Nachgefragt bei Franco Supino
Das Thema Essen beschäftig mich schon lange. Meine Eltern haben in ihrer Kindheit gehungert, und es war mir immer, als wollte sie an uns Kindern das wettmachen, was sie von ihren Eltern nicht bekommen habe. In Neapel fragt man einen Menschen auch nicht als erstes, wie geht es dir? Sondern: Hast du gegessen? Bulimie selber kannte ich aus nächster Nähe, möchte aber aus Rücksicht dies nicht weiter ausführen. Für das Jugendbuch sprach, dass gerade auch Jugendliche von Essstörungen stark betroffen sind.
Wie würden Sie ihr neustes Buch selbst beschreiben?
1- Das Buch ist gefühlsstark, also lebt von starken Gefühlen wie: Ich will nicht dick werden! Und: Ich schäme mich so sehr für das, was ich tue, dass es niemand erfahren darf!
2- Das Buch ist hyperrealistisch: Damit man versteht, was daran so beschämend ist, musste ich diese Erbrechrituale möglich realistisch beschreiben – das tut fast weh.
3- Schliessllich ist das Buch poetisch: Der Fuchs wird im Wald zum Komplizen der Hauptperson, bis diese davor zurückschreckt? Sie will ihn durch einen Hund ersetzen – oder kann sie ganz aufhören?
Der da-bux Verlag veröffentlicht moderne Jugendbücher, in denen wichtige Jugendthemen angesprochen werden. Kam der da bux Verlag auf Sie zu oder fanden Sie den da bux Verlag genau passend für Ihr Buch? Brauchte es ein Exposé im Vorfeld oder war der Verlag sofort begeistert von Ihrem Manuskript?
Dies ist bereits mein zweites Buch für den Verlag da bux Ich wurde angefragt, ob ich mir vorstellen könnte, ein neues Buch zu schreiben und da ich zum Thema Essen schon sehr viel Stoff gesammelt hatte, nahm ich einen kleinen Teil daraus, und gestaltete den Text für «Mehr.Mehr.Mehr». Ich habe das Thema mit der Lektorin Alice Gabathuler vorbesprochen und sie fand es spannend. Und vom Text war sie absolut begeistert, auch wenn wir danach noch sehr intensiv daran gearbeitet haben und er dank dieser Arbeit sehr viel gewonnen hat.
Sie schaffen es, in einem wirklich kurzen Text im Tagebuchstil, das Thema Bulimie für jeden verständlich zu machen. Für mich ist das Ende des Buches offen. Wird es eine Fortsetzung geben, oder darf sich jeder selbst sein Ende denken?
Nein, es kann keine Fortsetzung geben. Ob die Hauptfigur es wirklich schafft, davon loszukommen, muss man sich selber denken. Vielleicht gelingt es nicht gleich jetzt, Vielleicht erst später? Oder es gibt wieder eine Verlagerung in eine andere Essneurose?
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Welches Buch liegt aktuell auf Ihrem Nachttisch und warum gerade dieses?
Daniele del Giudices «Orizzonte mobile», darin werden verschiedene Antarktisexpeditionen beschrieben. Er ist dieses Jahr verstorben. Ich habe schon einiges von ihm gelesen, er ist einer der besten italienischen Schriftsteller (meiner Meinung nach) und ich wollte dieses Buch endlich lesen! Leider ist kaum etwas auf Deutsch übersetzt.