Jedes Problem darf ernst genommen werden
Man hört dann solche Aussagen, wie: «Stell dich nicht so an, es gibt Schlimmeres!» oder «Arme Leute in Afrika machen sich darüber nicht einmal Gedanken, sie sind froh, wenn sie jeden Tag etwas zu Essen haben!» Zu solchen Problemen gehören für mich vor allem psychische Probleme und Konflikte innerhalb einer Partnerschaft oder Familie. Auszuschließen davon sind natürlich die alltäglichen «kleinen Dinge», bei denen wir manchmal dazu neigen, aus einer Maus einen Elefanten zu machen.
Immer wieder hört man, dass es uns zu gut geht. Dem stimme ich grundsätzlich auch zu. Noch nie hatten wir so viele Möglichkeiten, uns das Leben bequemer zu machen und es uns gut gehen zu lassen. Natürlich ist es berechtigt, dass wir uns immer wieder vor Augen führen, dass es noch viel ärmere Menschen auf dieser Welt gibt und unsere Situation im Vergleich gar nicht so schlecht ist, wie wir manchmal glauben. Ich finde solche Hilfsorganisationen eine tolle Sache, um da einen positiven Beitrag zu leisten. Aber darum geht es mir gar nicht, mir geht es darum, dass jedes Problem ernst genommen werden darf.
Viele Menschen machen reden ihre Probleme klein, da es eben ärmere Menschen gibt, die sich darüber gar keine Gedanken machen können. Es stimmt wahrscheinlich schon, dass hungernde Menschen sich zum Beispiel weniger darüber Gedanken machen, wie sie aussehen und im Allgemeinen weniger psychische Probleme wie Schizophrenie oder Panikattacken haben. Trotzdem ist da das Problem. Es löst sich nicht in Luft auf, nur weil wir es verdrängen und kleinreden. Probleme tauchen auf, damit man sich mit einer Situation auseinandersetzt, daran arbeitet und sie auflöst. Nur durch Kleinreden ist es vielleicht für einige Zeit von der Oberfläche verschwunden, doch irgendwo in uns drinnen wartet es, bis wir und damit beschäftigen.
Solange eine Situation einen Menschen unglücklich macht und die Lebensfreude hemmt, sollte man dies ernst nehmen. Jeder Mensch hat das Recht darauf, glücklich zu sein. Für die einen ist eine gewisse Situation eine riesige Hürde, für andere ist dasselbe gar kein Problem.
Es kommt von Mensch zu Mensch darauf an, wie man sie damit umgehen können. Jeden beschäftigen andere Dinge und jeder priorisiert andere Dinge. Die Arbeit und das soziale Umfeld spielen auch eine grosse Rolle, in der Frage, welche Situationen einem im Leben beschäftigen und nicht mehr loslassen möchten.
Ein Angestellter in einer Firma hat möglicherweise permanent Konkurrenzgedanken und vergleicht sich mit seinem Kollegen. Darüber macht sich die Führungskraft wahrscheinlich keine Gedanken, diese überarbeitet sich jedoch vielleicht jeden Tag aus Leistungsdruck. Eine Schülerin bekommt zu Hause Druck gemacht von den Eltern und fühlt sich gezwungen, Bestnoten zu schreiben.
Ein anderer Schüler erlebt häusliche Gewalt und kann sich drum kaum auf die Schule konzentrieren. Jeder hat seine eigenen Themen und dies ist auch berechtigt. Natürlich haben ärmere Menschen Probleme nicht, die wohlhabendere vielleicht haben. Doch umgekehrt ist es genauso.
Der Hunger in Afrika sollte meiner Meinung nach sehr ernst genommen werden. Genau wie jedes andere Problem auf dieser Welt auch. In jeden Lebensumständen tauchen andere kritische Situationen auf. Und alle haben das Recht darauf, glücklich zu sein und daran zu arbeiten. Denn wie können wir anderen Menschen helfen, wenn wir mit uns selbst nicht im Reinen sind?