Es lebe die Bündner Musik!
Der erste öffentliche Auftritt des Vereins Graubünden Musik war lediglich durch den Newsletter Ende Januar angekündigt worden. Trotzdem folgten rund 60 Musikschaffende aus dem Kanton dem Ruf des Vereins und versammelten sich um 19 Uhr im Viva Club im Welschdörfli. Präsident Sandro Dietrich ergriff das Wort und lud die Interessierten zu einem Apéro mit Weisswein, Orangensaft, Wasser und Brötchen ein. Er forderte alle Anwesenden dazu auf, ein wenig näher zu kommen. Ich machte es mir weit vorne zwischen den Legenden Phil Benesch und Hampa Rest gemütlich. Der Tontechniker und langjährige Organisator vom Chapella Openair Phil, hatte ein wenig mit einem Brötchen und den daraus herausfallenden Zutaten zu kämpfen. Er, der ebenfalls im Vorstand des Vereins ist, überliess an diesem Abend die Worte seinen Kollegen, war aber auch immer bereit für einen kleinen Schwatz mit den Musikbegeisterten. Hampa, den ich schon länger nicht mehr gesehen hatte, grinste an diesem Abend wie ein Honigkuchenpferd. Es schien für ihn eine Genugtuung zu sein, dass seine Visionen, die er vor ein paar Jahren mit der Webseite «graubuenden-music.ch» hatte, durch den neuen Verein endlich wieder zum Leben erwachen und er jungen Künstlern sein Marketing-Know-how weitervermitteln kann.
10 aus 300
Dann war es endlich soweit und auf der grossen Leinwand tat sich was. Klangstark-Musikproduzent und Gesicht des Vereins Sandro Dietrich begrüsste herzlich zum ersten offiziellen Auftritt. Es freue ihn ausserordentlich, dass so viele Musikerinnen und Musiker den Weg in den Viva Club gefunden hätten, denn so könne auch ein lebendiger Austausch entstehen. Der Verein sei primär entstanden, um den Musikacts unter die Arme zu greifen. Von den circa 300 aktiven Formationen in Graubünden seien in etwa zehn Gruppen gut strukturiert und mit Booking und Management ausgestattet. Dietrich betonte, dass es doch irgendwie schade sei, wenn eine Band aus dem Bündnerland Musik auf einem qualitativ hohen Level mache, aber nie die richtige Aufmerksamkeit dafür erhalte. Der Start sei ihnen geglückt, denn bis jetzt hätten sich 115 Musicacts, 27 Fachpersonen und 11 Musikvenues auf der Webseite registriert. So entstehe nicht nur ein reger Austausch, sondern Bands können auch sehr viel einfacher gefunden werden. Gegen Ende April gehe es endlich los mit der kompletten Webseite und bis dahin werde schon fleissig gebucht, vermittelt und verbunden.
Über 100 Jahre Erfahrung
Schon länger bekannt ist die Tatsache, dass viele der Ideen, die in den Verein fliessen, von Gian-Marco Schmid aka «Gimma» stammen. Dieser zeigte dann gestern Abend auch humorvoll auf, warum es schon lange Zeit für einen solchen Verein in Graubünden ist. Durch das Bündeln der Kräfte verfüge der Verein über einen unvergleichbaren Erfahrungsschatz, denn zusammen gerechnet seien hier über 100 Jahre Musikkarriere vorhanden. Dieses Wissen dürfe nun angezapft werden und könne für alle profitabel sein. Die projizierte Liste hielt dann doch einige spannende Punkte bereit, die aufzeigten, dass der VGM (oder heisst es VGRM) wirklich einiges bewegen könnte. So stand neben der Weitergabe des Wissens, auch die Hilfe bei Produktionen, Managementfunktionen, Vernetzung, Promoplanung, Redaktionelle Arbeit, Medienarbeit, sowie die Interessensvertretung bei Verbänden an der Leinwand.
«Gimma» erwähnte vor allem bei der redaktionellen Medienarbeit, dass er sich wünschen würde, dass die Acts vermehrt auf sie zukommen werden in Zukunft. Bisher seien alle Posts auf ihren sozialen Medien durch Recherche von ihnen entstanden, aber definitiv mehr ausrichten könne ihre Geschäftsstelle in der Altstadt, wenn Inputs aus der Szene kämen. Des weiteren zeigte Gian-Marco Schmid eine Liste auf der stand, was die Acts einbringen können. Dort stand bei den Updates und News, dass diese bitte doch frühzeitig eingereicht werden sollen. Ziel sei es zu einem späteren Zeitpunkt auch bei den digitalen Veröffentlichungen und der damit verbundenen Promo zu helfen oder auch Feedbacks auf Demos zu geben. Auch noch geplant seien Workshops zu Themen wie beispielsweise Urheberrecht. Abschliessend betonte Schmid mehrfach, dass alle Musikschaffenden gleich behandelt werden. Alle werden gepusht, sowie mit viel Leidenschaft unterstützt und nach vorne gebracht. Es werde zwar Vereinbarungen mit dem Verein geben, doch diese seien weit weg von Knebelverträgen. Musik aus Graubünden solle nach vorne gebracht werden und auch ausserhalb der Kantonsgrenzen wahrgenommen werden. Drei Projekte werden aber auf den Kanälen von Graubünden Musik definitiv nicht gepusht oder produziert, nämlich die eigenen von Gimma, Sandro Dietrich und Stämpf.
Relaunch der Geschwister Schmid?
Nach dem imposanten Vortrag von GM übergab er das Mikrophon an «Stämpf» Schmid und für einen kurzen Moment fühlte ich mich an die legendäre Radiosendung der Beiden namens «Geschwister Schmid» erinnert, welche vor ein paar Jahren für so manchen Skandal gesorgt hat. Ein Relaunch dieser Geschichte wäre irgendwie doch auch heute noch ziemlich unterhaltsam. Stämpf, der gemeinsam mit RTR-Journalist Danilo Bavier für das Booking im Verein zuständig ist, erklärte in welchen Bereichen sie den Bands aushelfen können. Hier sei das Ziel möglichst viele Bündnerinnen und Bündner in die Programme von Festivals zu bringen und den Acts bei Fragen zu Verträgen und weiterem beratend zur Seite zu stehen. Sie als Verein setzen eine Provision von 15% obendrauf, wie sie üblich sei bei Vermittlungen in diesem Geschäft. Inzwischen seien sie mit 15 Veranstaltern in Kontakt und bereits über 20 Bands konnten erfolgreich verbucht werden. So sei in der Zwischenzeit eine Wertschöpfung von 35'000 Franken für die Bündner Formationen entstanden, was doch eine staatliche Summe ist.
Grosse Pläne – keine Fragen
Fast ein wenig überrollt von den vielen Plänen des neuen Musikvereins gestaltete sich die Fragerunde als ein stilles und schnelles Unterfangen. Vielleicht ist dies so, weil alles noch ein wenig zu frisch ist und etwaige Fragen erst dann auftauchen, wenn die Webseite mal online geht. So still, wie es bei der Fragerunde war, ist es am Donnerstagabend aber nicht lange geblieben, denn die Musiker* aus allen Ecken des Kantons klärten ihre Fragen gerne in einem persönlichem «Tête-à-Tête».
Ich persönlich war doch recht überrascht, wie viele frische Gesichter sich aktuell in der Musikszene tummeln. Klar, könnte man nun rumnörgeln, wo denn an diesem Abend diejenigen gewesen sind, die immer anprangern, in Graubünden laufe nie was… Aber letztendlich war es einfach mal wieder eine schöne Gelegenheit, mit ein paar Kolleginnen und Kollegen über Musik zu sprechen und neue spannende Persönlichkeiten kennen zu lernen. Wenn es dem Verein Graubünden Musik gelingt, regelmässig zu solchen Austausch-Veranstaltungen zu laden, ist es möglich, dass in naher Zukunft diverse spannende Zusammenarbeiten entstehen und die Szene wieder ein wenig zusammenrückt. Ich schaue positiv voraus und erhebe mein Glas jetzt schon auf eine sich gegenseitig unterstützende Musikszene voller Kreativität und Austausch. Viva la Grischa!