Chiara's «Da mesanotg» im Soundcheck
«Glatsch da citrona»
Entspannt und erfrischend startet das Album der Band. Der letzte, ziemlich geniale Sommer kommt, zumindest akustisch, nochmals auf einen Sprung vorbei und trotz sprachlichen Barrieren spürt die Zuhörerschaft sofort, was die Damen mit dem Lied aussagen wollen. Ein spannender Einstieg in das Werk, der Bock auf mehr macht und nochmals ein wenig von wärmeren Temperaturen träumen lässt.
«Da mesanotg»
Das Titelstück hat immer etwas Stellvertretendes im Albumkonzept und tatsächlich hier gibt’s einiges Grandioses zu entdecken: Die feinen Klänge, die unaufdringlich berühren, das locker, entspannte Zusammenspiel der Formation, sowie die ganz grossen Emotionen, die einem fesseln und nicht mehr loslassen.
«Orlando»
Etwas Jazz, einige Sätze in Englisch und ein Groove, der das Herz im Sturm erobert und sofort zum Tanzen animiert. Interessant, dass Frau Jacomet es sich nicht nur in der romanischen Ecke gemütlich macht, sondern auch neue Sachen ausprobiert.
«Agen Assassin»
Dieses Stück klingt sehr persönlich und schwebt federleicht durch die Boxen. Chiara lädt zum Eintauchen in eine Traumwelt ein. Vor allem die repetitive Pianomelodie von Chiara Jacomet und der innovative Schlagzeugbeat von Momo Kawazoe machen diesen feinen Song in meinen Ohren sofort zu einem der besten des Albums.
«Glischs blauas»
Das beschwingte Werk, zu welchem in der Werkstatt Chur ein Videoclip gedreht wurde, zeigt wie spannender Pop auf Romanisch klingen kann und wie essentiell eine gute Rhythmustruppe im Hintergrund sein kann. Die vier Damen haben mit diesem Lied ein Werk erschaffen, das jegliche sprachlichen Grenzen einreist und sofort zum Mitsingen animiert. Wunderbar!
«Emblidabucamei»
Ich habe ehrlich gesagt, keinen Plan, was der relativ lange Titel dieses Stücks aussagen will, aber ich fühle die Melancholie zwischen den Zeilen, einen Hauch Wut und die Gesangsmelodien, die direkt unter die Haut gehen. Das Lied mit dem genialen Gitarrenriff am Anfang hält ziemlich kreative Übergänge bereit, die im ersten Moment etwas sperrig wirken, aber sehr viel Kraft ausstrahlen und das Stück umso spannender machen.
«Saulta miu Cor»
Das relativ weit voraus veröffentlichte erste Video ist ein Augen- und Ohrenschmaus in einem. Es ist mir bereits schon bei den voraus gehenden Kompositionen aufgefallen: Das Quartett groovt unglaublich routiniert zusammen. Man hört, dass jede ihren Platz in der Formation gefunden hat und mit viel Herzblut dabei ist, so dass am Schluss grosse Liebeslieder wie dies hier entstehen können. Mehr davon!
«Libellas Selvadias»
Sehr geil, wie Gitarristin Larissa Cathomen über den Groove von Bassistin Lea Huber und Schlagzeugerin Momo Kawazoe brilliert. Die drei schaffen gemeinsam ein Fundament für ihre Frontfrau, dass sie ins Rampenlicht rückt und Platz lässt für ihre Poesie. Das Lied verwandelt sich in ein ziemlich grooviges Offbeatmonster gegen den Schluss, was sehr zu gefallen vermag.
«Calzers Vegls»
Mit viel Popappeal nähern wir uns leider immer mehr dem Ende der Scheibe. Was bisher in dieser Plattenkritik zu wenig beleuchtet wurde, ist der Fakt, dass Produzent Manfred Zazzi hier eine ausserordentliche Arbeit geleistet hat. Der Soundtüftler hat die Talente der jungen Damen erkannt und sie in den richtigen Momenten zu Höchstleistungen animiert, was in der heutigen schnelllebigen Zeit leider oft nicht mehr mit dabei im Paket eines Produzenten ist… Ich finde es herrlich, dass er den warmen, holzigen Klang von handgemachter Musik nicht weg produziert hat, denn genau so erhalten die Songs der Band Chiara eine zeitlose Authentizität.
«She»
Ich habe fast ein wenig das Gefühl, dass Englisch die glücklich verspielte Sprache von Chiara ist. Denn wie bei «Orlando» klingt auch dieses Lied ziemlich entspannt, fliegend und frei. Bei diesem Lied wird die Frauenpower von den Gästen Laura Nucha und Anouchka Gwen unterstrichen, die dem Werk zusätzlich Tiefe geben. Haben Sie das spannende Tanzvideo dazu schon gesehen?
Schlussfazit:
Wow! Das Album «Da mesanotg» von der Bündner Frauenband Chiara ist eine echte Wucht. Die vier Frauen zeigen sich musikalisch enorm reif für ihr Alter und haben ein Werk geschaffen, welches abwechslungsreich, innovativ und groovig klingt. Das Quartett hat einen eigenen Sound, der zwischen Pop und Jazz hin und her pendelt und die männliche Konkurrenz mächtig alt aussehen lässt. Wenn ich mir an dieser Stelle etwas wünschen darf für das nächste Jahr, dann sind es mehr so überraschende Alben von Frauen, die endlich aus dem Schatten heraus ins Rampenlicht treten. Chapeau!