Corona: Wie ein Stück Seife das Virus inaktiviert
Bild/Illu/Video: Centers for Disease Control and Prevention (CDC)

Corona: Wie ein Stück Seife das Virus inaktiviert

Der Corona-Schwachpunkt: die Virushülle

Um zu verstehen, wie sich das Corona-Virus inaktivieren lässt, werfen wir zunächst einen Blick auf seinen Aufbau. Alles für uns Gefährliche steckt in seinem Inneren, geschützt durch eine äussere, sogenannte Virushülle. Diese Hülle ist es, die das Virus so gefährlich macht: Sie fungiert als eine Art Tarnkappe und erleichtert es dem Erreger, unsere Immunabwehr zu überlisten und uns zu infizieren.

Nicht umsonst sind die gefährlichsten Viren eben solche «behüllten» Viren, neben dem Corona-Virus sind das zum Beispiel sonstige Influenza (Grippe)-Viren, das HI-Virus (welches Aids verursachen kann) oder auch das Ebola-Virus [1 – Quellennachweise jeweils am Ende des Beitrags]. Die Hülle ist andererseits auch die grösste Schwäche dieser Viren, denn sie besteht aus Lipiden, also aus Fetten. Und Fette können mit Seife gelöst werden.


Wasser alleine hilft nicht

Allein mit Wasser lösen sich keine Fette, darum hilft das Händewaschen nur mit Wasser auch nicht gegen das Corona-Virus. Wir kennen das Phänomen alle von der Suppe: Unten die Brühe, oben die Fettaugen. Fett ist in Wasser einfach nicht löslich. Chemiker/innen unterscheiden in diesem Zusammenhang «lipophile» (fettliebende) [2]. und «hydrophile» [3] (wasserliebende) Substanzen.


Seife bildet lipophilen und hydrophilen Substanzen eine Brücke. Denn Seife ist ein Tensid (das älteste und natürlichste der Welt) und ist in beiden Sphären zu Hause: Seifenmoleküle (wie andere Tensidmoleküle auch) haben ein fettliebendes und ein wasserliebendes Ende.


Wie Seife Fette löst

Wenn Seifenmoleküle in einer wässrigen Lösung nun auf Fett treffen, passiert folgendes: Die fettliebenden Enden heften sich an das Fettröpfchen, bilden eine Art Kugel darum, schliessen es also ein. Aussen an der Kugel (Chemiker sprechen von einer «Mizelle») ragen nun die wasserliebenden Teile in das Seifenwasser, sie verbinden sich also mit ihm. Das eingeschlossene Fett – in diesem Fall das Corona-Virus – kann also einfach mit dem Seifenwasser von unserer Haut abgespült und in den Ausguss befördert werden. [4]


Das bedeutet: Seife kann Fett zwar nicht tatsächlich auflösen, sie kann es aber auf die beschriebene Art wasserlöslich machen, in dem sie Fetttröpfchen in wasserlöslichen Kügelchen einhüllt, sodass es abgespült werden kann. Nichts anderes passiert, wenn wir einen Fettfleck aus einem Kleidungsstück herauswaschen oder mit einem Abwaschmittel einen fettigen Teller säubern. Denn wie feste oder flüssige Seifen enthalten auch Wasch- und Geschirrspülmittel Tenside, die Brücken zwischen Fett und Wasser bauen.


Wie Seife das Virus angreift
Das Corona-Virus lässt sich mit Seife oder einem anderen Tensid allerdings nicht nur abwaschen, es lässt sich damit auch inaktivieren, also unschädlich machen. Darauf weist der australische Professor für supramolekulare Chemie Palli Thordarson hin, in einem Gastbeitrag für die britische Zeitung «The Guardian» und in einem mehrteiligen «Twitter»-Eintrag. Thordarson lehrt an der Universität von New South Wales. [5]


Dreh- und Angelpunkt ist erneut die (fettige) Lipid-Hülle des Virus’, die dem Erreger als «Tarnkappe» dient. Sie bildet aus einer doppelten Lipidschicht eine Art Membran. Diese umhüllt das virale genetische Material des Erregers: die sogenannte RNA (eine Art DNA des Erregers mit seinen Erbinformationen) und eine Reihe von Proteinen, die dem Virus helfen, sich zu vermehren und in fremde Zellen einzudringen.


Allerdings: Diese Gebilde aus Lipiden, RNA und Proteinen verfügt laut Thordarson über keine besonders starke («kovalente») Bindung, die sie zusammenhält, statt dessen haften sich die Virus-Bestandteile gegenseitig aneinander wie ein Klettverschluss. Und dieser, so der Chemiker, lasse sich mit Seife leicht aufbrechen. Denn die schwächste Komponente des Corona-Virus sei eben die (fettige) Virushülle aus Lipiden. Und diese könne ein Tensid auflösen.


Treffen Seifenmoleküle auf das Virus, treten sie laut Thordarson in eine Art Wettbewerb mit den ohnehin schwachen Bindekräften der Lipid-Hülle des Virus’: «Die Seifenmoleküle lösen gewissermassen den Kleber, der das Virus zusammenhält», erläutert der Wissenschaftler. «Seife löst die Fettmembran auf und das Virus fällt zusammen wie ein Kartenhaus.» Da ein Virus gar nicht tatsächlich «lebt», ist es dadurch nicht «tot», aber inaktiv. So kann es uns nichts mehr anhaben.


Abwaschmittel funktioniert auch

Karen Fleming, Professorin für Biophysik an der Johns Hopkins University in Baltimore formuliert es im Kurznachrichtendienst «Twitter» so: «Händewaschen mit Wasser und Seife hat die Fähigkeit, die fettige Virushülle «aufzulösen» und das Virus zu «killen»» [6]. Die Wochenzeitung «Die Zeit» zitiert Melanie Brinkmann, Virologin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschungin Braunschweig mit diesen Worten: «Coronaviren haben eine Lipidhülle, die fettlöslich ist. Durch handelsübliche Seife wird sie aufgelöst und zerstört.» [7] Die Erkenntnis, dass Tenside wie Seife behüllte Viren inaktivieren können, ist nicht neu, sie taucht in der Fachliteratur seit Jahren regelmässig auf [8]. Durch die Corona-Pandemie gerät dieses Wissen gerade nur ein wenig mehr in die Öffentlichkeit.


Die entsprechende Wirkungsweise von Seifen, Tensiden und «Detergenzien», wie weitere fettlösende Reinigungsmittel im Fachjargon genannt werden, auf behüllte Viren bestätigt unter anderen auch Prof. Dr. Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie am Helmholtz-Zentrum München. Da das Corona-Virus ein umhülltes Virus sei, so Protzer im Bayerischen Rundfunk, sei es empfindlicher gegen Umwelteinflüsse als zum Beispiel ein Norovirus: «Wenn Sie also Spülmittel, normale Putzmittel und Seife zum Händewaschen verwenden, dann zerstören Sie das Virus sicherlich.» [9] Denn (siehe oben) all diese Mittel sind Tenside, welche Fett lösen und damit die Virushülle beschädigen können. [10]


Desinfektionsmittel helfen nur bedingt

Desinfektionsmittel für die Hände, oft mit dem Aufdruck «antibakteriell», helfen dagegen nur bedingt. Hilfreich sind nur solche, die zusätzlich zumindest die Angabe «begrenzt viruzid» tragen, denn, was gegen Bakterien hilft, hilft noch lange nicht gegen Viren. [11] Die «begrenzt viruzid» (also auf behüllte Viren) wirkenden Mittel tun dies vor allem durch ihren hohen Alkoholgehalt von rund 80 Prozent, denn auch hochprozentiger Alkohol kann die fettige Virushülle zerstören.


Auch bei Desinfektionsmitteln gilt allerdings: Die Viren werden dadurch nicht sofort inaktiviert, nötig ist auch mit solchen Mitteln ein ausführliches Einreiben von mindestens 30 Sekunden. Solche Hinweise finden Sie jeweils im Kleingedruckten auf der Rückseite der Flasche.


«Nichts schlägt Seife»

Der australische Chemiker Thordarson zieht dieses Fazit: «Wasser alleine ist nicht sehr effektiv, um das Virus abzuwaschen. Alkohol-basierte Produkte funktionieren besser. Aber nichts schlägt Seife – das Virus löst sich von der Haut und zerfällt recht schnell im Seifenwasser.» Die Weltgesundheitsorganisation WHO bringt es auf «Twitter» so auf den Punkt: «Unterschätze nie die Kraft eines einfachen Stücks Seife!» [12]


Entscheidend ist beim Händewaschen (ebenso wie beim Desinfizieren) allerdings die Gründlichkeit. Eine halbe Minute ist lang, aber solange dauert es tatsächlich, bis die Hände wirklich sauber sind. Besonders wichtig ist es, nicht nur die inneren Handflächen flüchtig einzuseifen, wie man das sonst im Alltag oft beobachten kann.


Richtiges Händewaschen braucht Zeit

Denn Erreger können sich auch in den Hautfalten zwischen den Fingern, an den Fingerkuppen, an den Daumen, den Handrücken und den Handgelenken befinden. Damit Seife wirken und alle möglicherweise vorhandenen Viren abspülen kann, müssen Hände also rundum sorgfältig eingeseift werden, mindestens 20, besser noch 30 Sekunden lang. Anschliessend den Schaum gründlich mit Wasser abwaschen.


Zum Autor:

Wolfgang Frey ist Journalist, Autor, Publizist und Gründer der Heiligkreuzer Seifenmanufaktur.


Quellen:

[1] «Virushülle», Wikipedia, aufgerufen am 23. März 2020
[2] «Lipophilie», Wikipedia, aufgerufen am 23. März 2020
[3] Hydrophilie, Wikipedia, aufgerufen am 23. März 2020
[4] «Tensid», Wikipedia, «Das Phänomen der Grenzflächenspannung und die Eigenschaften von Tensiden», Seilnacht, aufgerufen am 23. März 2020
[5] «Pall Thordarson: The science of soap – here’s how it kills the coronavirus», The Guardian, Twitter-Thread von Palli Thordarson, erster Teil, zweiter Teil, aufgerufen am 23. März 2020
[6] Twitter-Thread von Karen Fleming, aufgerufen am 23. März 2020
[7] «Desinfektionsmittel: Oder doch lieber Seife?», Zeit.de, aufgerufen am 23. März 2020
[8] Zum Beispiel Anton Mayr (Hrsg.): «Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre», 8., überarb. Aufl., Stuttgart, 2006, S. 79: «Die Infektiosität behüllter Viren wird insbesondere durch Fettlösemittel (z.B. Seife) und die meisten Detergenzien aufgehoben.»”, aufgerufen am 23. März 2020
[9] «Corona Service», Bayerischer Rundfunk, aufgerufen am 23. März 2020
[10] «Als behüllte Viren, deren Erbgut von einer Fettschicht (Lipidschicht) umhüllt ist, reagieren Coronaviren empfindlich auf fettlösende Substanzen wie Alkohole oder Tenside, die als Fettlöser in Seifen und Geschirrspülmitteln enthalten sind.», zitiert nach: «Kann das neuartige Coronavirus über Lebensmittel und Gegenstände übertragen werden?», Bundesamt für Risikobewertung; «Detergenzien, also fettlösende Seifen, lösen auch Lipidmembranen auf. Damit verliert das Coronavirus seine Infektiosität. Durch gründliches Händewaschen mit Seife und Wasser für 30 Sekunden werden Coronaviren zuverlässig inaktiviert. (…) Antimikrobielle Seifen sind überflüssig, da sich Viren außerhalb von Zellen nicht vermehren können. Für die Reinigung von Oberflächen werden Detergenzien-haltige Haushaltsreiniger empfohlen.», zitiert nach Universität Kiel: «Ansteckungsrisiko reduzieren»” aufgerufen am 23. März 2020
[11] «Corona- und Grippevirus Welche Mittel können eine Infektion verhindern?», Südwestrundfunk, aufgerufen am 23. März 2020
[12] Twitter-Eintrag der WHO, aufgerufen am 23. März 2020

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