Zwischen Pest und Cholera
Bild/Illu/Video: Marcus Duff / cascadas

Zwischen Pest und Cholera

Eine Panik auslösen? Nein, das ist definitiv nicht die Aufgabe der Medien. Dinge verharmlosen? Auch nicht. Also soll es der goldene Mittelweg sein. Aber wie sieht der aus?

Zu Beginn der Pandemie meldeten die Ostschweizer Kantone die ersten Todesopfer jeweils noch in eigenen Mitteilungen, die Medien gaben das wieder. Sofort kam der Vorwurf: Panikmache, Beunruhigung der Bevölkerung - und überhaupt, schliesslich sterben auch viele Leute an anderen Dingen, warum meldet man das nicht. Man kann dieser Meinung sein. Aber was, wenn man unter den Teppich gekehrt hätte, dass das Virus tödlich verlaufen kann? Dann wären dieselben Leute später auf die Barrikaden gegangen mit dem Vorwurf, man habe ihnen das Ausmass der Sache verschwiegen.

Die Medien haben derzeit eine Aufgabe, die sie sonst gar nicht wahrnehmen wollen: Sie sind das Sprachrohr der Behörden. Weil in dieser Notlage alle am gleichen Strick ziehen müssen, geben Zeitungen die Verhaltensregeln und Verbote brav wieder. Das trägt ihnen den Vorwurf ein, staatsgläubig und unkritisch zu sein.

Gleichzeitig versuchen die Medien, ihre eigentliche journalistische Mission zu retten, indem sie dieselben Regeln und Verbote hinterfragen: Machen sie Sinn - und wie lange machen sie Sinn? Aber tun sie das, kommt die andere Seite und kritisiert, das sei nicht der Zeitpunkt, Zweifel zu säen, nun sei Gehorsam gefragt. Ja, was denn nun? Es ist, als würde Corona bei den Medien die Wahl zwischen Pest und Cholera auslösen.

Und dann gibt es noch die (elektronischen) Massenmedien, die versuchen, individuelle «Glanzlichter» zu setzen und so Klicks abzustauben. Der «Blick» lässt einen am Virus Erkrankten detailliert beschreiben, wie sich das so anfühlt, wenn man keine Luft mehr kriegt. Man kann sich fragen, wem das etwas nützt, ausser dass es den meisten Lesern die Brust abschnürt. Aber die Redaktion würde sich vermutlich damit herausreden, es sei wichtig, den Schrecken des Virus sichtbar zu machen.

Die grössten medialen Profiteure der Coronakrise sind dubiose Youtube-Kanäle und seltsame Newsportale, die aus Prinzip immer das Gegenteil von dem behaupten, was die Wissenschaft aktuell weiss. Sie sind der sichere Hafen für Verschwörungstheoretiker. Und sie haben nichts zu verlieren. Aufgeklärte Zeitgenossen meiden sie sowieso, aber bei der Aluhut-Fraktion, der keine These zu absurd ist, haben sie derzeit Hochkonjunktur. Aber die Frage bleibt: Warum glauben Leute, die der Regierung grundsätzlich nicht trauen, dann umgekehrt jedem Youtube-Filmli, das ein 15-Jähriger im Keller seines Mamis zusammengeschnipselt hat?

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