Filmen für die Ewigkeit
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Filmen für die Ewigkeit

Du bist gelernter Koch, wie bist du zum Filmen gekommen?

Das war genauso unspektakulär wie «plötzlich». Meine Mutter nahm bei Urlauben und Ausflügen oft die Super-8-Kamera mit, um das Erlebte auf Film festzuhalten. Irgendwann, als ich, so um die neun Jahre alt war, drückte meine Mutter mir dann die Kamera in die Hand und sagte: «So. - Jetzt will ich auch mal auf dem Film drauf sein. Filme uns dort vor den Blumen und der Burg.» Ich habe draufgehalten und abgedrückt. Als der Film nach der aufwändigen Prozedur des Aufbaus des Projektors und Leinwand abgespielt wurde und ich dann die Aufnahmen sah, die ich, als kleiner Bub gefilmt hatte, traf es mich wie ein Blitz und liess mich seit diesem Moment nicht mehr los. Ich war sofort mit dem Filmfieber infiziert. Von da an war mein Hobby geboren, welches dann mit den Jahren immer weiter gewachsen ist und sich entwickelt hat.


Dein Film «Ziitsprung» dreht sich vor allem um Davos. Wie eng ist deine Verbindung immer noch zu dem Ort deiner Kindheit?

Mit einfachen Worten: Sehr eng! Frag mal jeden beliebigen Menschen, der in den Bergen auf die Welt kam und aufgewachsen ist. Fast jeder wird immer eine tiefe Verbindung zu seinem Geburtsort verspüren, egal wohin es einem später verschlagen wird. Dies ist auch der Grund, warum ich nur eine Stunde von Davos weg nach Bonaduz gezogen bin. Ein bis zwei Mal pro Monat fahre ich ins Landwassertal, um Kunden und Freunde zu besuchen. Jedes Mal erfüllt es mich mit wohliger Wärme, wenn ich in das eiskalte, zugeschneite Davos über den Wolfgangpass hereinfahre. Oder auch im Sommer, natürlich.


Du hast für deinen Film mit Zeitzeugen des zweiten Weltkrieges gesprochen. Was waren die eindrücklichsten Geschichten, die dir erzählt wurden?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die interessantesten Geschichten immer dann aus den Zeitzeugen sprudelten, als diese glaubten, die Kamera sei abgeschaltet. So habe ich sehr schnell die Kamera unbemerkt immer weiterlaufen lassen. Eindrücklich für mich waren vor allem die scheinbar kleinen Details des damaligen Alltags. Die Sorgen und Ungewissheiten, wie es mit der Familie weiter gehen soll. Wie ernähre ich mich und meine Familie? Welche Tricks - heute würde man «Hacks» sagen, wandte man an, um die schwierige Zeit zu bewältigen? Die Zeit während und direkt nach dem 2. Weltkrieg waren in der ganzen Schweiz, aber besonders in Davos sehr prekär. Die Beschreibung und Details des «normalen» Alltags des durchschnittlichen Davosers in dieser Zeit sind sehr interessant, weil sie so vollkommen anders sind, als die Sorgen des heutigen, modernen, technisierten Handy-Menschen.


Wie wertvoll findest du die Geschichten aus längst vergangenen Tagen?

Es gibt ja den Spruch: «Wer die Geschichte nicht verstanden hat, ist dazu verdammt, sie in Zukunft zu wiederholen.» Dies ist für mich eine extrem wertvolle Erkenntnis, die immer wieder bestätigt wird. Fragt Eure Grosseltern, wie sie gelebt haben, was Ihnen damals wichtig war und auch was nicht. Die Erfahrungen der älteren Personen können wertvolle Wegweiser für die nächsten Generationen sein. Dies war unter anderem ein Grund, weshalb ich diesen Dokumentarfilm gemacht habe. Ich wollte wenigstens einen kleinen Teil dieser Erfahrungen und Identität für die Nachwelt konservieren.


Was können wir von solchen Erzählungen lernen?

Aus meiner Sicht, lernen wir aus solchen Erzählungen vor allem etwas, was unsere heutige Gesellschaft nur noch rudimentär und punktuell vorzuweisen hat: Demut, Rücksicht, Bescheidenheit, bedingungslose Hilfsbereitschaft, Bodenständigkeit und das Wiederfinden der eigenen, ruhenden Mitte. Den Teufelskreis des Stresses, den wir uns grösstenteils völlig unnötig gegenseitig antun, bringt nichts und macht die Menschen nur krank.


Wird es irgendwann wieder mal einen solchen Film geben?

Ich habe mir schon überlegt einen ähnlichen Zeitzeugenfilm über Chur und Umgebung zu drehen. Jedoch kann diese Produktion nicht mehr vollständig aus meiner eigenen Tasche finanziert werden. Mit der entsprechenden Unterstützung von vielleicht der Stadtverwaltung, Kulturorganisationen, Gönnern und andere Interessierten, stelle ich mich sehr gerne für die Produktion eines solchen Filmes zur Verfügung.


Viele der Protagonisten leben heute nicht mehr. Wie ist es für dich den Film fast zehn Jahre später nochmals zu sehen?

Das ist eine gute Frage. Es war ja nicht so, dass ich die Zeitzeugen nur einmal kurz traf und das Interview drehte. Bei allen hatte ich vorher mehrere Treffen und Gespräche, bevor ich endlich die Kamera mitnehmen und sie interviewen durfte. So entstanden bei allen gewisse tiefere Verbindungen und eine Nähe. Jedes Mal, wenn ich Ihre Gesichter sehe, erfüllt es mich nebst einem Bedauern, dass sie nicht mehr leben, auch das Gefühl der Zufriedenheit, dass ich sie wenigstens in Bild und Ton für die Nachwelt festhalten durfte. Die Angehörigen teilten mir dies auch immer wieder mit Dankbarkeit mit. Solche Rückmeldungen sind natürlich sehr schön und geben das Gefühl, etwas Wertvolles getan zu haben.


Was sind deine aktuellen Projekte?

Aktuell habe ich gerade ein weiteres Musikvideo fertiggestellt, welches bald veröffentlicht wird. Die Dark Metal Band aus dem Bündner Oberland wird es mich wissen lassen, sobald es veröffentlicht wurde. Weiter befinde ich mich in Gesprächen mit dem über 80-jährigen Davoser Klaus Bergamin, der seit seiner Pensionierung fleissig die alte Geschichte von Davos, also die Erst-Besiedlung des Landwassertals durch die Valser, in Vorträgen und Führungen durch Davos an Einheimische und interessierte Touristen weitervermittelt. Geplant ist, wiederum einen Dokumentarfilm über seine Arbeiten, Inhalte und seiner Person weiter zu vermitteln. Wer weiss - vielleicht wird der Film ja mal sogar an den Davoser Schulen als Geschichtsunterricht gezeigt. Aber wir stehen noch ganz am Anfang und - wie immer - steht an erster Stelle das leidige Thema der Finanzierung im Raum. Auch hier ist wieder die Unterstützung der Stadtverwaltung, Kulturorganisationen, Gönner und andere Interessierte gefragt und muss erstmal sinnvoll formuliert und kommuniziert werden. Man darf die Daumen drücken. Weiter haben wir immer wieder Anfragen von Musikern, die Interesse an die Erstellung eines Musikvideos bekunden. Auch da sind wir in diverse Gespräche, aber «spruchreif» ist da noch nichts.


Du bist neu auch im Filmteam von Qultur. Welche spannenden Geschichten sind da als nächstes geplant?

Wir werden versuchen, öfters bei diversen Veranstaltungen vor Ort dabei zu sein und diese Events dann exklusiv bei Qultur in Bild, Ton und Text zu veröffentlichen. Interviews, Reportagen, Portraits von Kulturschaffenden in Graubünden und der Umgebung gehören ebenfalls auf unsere To Do Liste. Also: Wer von Euch Kulturschaffenden hat Lust sich mit uns zu einem Interview zu treffen? Meldet Euch einfach.

Eine weitere Idee wäre das Davoser Zeitzeugen Video «Ziitsprung» bei Qultur in mehreren Etappen vorzustellen. Ich denke dabei auch daran, die gesamten Interviews in ungeschnittener Länge zu veröffentlichen. So kommen weitere Details zum Vorschein, die so im fertigen Film nicht zur Sprache gekommen sind.

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