht einmal wirklich für Sex interessiert haben und dann wird ihnen so etwas vorgeworfen. Das ist schon harter Tobak!

Es gibt sie heute noch, die klassischen Opfer, die keine Chance haben sich zu wehren. Das beschäftigt mich sehr! Es macht mich ohnmächtig und wütend zugleich. Es motiviert mich aber auch, mich zu engagieren und mich zum Beispiel im Bereich Menschenrechte einzusetzen.


Nach dem ganzen Wirbel im Frühling um meine Person, wurden mir einige Geschichten rund ums Thema Macht zugetragen, die mich aufgewühlt und die mich teilweise für einen Moment sogar sprachlos gemacht haben. Da stellt man sich schon Fragen wie: Was kann ich tun? Wie kann ich persönlich etwas verändern?


Mit dem Einrad Verein mit Sitz in Vaduz, versuche ich zu bewegen. Beispielsweise konnten wir unserem Nigeria Partner Verein in Lagos viel Geld spenden. Dort wurde eine Zirkusschule ins Leben gerufen, die unter anderem auch Einradunterricht anbietet.


In dem wir nicht tatenlos zusehen, sondern uns für andere einsetzen, können wir Veränderung erreichen. Ich glaube darum immer noch an das Gute im Menschen.


Wie gehen junge Erwachsene und Jugendliche mit dem Thema Macht um?

Im Grossen und Ganzen akzeptieren sie Machtverhältnisse so wie sie sind. Sie sind autoritätsgläubig, denn das Erziehungs- und Schulsystem bringt es ihnen so bei.


In der Pubertät ändert sich dies allerdings. Die Autorität im Elternhaus wird hinterfragt. Das war schon immer so und ist heute nicht anders als früher. Was sich geändert hat, sind die Werte. Die Machtumkehr, von der ich schon gesprochen habe.


Die heutige Klimajugend ist angepasst. Es werden demokratische Wege gesucht und nicht mehr gestreikt wie früher. Die 80er Bewegung war da viel fordernder. Mir scheint, die jungen Menschen sind durch die digitalen Medien ruhiggestellt. Global gesehen geht’s uns gut, doch das Angebot im Werdenberg finde ich, gerade was Freestylesportarten angeht, spärlich gesät. Die Gemeinden unterstützen solche Vorhaben meistens nicht, dabei sind sie doch so wichtig.


Die mobilen Skateanlagen in Buchs und in Sevelen beispielsweise haben Jugendliche selber gebaut und geschweisst. Die Begeisterung für solche Projekte ist bei der Jugend gross.


Die Coronapandemie fordert diesbezüglich auch bei jungen Menschen den Tribut. Sie werden durch den Virus nicht unbedingt körperlich krank, ihr Leidensweg ist vielmehr ein anderer. Ihnen fehlt schlichtweg die Perspektive und darum hat auch die Jugenddepression stark zugenommen.


Was für einen Einfluss haben die sozialen Medien deiner Meinung nach?

Sie haben einen manipulativen Einfluss, und zwar einen enorm grossen manipulativen Einfluss und das nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch. Ich bin der Überzeugung, dass die Lobbyisten die grössere Macht haben als unsere Politik. Uns wird eingeredet, dass wir dies und das wollen - genau das ist Manipulation! Wir sind Marionetten im System.


Dein Fazit nach über 25 Jahren Jugendarbeit?

Jugendarbeit ist wichtig. Sie ist und bleibt wichtig. Spannend finde ich, dass gewisse Dinge gleich geblieben sind wie vor 25 Jahren. Die Wünsche und Bedürfnisse der jungen Menschen haben sich nämlich kaum verändert. Ein Jugendtreff wird fast genau gleich wie damals eingerichtet.


Die Gewalt hingegen war vor 25 Jahren in Buchs viel grösser. Statistisch gesehen nimmt sie zwar seit dem Jahr 2015 wieder zu, aber das habe ich, zumindest in unserer Gegend, noch nicht feststellen können.


Es ist schade, dass die Bürokratie im Bereich der Jugendarbeit immer noch so viel Raum und Macht einnimmt und dadurch Gutes hemmt oder fast unmöglich macht.


Was würdest du tun beziehungsweise ändern, wenn du für einen Tag die Weltmacht hättest?

Ich wäre utopisch und würde alle Herrschaftsformen und das Geld abwählen.


Lieber Markus, vielen herzlichen Dank für das aufschlussreiche Interview. Ich wünsche dir alles Gute bei deinen kreativ-sozialen und Mut machenden Projekten – go for it!


Foto: Verein Team Ursli, Vaduz. In der Mitte vorne Markus Büchel.

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