Das Supernaturale
In der Serienflut auf Netflix, Sky, Amazon und so weiter sind die Kurzbeschreibungen oft das Eingangstor für den Zuschauer - oder eben der Ausgang. Wenn man nach zwei Sätzen nicht gefesselt ist, hakt man es ab und rutscht weiter in der Liste. Und derzeit lesen sich die meisten dieser Inhaltsangaben fast deckungsgleich. Einige Freunde entdecken plötzlich überirdische Kräfte in sich, bei einem Experiment der US-Armee wird ein Stoff freigesetzt, der übersinnliche Kräfte verbreitet, eine unbekannte Energie mit übersinnlichen Kräften sorgt für... naja, der Mechanismus dürfte damit klar sein.
Verwurstetes Schema
Vielleicht entspricht dieser Trend einer Art Nachholbedürfnis der Produzenten. Die Vorbilder, die ganzen Superhelden der Marvel-Dynastie, wurden nämlich verhältnismässig spät von Hollywood entdeckt. Zwar gab es frühe Verfilmungen von Superman und Co., aber danach ging einige Jahre gar nichts mehr, bis plötzlich in einer Art Rausch selbst noch der seltsamste Superheld bis hin zur «Grünen Laterne» filmisch verwertet wurde. Und weil das in der Tendenz gut ankam, denkt man sich jetzt wohl: Dieses Schema lässt sich weiter verwursten.
Das birgt natürlich die Gefahr des Überdrusses beim Publikum. Wo immer der Begriff «übernatürlich» oder ähnlich in einer Beschreibung auftaucht, bin ich persönlich weg, weil das Ergebnis oft austauschbar und wenig überraschend ist. Vor allem aber: Solche Werke haben die Tendenz, voll und ganz auf Spezialeffekte zu setzen. Was nützt ein flugfähiger Protagonist, wenn er nicht ausschweifend herumfliegt?
Vorhersehbarer Plot
Was hingegen entsprechend weniger gewichtet wird, sind Spannungsaufbau, Dialoge, Logik - und nicht selten die Handlung an sich. Das Übersinnliche ist ein Kunstgriff, der die Sache einfacher macht. Der andere Weg ist härter. Wenn meine Figur ein Buchhalter ohne nennenswerte Eigenschaften ist, muss ich ihn einer besonderen Situation aussetzen, an der er wachsen oder zerbrechen kann, sonst habe ich keinen Film. Und darin steckt meist sehr viel mehr Spannung als in einer fünfköpfigen Clique, in der jeder etwas anderes besonders gut kann und deren Qualitäten sich (wie praktisch!) perfekt ergänzen, um das Böse zu bekämpfen. Der weitere Verlauf der Geschichte ist so vorhersehbar, dass es schmerzt. Spoiler: Einer der fünf muss sicher über die Klippe springen, damit die anderen vier noch stärker zusammengeschweisst werden.
Wenn die übersinnlichen Kräfte das sind, was einen Film trägt, erschöpft sich das Ganze meist im Ur-Motiv des Geschichtenerzählens: Im Kampf gegen Gut und Böse. Auch wenn das vermutlich auf ewig die Triebfeder von Autoren bleiben wird, kann man es dennoch besser oder schlechter machen. Ein reines Kräftemessen, zumal von nicht real existierenden Kräften, hat mich mit 14 völlig in den Bann gezogen. Mit 47 weiss ich, dass das irdische Leben genügend Spannung bietet.