Frautastisch: Maja Nenadic
Wann hast Du deine Leidenschaft fürs Zeichnen entdeckt?
Schon als Zweijährige habe ich viel gemalt. Es war immer ein Teil von mir und ich kann mich stundenlang damit beschäftigen. Mein Vater war Künstler und meine Mutter gab privat Deutschunterricht bei uns zu Hause. Ich sass dann jeweils daneben und zeichnete. So war ich immer dabei, konnte aber trotzdem etwas für mich selbst machen. Mit meinen eigenen Disney- und Mickey-Maus-Interpretationen konnte ich in eine Fantasiewelt eintauchen. Manchmal zeichnete ich meine Träume und schrieb eine Geschichte dazu. Das Malen war und ist auch heute noch eine Art Kommunikation für mich. Mit meinem Vater führte ich auch immer wieder Diskussionen darüber, dass Sonnenstrahlen keine Striche sind.
Du zeichnest Sonnenstrahlen nicht mit Strichen? Jetzt bin ich irritiert (lacht). Kannst du mir Laie das bitte erklären?
Mein Vater hat Kunst studiert und wollte immer, dass ich Gegenstände – und überhaupt alles um mich herum - sehr genau beobachte und dann erst zeichne. Wenn ich die Sonne als Kreis mit Strahlen als Strichen gezeichnet habe – so wie das eben die meisten machen – hat er mich gefragt, ob die Sonne wirklich so aussieht. Er hat mir dann erklärt, dass sich die Sonnenstrahlen mit den Himmelsfarben vereinen und so ein spezielles Licht entsteht, das man mit diversen Farben darstellen kann. Das gleiche bei den Vögeln. Er hat mich immer darauf hingewiesen, dass diese nicht aussehen wie ein «M», sondern, dass man dank der Federpracht beim Zeichnen viel mehr rausholen kann als ein Buchstabe (lacht). Ich hoffe, du verstehst, was ich meine?
Ja, sehr schön erklärt. Danke! War dein Vater hauptberuflich Künstler?
Mein Vater war Bildhauer. Er hat damals auch einige seiner Skulpturen in Belgrad, Serbien, ausgestellt. Später, als wir eine kurze Zeit in Italien gewohnt haben, hat er Fresken gemalt, also Gemälde auf frisch verputze Wände wie man sie oft in Kirchen sieht. Ich habe ihm jeweils geholfen und war auch bei jedem Verkaufsgespräch dabei. Einmal habe ich sogar eine eigene Zeichnung verkauft – damals war ich fünf Jahre alt und konnte nicht einmal italienisch (lacht). Später, als wir wieder in Belgrad wohnten, hat er mir und meinen Klassenkameraden Zeichenunterricht in unserer Küche gegeben. Ich erinnere mich so gerne an diese Zeit zurück. Es hat so viel Spass gemacht, in unserer Küche zu sitzen, Äpfel zu zeichnen und Snacks zu essen. Wir haben viel miteinander geredet und gelacht.
Warum hast du zuerst eine Ausbildung zur Bankkauffrau gemacht?
Das ist eine gute Frage. Damals schien mir das eine sichere Entscheidung für die Zukunft. Ich habe auch das Gefühl, dass es vor 15 Jahren noch nicht so viele kreative Berufe gab wie heute. Die Ausbildung zur Kauffrau war aber völlig in Ordnung. Ich habe nebenbei die Berufsmaturität gemacht und konnte anschliessend Mediendesignerin studieren. Hätte ich damals aber ohne Gedanken wählen können, hätte ich wahrscheinlich eine Tanzkarriere angestrebt (lacht).
Deine Illustrationen zeichnen sich durch klare Linien und Formen aus. Was gefällt dir an dieser minimalistischen und bescheidenen Art?
Das Ganze fing eher zufällig an. Ich war dabei, Photoshop besser kennenzulernen und probierte verschiedene Techniken aus. So entstanden die ersten Illustrationen von mir, unter anderem mein aktuelles Logo. Ich war überrascht, wieviel man anhand von wenigen Linien und Formen erkennen konnte. Und weil ich früher immer etwas Mühe hatte, um alle Gesichtszüge wahrheitsgetreu zu zeichnen, war ich begeistert, als ich merkte, dass es das alles gar nicht braucht, um eine Person zu illustrieren.
Du illustrierst vor allem Frauenporträts. Warum?
Anfangs habe ich alles Mögliche illustriert, vor allem um zu schauen, wer sich als Illustration gut eignet. Oder auch Personen und Dinge, die ich mag. Da ich mich auch für Mode interessiere, fing ich an diverse Frauen zu illustrieren, an denen mir die Frisur oder einfach die ganze Bildkomposition gefiel. Wenn ich Frauen illustriere, habe ich eine grössere Freiheit was die Haare, Kleidung, Make-Up und Körpersprache betrifft und das Ganze wirkt für mich dann energievoller.
Auf deiner Internetseite interpretierst du «Romeo und Julia» neu. Was fasziniert Dich an diesem Drama?
Ich wünsche mir ein anderes Ende für Romeo und Julia. Aber genau dieses Ende macht die Liebesgeschichte so stark. Ich habe das Gefühl, dass genau diese tragischen Liebesgeschichten irgendwie auch die besten sind. Die eine, unvergessliche Liebe trägt doch auch immer eine Spur Tragik mit sich. Und meine Illustrationen zeigen oftmals Frauen, die in Gedanken sind oder sich eben fragen „Echt Romeo, musste das sein?". Was ich mich als Ehefrau und Mutter natürlich manchmal auch frage (lacht). Das Drama eignet sich sehr gut, um meine Werke zu zeigen. Bei meinen Illustrationen geht es um diverse Aspekte und Situationen der Liebe. «Liebt er mich?»‚ «Sind wir füreinander bestimmt?»‚ «Ist dies der richtige Zeitpunkt?»‚ «Bin ich besser dran, wenn ich alleine bin?», «Wir sind doch so gut zusammen.» Ich spreche unter anderem von meinen eigenen Erfahrungen oder jenen, die ich mit meinen Kolleginnen in den Teenagerjahren stundenlang analysiert habe.
Welche Rolle spielst du bei Conscious Influence Hub, dem Verein, der sich für einen respektvollen Dialog in der Online-Welt einsetzt? Mir ist aufgefallen, dass du das ganze Team illustriert hast.
Ich habe einmal spontan ein Bild des Vorstandsmitglieds Anja Lapcevic illustriert, weil mir die Farben und ihre Pose sehr gut gefallen haben. Seitdem ist sie ein Fan meiner Illustrationen und wir kennen uns in der Zwischenzeit auch privat sehr gut. Ich persönlich bin nicht aktiv im Verein, erachte seine Arbeit aber als sehr wichtig. Soziale Medien spielen heutzutage eine sehr grosse Rolle und prägen Menschen, insbesondere jüngere. Gerade als Mutter ist mir darum der respektvolle Umgang auch in diesem Umfeld sehr wichtig.